«Räbse» und seine grosse Leidenschaft
01.11.2020 Persönlich, RheinfeldenUrs Rebsamen erlebt gerade eine spezielle Zeit. Der leidenschaftliche Hobbymusiker, der Menschen seit 47 Jahren mit seinen Klängen unterhält, hat leere Auftragsbücher. Schuld daran ist die Situation rund um das Coronavirus.
Janine Tschopp
«Und dann die Hände zum Himmel. Kommt lasst uns fröhlich sein. Wir klatschen zusammen, und keiner ist allein.» Ja, gerade in diesem Moment sind sie nicht allein. Die Senioren im Altersheim sind alle an den Fenstern oder auf ihren Balkonen und singen, klatschen und tanzen zur Musik, mit welcher Urs Rebsamen sie an diesem sonnigen Nachmittag beglückt. «Sie hatten eine grosse Freude», erzählt der begeisterte Hobbymusiker. Bei seinen Auftritten in verschiedenen Alters- und Pflegeheimen der Region erlebte Urs Rebsamen vergangenen Sommer viele Schlüsselmomente. Schon im Herbst 2019 hatte er die Idee, auch weil er seit August letzten Jahres zu 60 Prozent pensioniert ist, für Alters- und Pflegeheime zu spielen. Er informierte diverse Heime in der Region und wusste damals noch nicht, dass musikalische Unterhaltung im kommenden Jahr nochmals einen ganz anderen Stellenwert erhalten würde.
Leere Auftragsbücher
Im nächsten halben Jahr haben Urs Rebsamen und Tobias Kaiser, die seit viereinhalb Jahren als «RäbseGnom» auftreten, keinen einzigen Auftritt geplant. «So etwas habe ich noch nie erlebt. Das ist eine aussergewöhnliche Situation», sagt Urs Rebsamen. Schon im Sommer wurden grosse Anlässe wie Fischessen, Bundesfeiern, Bierkulinarium und Weinerlebnis auf das kommende Jahr verschoben. Oktoberfeste, Familienfeiern, Geschäftsanlässe, Silvesterfeiern und Fasnachtspartys, welche für die kommende Zeit geplant gewesen wären, sind ebenfalls abgesagt. «Der nächste geplante Anlass ist eine Hochzeit am 1. Mai 2021», erzählt Rebsamen.
Auch wenn er jeden Tag zum Üben in den Keller steigt und auch gemeinsame Proben mit «Gnom» abhalten wird, wird ihm sehr viel fehlen. «Wir sind eine Tanz- und Unterhaltungsmusik. Das heisst, wir musizieren nicht nur für uns, sondern für die Leute. Wir möchten mit unseren Klängen eine Stimmung aufbauen. Es ist ein Geben und Nehmen», betont der Musikant. Er erzählt von einem der wenigen Anlässe, die in letzter Zeit unter strengsten Sicherheitsmassnahmen durchgeführt wurden. «Die Leute mussten an ihren Plätzen sitzenbleiben. Nicht einmal verheiratete Paare durften miteinander tanzen. So etwas habe ich noch nie erlebt, obschon ich aus Sicherheitsgründen Verständnis für die getroffenen Massnahmen habe.»
Musiker von Kindesbeinen an
«Bei uns zu Hause wurde immer viel gesungen», erzählt Urs Rebsamen, der seine Kindheit in Laufenburg verbrachte und 1983 nach Rheinfelden zog. «Nach der Blockf löte erhielt ich Gitarrenunterricht.» Später eignete er sich das Akkordeon- und Keyboardspielen an und spielte bald schon vor Publikum. Als 14-Jähriger gründete er die erste Tanzmusik und musizierte während vielen Jahren in verschiedenen Bands.
Seine Begeisterung für die Musik und das Gitarrenspielen gab er auch an seinen Sohn Marc weiter. Als «Duo Räbse» traten Urs und Marc Rebsamen zwischen dem Jahr 2000 und 2015 an vielen kleinen und grossen Feiern auf. Urs Rebsamen erinnert sich: «Unseren ersten gemeinsamen Auftritt hatten wir 1999, an der Beerdigung meiner Mutter.»
Im Herbst 2015 verstarb sein Sohn bei einem tragischen Unfall in Rheinfelden. «Dann stand ich vor einem Scherbenhaufen», erzählt Urs Rebsamen. «Ich verlor mit Marc nicht nur meinen Sohn, sondern auch meinen Partner für die musikalischen Auftritte, meinen besten Freund sowie meinen Velo- und Arbeitskollegen.»
Seit Mai 2016 tritt Urs Rebsamen zusammen mit Tobias Kaiser als «RäbseGnom» auf. Urs Rebsamen ist glücklich, dass er trotz des schlimmen Schicksalsschlags, den er und seine Familie vor fünf Jahren erlitten hat, weiterhin Musik machen darf. «Tobias und ich harmonieren nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich.» Auch jetzt, in der auftrittsfreien Zeit, übt er täglich sowohl alleine als auch im Duo. «Wir müssen in Schwung bleiben. Auch unsere Stimmbänder müssen trainiert werden.»
Musizieren mit dem Grosskind
Musik macht Urs Rebsamen auch sehr gerne mit seiner siebenjährigen Enkelin Lara. Wie ihr verstorbener Vater Marc und ihr Grossvater spielt sie Gitarre. Lara hat auch schon bei Auftritten von «RäbseGnom» mitgesungen. Urs Rebsamen und seine Frau Silvia geniessen es, viel Zeit mit ihrem Grosskind zu verbringen. Velofahren und sich in der Natur zu bewegen ist ein weiteres Hobby des 61-Jährigen.
Er geniesst es, heute mehr Zeit für seine Hobbys zu haben. Aber auch die Arbeit erfüllt ihn. Seit 41 Jahren arbeitet er in verschiedenen Funktionen für die Suva in Basel und liess sich letztes Jahr zu 60 Prozent pensionieren, um unter anderem mehr Zeit für die Musik zu haben. «Meine Arbeit und mein Hobby haben sich immer gut ergänzt», sagt er. Die Musik als emotionale Beschäftigung und die eher rationale Tätigkeit für die Suva, bei welcher er sich oftmals mit Gesetzesartikeln auseinandersetzen muss. Heute besucht er für die Suva Kunden und hat nach wie vor sehr viel Spass an seiner Tätigkeit. «Es ist eine sinnstiftende Arbeit, die mich immer inspiriert hat. Ich darf etwas tun, was den Menschen zugutekommt. Zudem habe ich tolle Arbeitskollegen.»
Wann Urs Rebsamen seinen nächsten grösseren musikalischen Auftritt haben wird, steht in den Sternen. Manchmal überlegt er sich, ob die Corona-Pandemie bei den Menschen längerfristig eine Verhaltensänderung hervorrufen werde. Will heissen, dass viele Menschen, die bis anhin gerne Feste besuchten, zukünftig grossen Respekt oder Angst davor haben könnten, zusammen mit anderen zu feiern und sich nahe zu kommen.
Urs Rebsamen und sein musikalischer Partner Tobias Kaiser setzen jedenfalls alles daran, jederzeit bereit zu sein, wann auch immer gesellschaftliche Anlässe wieder stattfinden dürfen. «Wir drücken die Daumen all denjenigen in der Unterhaltungsund Gastronomiebranche, die es noch viel härter trifft als uns und deren Existenz durch die aktuellen Einschränkungen gefährdet ist.»