Im Norden nichts Neues

  12.11.2020 Möhlin, Rheinfelden

Rheinfelden sagte an seiner Gemeindeversammlung klar Ja zur Testplanung. Seither sind über zwei Monate vergangen. In Möhlin sind ebenfalls über zwei Monate vergangen – bloss: gestritten wird immer noch. An der Urne befinden die Stimmbürger noch einmal über den Kredit zur Testplanung. Am Gebiet nördlich des Bahnhofs scheiden sich die Geister. Politisch wird taktiert, was das Zeug hält. (rw)


Eine Wiese wird zum politischen Minenfeld

Die Abstimmung zur Testplanung in Möhlin sorgt für Nebengeräusche

Die «IG Pro Kulturland» erhebt in einem offenen Brief schwere Vorwürfe an den Gemeinderat und suggeriert zudem, die «IG pro Mittelschule» als Befürworterin der Testplanung würde Fehlinformationen verbreiten. Für die «IG pro Mittelschule» sind das Nebelpetarden, die von der Sache ablenken.

Ronny Wittenwiler

Am 29. November entscheiden die Möhliner an der Urne, ob über das mittlerweile berühmt-berüchtigte Gebiet nördlich des Bahnhofs eine Testplanung gelegt wird. Am Montag machten Befürworter und Gegner dieser Testplanung von sich reden.

Verschiedene Blickwinkel
Er wüsste nicht, wann hier letztmals Korn angebaut wurde, sagt Martin Frana mit Blick auf das Corpus Delicti hinter dem Bahnhof. «Wenn also stets vom Verlust von wertvollem Kulturland gesprochen wird, muss man wissen: Das hier ist kein hochwertiges Landwirtschaftsgebiet.» Beim Testplanungsgebiet auf diesen fünf Hektaren Möhliner Boden handelt es sich nicht um sogenannte Fruchtfolgeflächen. Deshalb greife auch das Argument der Nahrungsmittelsicherheit in diesem Fall zu kurz, findet Frana: «Wertvolles Ackerland wie das Meler Feld, welches rund 700 Hektaren Fruchtfolgeflächen aufweist, wird also nicht geopfert.» Frana ist Präsident der FDP Möhlin und eine treibende Kraft der «IG pro Mittelschule», die per Referendum die zuerst abgelehnte Testplanung an die Urne bringt.

Praktisch gleichzeitig erreicht die Redaktion der NFZ per Mail ein offener Brief der «IG Pro Kulturland» und in diesem Brief steht geschrieben: «Wichtig zu berücksichtigen ist, dass auch Kulturland als grüne Wiese der Tiernährung dient und demzufolge ebenfalls wesentlich zur Nahrungsmittelproduktion beiträgt (Milch, Fleisch).» Das Gebiet, um das es sich dreht, das zeigt sich nicht erst jetzt: es wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

Sachzwang? Kein Sachzwang?
Die «IG pro Mittelschule» möchte das Land hinter dem Bahnhof einer Testplanung zuführen, genau wie das alle bürgerlichen Parteien in Möhlin ebenfalls wollen und wogegen SP und Grüne nicht offiziell ankämpfen; eine Testplanung gemeinsam mit Rheinfelden, das an der Gemeindeversammlung bereits grünes Licht gab. Einzig «Pro Kulturland» als Gruppierung bekämpft in Möhlin offiziell das Referendum und hofft auf Unterstützung aus der Bevölkerung. Seit knapp drei Wochen stehen deshalb im Dorf wieder riesige Plakate, mit denen «Pro Kulturland» die Testplanung bodigen möchte (die NFZ berichtete). Für die Organisation steht fest: «Die Testplanung bewirkt einen Sachzwang zur späteren Umzonung der vorgesehenen Kulturlandf lächen und zieht anschliessend unweigerlich eine entsprechende Einzonung in Bauland nach sich.»

