«Von den Lochkarten hin zum farbigen Bildschirm»

  04.11.2020 Möhlin, Persönlich

Programmiererin Monika Weibel erlebte unglaubliche technische Entwicklungen

Rund 40 Jahre lang arbeitete Monika Weibel in der EDV-Entwicklung. Dabei erlebte sie von der Lochkarten-Zeit über die erste Maschinensprache bis hin zu den farbigen Bildschirmen und höheren Programmiersprachen alles mit. Eine kleine Zeitreise.

Birke Luu

Technikaffin, computersüchtig, ein Natel-Fan? Monika Weibel schüttelt immer nur lachend den Kopf. «Ich war doch Programmiererin, das heisst ich liebe die Logik und das Analysieren. Meine Welt waren die Grossrechner, nicht das kleine Natel», erklärt die 69-Jährige. Ihr ganzes Berufsleben lang erlebte sie die rasanten technischen Fortschritte mit, so dass gefühlte Welten zwischen ihrem Berufseintritt 1972 und der heutigen digitalen Welt liegen.

Doch wie kommt eine junge Frau dazu, Anfang der 70er eine Laufbahn in der Programmierung zu beginnen? Monika Weibel wuchs in Bratislava, in der ehemaligen Tschechoslowakei, auf. Als sie 17 Jahre alt war, f loh ihre gesamte Familie 1968 in die Schweiz. Nach ihrer Matura in Luzern wollte sie nicht mehr pauken, nicht studieren, suchte eine Alternative. Ein Kollege, der selbst in die EDV gegangen war, erzählte ihr davon – die Idee war geboren. «In der Tschechoslowakei waren wir Mädchen und Jungs total gleichberechtigt erzogen worden, daher war so eine Arbeit für mich kein Männerberuf», erzählt sie. Begeistert begann sie ihre hausinterne Ausbildung bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) in Zürich – eine Ausbildung an einer (Hoch-)Schule gab es für dieses junge Fach damals noch nicht.

Lochkarten-Nostalgie
Beim Erzählen leuchten ihre Augen, die Erinnerungen sprudeln nur so aus ihr hervor. «Am Anfang gab es gar keine Bildschirme, nur dieses Endlos-Papier», lacht sie. «Dann kamen Bildschirme auf, die zweifarbig waren: dunkel- und hellgrün. Mini waren diese Bildschirme – und selbstverständlich ohne Grafiken, also nur mit Buchstaben.» Später seien die Bildschirme dann grösser und farbiger geworden. «Plötzlich hat man als grossen Fortschritt auch pink oder hellblau für die Schrift auswählen können.» Dies sei wohl bis in die 80er Jahr so gewesen, fachsimpelt sie. Auch in Gedanken an die verschiedenen Speichermedien, die es heute längst nicht mehr gibt, gerät sie ins Schwärmen, schwelgt in Erinnerungen. Als ersten Schritt hätte es Lochstreifen gegeben, danach die Lochkarten, anschliessend Magnetbänder, auf denen man das Gespeicherte nie wieder umsortieren konnte, und schliesslich die Floppy Disks, «dieses furchtbar bewegliche Zeugs» mit nur wenig Speicherplatz für Daten und Programme.

Von all dem Genannten hatten es besonders die Lochkarten Monika Weibel angetan. «Das war einfach köstlich damals, lustige Zeiten», schwärmt sie rückblickend. Sie habe jeweils das Programm auf Papier geschrieben und dann dieses an die «Locherinnen» weitergegeben. Diese hätten den Text in ihre Maschinen eingegeben, welche dann die Buchstaben in Löcher auf den Karten umwandelten. «Das konstante Lochen war sehr laut, ein echt harter Job für diese Frauen!» Die Lochkarten, die jeweils ein Programm beschrieben, kamen dann in eine oder mehrere Schachteln – «und nun bloss nicht fallenlassen, denn anfangs waren die Lochkarten nicht nummeriert!» Per teurem Taxi fuhr Monika Weibel am Schluss zum Rechenzentrum, wo jeder Programmierer zwei Stunden pro Woche sein Programm testen durfte. «Ich habe teils um vier Uhr morgens oder auch an Wochenenden getestet. Dabei waren diese zwei Stunden natürlich immer viel zu kurz!» Besser, man fand seine Fehler noch vorher auf dem «Papier», schliesslich standen alle unter beträchtlichem Erfolgs- und Zeitdruck. Ja, Lochkarten, daran hat die rüstige Rentnerin viele Erinnerungen, auch private, wie sie schmunzelnd zugibt: «Ich habe die alten Lochkarten gerne als Einkaufszettel benutzt, weil sie durch ihr härteres Papier immer gut in meiner vollen Handtasche zu finden waren.»

Logische Analyse
Monika Weibel resümiert: «Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie wir früher so arbeiten konnten.» Doch irgendwie funktionierte es – zuerst bei ihrem Job bei der SBG, später bei der Stadt Zürich, wo sie für die Verkehrsbetriebe Programme schrieb, aber auch für das Sportund das Steueramt. 1999 zügelte sie nach Möhlin, da sie zum Basler Bankverein gewechselt hatte.

Fast 40 Jahre in der EDV-Entwicklung, was hat sie daran so fasziniert? «Die Logik und das Analysieren!» Man habe jeweils ein Problem bekommen, für das man durch logische Analysen eine Lösungsformel finden musste. Da ein Computer ja von sich aus nichts wisse, habe man absolut alles vorgeben und bei der Programmierung jeden noch so kleinen Schritt bedenken müssen. Sehr anspruchsvoll und herausfordernd, besonders wenn man das acht Stunden am Tag mache, aber auch spannend und interessant. Für den Basler Bankverein, Ihrem letzten Arbeitgeber, war dann Monika Weibel in der Salär-Applikation tätig. Mit dem Umstieg des Unternehmens auf eine standardisierte Software (SAP) wurde sie noch zur «Testingenieurin», allerdings: «Ich musste nur noch Fehler in den Anwendungen suchen, das war nicht mehr so spannend wie die frühere eigene Programmierung», bedauert Monika Weibel. Interessant war in dieser Zeit hingegen das Aufkommen von E-Mail und Internet, was auch die hausinterne Arbeit stark verändert hatte.

Riesige Freude an Menschen
Nach vier Jahrzehnten Computerarbeit konzentriert sich Monika Weibel seit ihrer Frühpensionierung nun auf ihre Mitmenschen. 14 Jahre lang organisierte sie Hilfstransporte nach Ungarn, derzeit organisiert sie mit viel Engagement und Herzblut in den Räumen der reformierten Kirche Möhlin gemütliche Stunden für Senioren. Nach all der Technik fasziniert sie heute der Kontakt mit den Menschen. Sie möchte ihnen Gemeinschaft schenken und auch ihre eigene Fröhlichkeit mit ihnen teilen. Ihre Devise lautet: «Man darf das Leben nicht zu ernst nehmen», denn die meisten Probleme seien gar nicht so gross wie sie oft erscheinen würden. Offensichtlich ist das auch Monika Weibels Fazit aus ihrem Arbeitsleben: Bei gründlicher logischer Analyse findet man immer eine Lösung.


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