Die Zeit als Radprofi war für Lukas Zumsteg eine Lebensschule

  11.11.2020 Sport, Sulz

Vereine haben in der Gesellschaft eine wichtige soziale Aufgabe

Lukas Zumsteg ist in Sulz aufgewachsen und lebt heute noch dort zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern. Dazwischen hat ihn sein Beruf als Radrennfahrer um die ganze Welt geführt.

Dieter Deiss

Um die Jahrtausendwende herum gehörte Lukas Zumsteg zu den tragenden Persönlichkeiten im damaligen Phonak Cycling Team. Er nahm an zahlreichen nationalen und internationalen Rennen teil. Er war es, der im Jahr 2000 den ersten internationalen Sieg der Phonak-Teamgeschichte erzielte. Viermal fuhr er die Tour de Suisse, war dabei Träger des Bergpreisleadertrikots und beendete die Landesrundfahrt einmal als «aktivster Fahrer» sowie zweimal als Sieger im Punkteklassement.

Eigentlich war es nie sein Ziel, Profi-Radrennfahrer zu werden. «Ich hatte einfach Freude am Velo fahren», erzählt er rückblickend. Die Türe geöffnet in Richtung Profisport habe ihm der Schweizermeister-Titel im Radquer im Jahre 1990. Dieser Sieg brachte ihm die Aufnahme ins Junioren-Nationalkader. Seither gehörte nicht nur der Radfahrerverein Sulz zu seinen Förderern, sondern auch der schweizerische Verband. Die Aufnahme in die Nationalmannschaft war ein grosser Schritt. «Noch gut erinnere ich mich daran, wie ich dann plötzlich erstmals am selben Tisch sass, wie die damaligen Radsportgrössen Beat Breu, Albert Zweifel oder Pascal Richard», blickt er auf die Anfänge seiner Karriere zurück.

Verständnis für fremde Kulturen
Ein Leben als Profi ist gleichbedeutend mit dem Verzicht auf viele Annehmlichkeiten im täglichen Leben, denn man ordne alles dem Sport unter. Ein Profi lege im Jahr etwa 35 000 Kilometer im Sattel zurück, wovon rund die Hälfte in 70 bis 80 Renntagen pro Saison. Man sei ständig unterwegs und werde durch die halbe Welt von Rennen zu Rennen gef logen. Dieses Reisen habe ihm aber auch viel Verständnis gebracht für fremde Kulturen, genauso wie auch das ständige Zusammensein in einer internationalen Sportgemeinschaft.

Trotz des grossen Engagements im Radsport legte Lukas Zumsteg grossen Wert auf eine seriöse Berufsbildung. So schloss er eine Lehre als Maschinenzeichner ab und besuchte anschliessend die Technikerschule. Diese Ausbildungen erleichterten ihm nach seinem 2002 erfolgten Rücktritt vom Profiradsport den Eintritt ins «normale» Leben. «Heute profitiere ich im Berufsalltag von meinen Erfahrungen als Sportler», meint er. Durch viele Kontakte mit den Medien, habe er sich vom eher introvertierten Konstrukteur vor allem kommunikativ weiter entwickelt. Auch die Fremdsprachen, die er im internationalen Umfeld des Profisports lernen musste, sind ihm heute im Berufsalltag äusserst nützlich. Der Sport habe ihn aber auch gelehrt, hartnäckig auf etwas hinzuarbeiten nach dem Motto: «Ohne Ziel keine Motivation.» Der Radsport sei für ihn eine eigentliche Lebensschule gewesen, erzählt der 48-Jährige, der nach der sportlichen Laufbahn ein Wirtschaftsstudium abschloss und heute als Leiter Vertrieb bei der Rapid Technic AG tätig ist.

Profikarriere mit unvergleichlichen Emotionen
«Ich habe meine Profikarriere nie bereut», betont er rückblickend. Er schwärmt von der Zeit, die von Emotionen geladen war: «Wenn man am Rennen vorne mitfährt und von den Massen bejubelt wird, fühlt sich dies fantastisch an. Bereits am Folgetag aber, wenn man der Spitze mit kleinem Abstand hinterherfährt, wird man von den Fans am Strassenrand ausgepfiffen,» erzählt er. So brutal könne der Sport sein. «Die vielen intensiven Erlebnisse haben uns Fahrer zusammengeschweisst.» Heute noch pflege er aus der damaligen Zeit zahlreiche Freundschaften in halb Europa. Dem Radsport ist er weiterhin sehr eng verbunden. So präsidiert er mit viel Erfolg den RV Sulz. Er weist hier insbesondere auf die Radsportschule Sulz-Gansingen hin und meint mit berechtigtem Stolz, dass diese über Jahre hinweg eine der erfolgreichsten Jugendradsportförderungen der Schweiz sei. «Mit meiner Arbeit für den Verein will ich diesem etwas zurückgeben von dem, was er für mich getan hat.»

Die Rolle der Vereine in der Gesellschaft
Mit der Radsportschule leiste man wichtige Basisarbeit und biete den Kindern eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Freilich sei das Ziel des Veloclubs nicht primär Spitzensportler heranzuziehen. In der Radsportschule lernen die Kinder das Velofahren und die Verkehrsregeln, trainieren Geschicklichkeit, erleben die Kameradschaft oder sind in Mehrtagestouren nicht selten erstmals über Tage hinweg mit anderen Bezugspersonen unterwegs. Viele Vereine, so auch der RV Sulz, spielten in der heutigen Gesellschaft eine wichtige Rolle im sozialen Leben. Dazu zählt er auch die Organisation von Anlässen wie das Fricktalische Mannschaftsfahren, den Fricktaler Cup oder die Etappenankunft des Grand Prix Rüebliland mit den besten Junioren aus der ganzen Welt. Gerade weil die Auflagen von staatlichen Behörden und vom Verband immer komplexer werden, sei es für ihn wichtig, solche Anlässe auch inskünftig zu ermöglichen.

Das Velofahren bereitet ihm übrigens auch heute noch viel Spass. Ab und zu fährt er mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Killwangen. Insbesondere geniesst er die Sonntags-Touren mit dem RV Sulz. Da interessieren ihn weder Durchschnittsgeschwindigkeit, Pulsfrequenz, noch gefahrene Kilometer. Einzig das Gemeinschaftserlebnis im Kreise seiner Kameraden zählt für ihn. Dazu gehöre nicht zuletzt auch ein Umtrunk, was früher als Spitzensportler nicht sein durfte.


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