Es könne eben gerade nicht von einem Sachzwang die Rede sein, hielten dagegen Exponenten der «IG pro Mittelschule» beim Medientermin vergangenen Montag ihrerseits nochmals fest. «Weil wir als Stimmbürger an der Gemeindeversammlung selbst festlegen, was wann eingezont wird und was somit dort zu stehen kommt.» Als diese Worte fielen, da dürfte der offene Brief von «Pro Kulturland» längst auf dem Tisch beim Gemeinderat gelegen haben. Das Schreiben – mit Kopie an den Regierungsrat – enthält Vorwürfe und Forderungen an die Möhliner Exekutive, zudem wird darin in der Tendenz suggeriert, das Referendumskomitee nehme es mit der Wahrheit nicht so genau.

Schwere Vorwürfe an den Gemeinderat…
«Pro Kulturland» kritisiert im offenen Brief, dass man als Interessengemeinschaft nicht in den Erläuterungen zur Abstimmung berücksichtigt worden sei. In der genannten Abstimmungsbroschüre ist seitens Gemeinderat die Rede von «vorgebrachten berechtigten Anliegen und Befürchtungen, insbesondere zu den Themen Überbauung, Verkehr und Verlust von Kulturland.» Dass die «IG Pro Kulturland» in diesen Erläuterungen nicht namentlich erwähnt wird, stösst der IG sauer auf; die IG reklamiert für sich, im Hinblick auf die Abstimmung ihre Bedeutung geltend gemacht zu haben, da sie bereits im Vorfeld zur Gemeindeversammlung mittels Flyer, bedruckter Plachen im ganzen Dorf in Erscheinung getreten war und an der Gemeindeversammlung selbst schliesslich von einem Votanten vertreten worden sei.

Während die Stellungnahme des Referendumskomitees («IG pro Mittelschule») in der Abstimmungsbroschüre eine ganze Seite ausfülle, würden kritische Argumente nur vage angedeutet, schreibt «Pro Kulturland» und fragt: «Was sind die Beweggründe und die Legitimation dieses Handelns von Seiten des Gemeinderats?» Man erwarte vom Gemeinderat «dringend» eine öffentliche Stellungnahme, schreibt «Pro Kulturland» im offenen Brief und fordert: «Des Weiteren soll eine Berichtigung der bereits versendeten Broschüren mittels Nachreichung unserer Stellungnahme an alle Stimmbürgerinnen und Stimmbürger unserer Gemeinde erfolgen. All dies im Sinne einer transparenten und ausgewogenen Informationsbasis zur neutralen Meinungsbildung unserer Stimmberechtigten.»

… und an das Referendumskomitee
Auch fährt die IG «Pro Kulturland» – die jeweils mit den beiden Landwirten Hans Delz und Hans Metzger öffentlich in Erscheinung tritt (vgl. Kasten) – eine Offensive gegen das Referendumskomitee. Das zeigt sich anhand dieser Frage im offenen Brief: «Wurde die Stellungnahme des Referendumskomitees inhaltlich geprüft, um sicher zu stellen, dass keine falschen Informationen an die Stimmberechtigten von Möhlin versendet werden, welche die Meinungsbildung beeinflussen?» Konkret bezieht sich «Pro Kulturland» mit diesem in eine Frage verpackten Vorwurf auf folgende Aussage, die das Referendumskomitee in der Abstimmungsbroschüre tätigt: «Rund 5 ha des von der Testplanung betroffenen Gebiets nördlich des Bahnhofs Möhlin gehört zur Gemeinde Möhlin. Bei diesem Land handelt es sich gemäss kantonalem Richtplan nicht um Kulturland, sondern um Siedlungsgebiet (…).» Das Komitee verweist dabei auf die Pläne des Aargauischen Geografischen Informationssystems Agis. «Pro Kulturland» dagegen hält im offenen Brief fest: «Aus dem Agis geht klar hervor, dass die genannte Fläche als Landwirtschaftszone eingezont und im Kulturlandplan aufgeführt ist.»

