«Ich habe alles, was ich brauche»

  07.12.2020 Persönlich, Stein

Marcel Germann hat sein Glück auf der Upper Rock Ranch gefunden

Für den Steiner Marcel Germann hat das Glück einen Namen: Mit der Upper Rock Ranch, einer Hundepension im badischen Harpolingen, haben er und seine Frau Nicole Germann-Oberstein sich einen Traum erfüllt. Seit 2016 ist der einstige «Rüttehof» im Bad Säckinger Stadtteil erfüllt vom Bellen der vierbeinigen Gäste.

Hildegard Siebold

Ein kleines Strässchen führt ausserhalb von Harpolingen zur abseits gelegenen Upper Rock Ranch. Hier gibt es keine Nachbarn, das Gehöft liegt inmitten freier Natur. Munteres Bellen begrüsst den Neuankömmling, der beim Gang durch die Ranch ebenso freudig wie neugierig begutachtet wird. Wo früher Pferde ihre Heimat fanden, sind heute 17 individuell gestaltete Zimmer für Hunde mit Hundebetten und allem, was ein Vierbeiner so braucht, untergebracht. Gebaut hat sie Marcel Germann mit eigenen Händen.

Auf der Ranch kommt ihm sein handwerkliches Geschick zugute. Und seine Kreativität, die im Bürotrakt der Upper Rock Ranch zutage tritt. Überall ist der Charakter des einstigen Pferdehofs zu spüren. Gekonnt hat Marcel Germann beim Umbau Altes mit Neuem kombiniert. Das Handwerk hat er von seinem Vater übernommen, der zwar Koch lernte, aber dann in Stein als Hauswart an der Schule arbeitete.

«Ich mach meiner Frau den Hof»
Geboren ist Marcel Germann in St. Gallen – am 4. 4. 1968 um «Viertel vor Vier in der Früh». Aufgewachsen ist er jedoch in Stein. Dort ging er zur Schule und erlernte zuerst den Beruf des Möbelschreiners. Später absolvierte er die Ausbildung zum Hauswart. Er arbeitete im Bustelbach-Center in Stein. Auch dort bildete er sich weiter – zum Facility Manager – und kam dadurch erstmals in Kontakt zu Menschen mit Behinderung. In der Stiftung Domino in Hausen bei Brugg war er Vorreiter der Idee, Menschen mit Behinderung im technischen Dienst zu beschäftigen. «Es war mir eine Freude, Behinderten etwas beizubringen – nicht als Pädagoge, sondern als Mensch mit handwerklichem Geschick», sagt er. Bis vor einem Jahr arbeitete er in diesem Berufsfeld, aber der Wandel des Jobs durch den zunehmenden Leistungsdruck schmälerte seine Motivation. Seither ist er Hausmann. «Meine Frau ist der Brötchengeber und ich mache ihr den Hof», schmunzelt er. Wie zweideutigeindeutig das wirklich gemeint ist, wird klar, wenn er davon erzählt, wie sie in sein Leben trat.

Antrag nach einem Jahr
Zum ersten Mal begegneten sie sich 2011 bei einem Single-Tanzkurs in Bad Säckingen. Irgendwann war sie seine Tanzpartnerin und wollte sogleich die Führung übernehmen. Was er trocken mit der Frage kommentierte: «Du musstest auch noch nie folgen» und klarstellte: «Ich führe!» Nach einer Woche wusste er schon extrem viel von ihr – «Wenn sie nervös ist, redet sie viel» – ein Jahr später fragte er sie, ob sie seine Frau werden will. Er wusste für sich: Diese Frau darf ich nie mehr gehen lassen, die muss ich heiraten. Dass sein Antrag dabei morgens früh nach einer durchgefeierten Silvesternacht wenig romantisch daherkam – auf ihr Ja hin wollte er einfach einschlafen, es war ja alles klar – hat sie ihm längst verziehen. Dann die Hochzeit im Rock’n’Roll-Stil in der Konzertmuschel im Schlosspark in Bad Säckingen und die anschliessende Feier in der Reiterhalle des Pferdehofs seien so richtig romantisch gewesen.

Vom Pferdehof zur Hundepension
Damals führte sie den Hof, den ihr Vater 1991 gekauft hatte. Sechs Jahre lang hatte sie das Metier mit Master-Abschluss als Pferdewirtin in Amerika studiert, um ihren Traum zu verwirklichen. Aber der Hof war zu klein, um als Pferdehof rentabel zu sein. 2013 war Schluss. Zumindest mit den Pferden.

Aber auf so einem Hof braucht es Tiere. Die Idee mit der Hundepension reifte. Nicole Germann-Oberstein absolvierte die notwendigen Ausbildungen: Hundetrainerin, Hundezuchtwartin, Fitnesstrainerin für Hunde, Wellness-Therapeutin für Hunde. Nebenher lief der Antrag für die Umnutzung der Ranch. «Ich wusste, dass der Hundebesitzer unser Angebot für das Wohlbefinden seines Tiers in Anspruch nimmt», sagt Marcel Germann. Er verkaufte sein geliebtes rotes Jaguar-Cabriolet, um den Umbau finanziell zu stemmen. Und die Hundepension schlug ein.

Heute zählt die Upper Rock Ranch mehr als 800 Hunde zu ihrer «Kundschaft». Aus halb Deutschland und aus der ganzen Schweiz bringen Hundehalter ihre Tiere nach Harpolingen. In Zeiten von Corona läuft das Pensions-Geschäft derzeit eher schlecht als recht, die Leute können ja nicht in den Urlaub. Aber es gibt auch «Tagesgäste», die es geniessen, auf der Ranch einfach Hund sein zu dürfen und mit den anderen Hunden herumzutollen. «Das ist so ähnlich wie im Kindergarten», vergleicht Marcel Germann schmunzelnd. Und es gibt inzwischen auch die von ihnen liebevoll betitelten Corona-Opferkinder, die nach dem Lockdown, als Herrchen und Frauchen plötzlich ständig zuhause waren, jetzt nicht mehr alleine bleiben wollen. Auf der Upper Rock Ranch gibt es die Möglichkeit, sich in den verschiedenen grosszügigen Ausläufen auszutoben. Was jedoch nicht fehlen darf, sind die Kuscheleinheiten. Und wie die vierbeinigen Gäste hat Marcel Germann sein Paradies gefunden. «Das ist ein perfektes Leben für mich, ich habe alles, was ich brauche», sagt er. Und fügt hinzu: «Ich bin noch nie so glücklich gewesen.» Wohl dem, der das von sich sagen kann. Und: Was für eine Liebeserklärung an seine Frau Nicole Germann-Oberstein.

Alle Infos zur Upper Rock Ranch gibt es im Internet unter: www.upperrock-ranch.de


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