Kulturland oder Siedlungsgebiet – was ist den nun richtig? Antwort: beides. Im Kulturlandplan ist das Gebiet als Landwirtschaftszone aufgeführt, wie «Pro Kulturland» richtig feststellt. Die Aussage des Referendumskomitees, dass es sich gemäss kantonalem Richtplan um Siedlungsgebiet handelt, ist jedoch genauso wahr. Désirée Stutz (SVP), die wie Martin Frana dem Referendumskomitee angehört, erklärt: «Im Agis sind sowohl der Kulturlandplan als auch der Kantonale Richtplan aufgeschaltet. Der Kulturlandplan ist der kommunale, von der Gemeinde erstellte Plan – daher ist das Land dort als Kulturland ausgewiesen, da es kommunal nicht eingezont ist. Das hat aber nichts mit dem Kantonalen Richtplan zu tun.» Stutz vermutet: Wahrscheinlich habe «Pro Kulturland» ganz einfach die Pläne miteinander verwechselt. Martin Frana vom Referendumskomitee sagt: «Wenn wir nun über solche Dinge sprechen, vernebelt das die eigentliche Sache, um die es hier geht. So ist eine Diskussion nicht zielführend und für die Abstimmung irrelevant.»

Frana sagte das Stunden später, nachdem er zusammen mit dem Referendumskomitee beim Bahnhof gestanden war und auf die Wiese blickte: «Unsere einzige Ressource ist Bildung. Wir sind der Meinung, dass hierfür die Nutzung von fünf Hektaren Kulturland für den Bau einer Mittelschule vertretbar wäre, zumal es sich nicht um wertvolles Kulturland im Sinne von Fruchtfolgeflächen handelt, wie es auf dem Meler Feld vorkommt und das wir als Landschaft von kantonaler Bedeutung besonders schützen.» «Pro Kulturland» sieht das ganz anders. Aus der Wiese hinter dem Bahnhof ist ein politisches Minenfeld geworden.


Die IG Pro Kulturland

Die IG Pro Kulturland tritt jeweils mit den beiden Landwirten Hans Delz und Hans Metzger öffentlich in Erscheinung. Die Frage der NFZ, wie viele Personen generell und wie viele Bauern im Speziellen «Pro Kulturland» angehören, wird nicht konkret beantwortet. Man sei weder ein Verein noch eine politische Partei und führe somit keine Mitgliederliste, heisst es einzig. Und: «Pro Kulturland hat viele Sympathisanten und Unterstützer (…). Unsere Sympathisantinnen/en und Unterstützer/innen begrüssen zudem, dass Pro Kulturland die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wahrheitsgetreu, sachlich, seriös und den Tatsachen entsprechend informiert (…).»

Die Frage, weshalb jeweils einzig die beiden Sprecher von «Pro Kulturland» öffentlich in Erscheinung treten und somit kaum andere Personen bekannt sind, wird ebenso nicht konkret beantwortet: «Die strategische Arbeitsgruppe (Komitee) von Pro Kulturland ist breit abgestützt und setzt sich aus allen Alters- und Interessengruppen unseres Dorfes zusammen.» (rw)


Das sagt der Gemeinderat

«Das Gesetz über die politischen Rechte (GPR) regelt das Referendumsrecht eindeutig. Die Botschaft zur Referendumsabstimmung Testplanung genügt allen rechtlichen Anforderungen», hält der Gemeinderat in einer Stellungnahme fest. Der Gemeinderat habe zudem die Pressemappe der «IG Kulturland» nach deren Eingang (nach Redaktionsschluss der Broschüre) zur Kenntnis genommen und hält fest: «Der Gemeinderat würdigt die Argumente. Es steht der IG Pro Kulturland selbstverständlich frei, die Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu informieren.» Selbstverständlich, richtet der Gemeinderat aus, habe er die Ausführungen des Referendumskomitees geprüft. «Es wurden keine Mängel festgestellt.» Des Weiteren schreibt der Gemeinderat: «Die kantonale Gemeindeabteilung hat auf Anfrage der Gemeinde hin bereits Ende September 2020 ausgeführt, dass nur das Referendumskomitee eine Stellungnahme zuhanden des erläuternden Berichts abgeben kann.» (rw)


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