Vom Sonntagsschüler zum Sigrist

  14.10.2020 Frick, Persönlich

Sein Stellenantritt in der reformierten Kirche Frick war überschattet von den Differenzen um einen Pfarrer. Umso grösser ist seine Freude darüber, dass sich das Puzzle nun wieder zusammenfügt. Die NFZ besuchte Martin Amsler an seinem Arbeitsort.

Simone Rufli

Kräuter, Spargeln, eine Trockenmauer für Eidechsen, Benjeshecken, ein Korb voller Laub – der Aussenbereich bei der reformierten Kirche hat sich verändert und mittendrin steht Martin Amsler. Sigrist, Abwart, zuständig für den Aussenbereich. «Wir wollen der Natur Raum lassen und sie gleichzeitig den Kindern spielerisch näherbringen.»

Viele kirchliche Anlässe konnten wegen Corona nicht oder nur im kleinen Rahmen durchgeführt werden. Wie hat Martin Amsler die weitgehend kontaktlose Zeit verbracht? «Anstelle der Ferienplauschwoche habe ich zusammen mit Christoph Möri von der Kirchenpflege das ganze WLan im Kirchgemeindehaus neu installiert. Fünf Räume im Pfarrhaus wurden gestrichen, sowie der Terrasse ein neuer Anstrich verpasst. Dazu habe ich mit unserer diakonischen Mitarbeiterin Ute Baldinger und mit der Jugendbeauftragten Nadine Brauchli Weiss ihr gemeinsames Büro vollständig neu gestrichen und eingerichtet, Rasen gemäht, Hecken gestutzt und zu den beiden Pfarrhäusern geschaut.»

Zwischen Beck und Koch
Während seiner Zeit als Sekundarschüler verdiente er sich sein Sackgeld, indem er immer am Donnerstagnachmittag seiner Mutter beim Putzen im Kirchgemeindehaus half. «Mit dem Geld habe ich mir dann die Autoprüfung finanziert.» Dass das Kirchgemeindehaus eines Tages sein Arbeitsort werden würde, daran hat der 40-Jährige damals nicht gedacht. Sein Berufswunsch schwankte vielmehr zwischen Beck-Konditor und Koch. In beide Berufe schnupperte er hinein; als Beck bei Kunz, als Koch im Hotel Engel. Das Interesse am Kochen überwog und so absolvierte Amsler seine Lehre in der Küche des Hotel Engel in Frick.

Das erste Jahr nach der Lehre war insofern bedeutungsvoll, als der junge Koch erkannte, wie wichtig ihm der direkte Kontakt mit Menschen ist. «Der Engel war damals noch bekannt für seinen Party-Service und ich durfte zwei- bis dreimal die Woche aus der Hotel-Küche raus, das Fahrzeug beladen und mit dem ganzen Material zu den Leuten fahren.» Auf Wunsch eines Freundes wechselte Amsler in die Krone nach Möhlin, bevor er dem Ruf nach Pratteln folgte und dort 15 Jahre lang im Frisch-Fisch Mercato arbeitete.

«Im Verlauf der Zeit kam ich dort immer mehr von der Küche in den Verkauf.» Verkauf bedeutete Kundenkontakt und das machte ihm Freude. Er vertiefte sein Wissen über Fische und deren Zubereitung und beriet die Kundschaft. «Das Schönste war, wenn Kunden zurückkamen und sich für meine Rezeptideen bedankten.» Die Stammkundschaft wuchs und mit ihr die Verantwortung, die Amsler im Betrieb übertragen wurde. Einziger Wermutstropfen: «Weil ich von sieben Uhr am Morgen bis um acht Uhr am Abend ausser Haus war, konnte ich meinem heute fünfjährigen Sohn in dieser Zeit unter der Woche nur gerade gute Nacht sagen.» Für einen Familienmenschen wie Martin Amsler ein auf Dauer unhaltbarer Zustand. Und so fing er an, sich Gedanken zu machen über einen Wechsel.

«Dann hörte ich ganz plötzlich davon, dass im Kirchgemeindehaus in Frick eine 100-Prozent-Stelle als Sigrist, Abwart und Aussendienst-Mitarbeiter neu zu besetzen sei.» Er habe sich mit Freude beworben, betont Amsler und fügt hinzu: «Die Mischung gefiel mir sofort. Die Kirchgemeinde und die vielen freiwilligen Helfer erlebe ich als eine Art Familie und Putzen ist mir nie fremd gewesen.» Nur etwas habe ihm zu Beginn ein bisschen Angst gemacht: «Mir fehlte die Erfahrung als Sigrist.» Mit einem Kurs füllte er diese Wissenslücke.

Von der Pflicht zur Freude
Und so kam es, dass der junge Vater seit Mai 2018 viel mehr Zeit mit der Familie verbringen kann. Mit der Familie, zu der inzwischen zwei Söhne gehören. «Zwei Jung-Imker», wie Amsler schmunzelnd bemerkt. Und dann erzählt er von den Bienen, dem Hobby seines Vaters und wie er selber als Bub die Arbeit mit den Bienen als Müssen empfand. «Alle meine Geschwister waren fein raus, weil sie die Stiche der Bienen nicht gut vertrugen. Nur mir machten sie keine Probleme und so musste ich halt mit anpacken.» Amsler lacht. «Ich habe 30 Jahre gebraucht, um zu erkennen, wie wichtig, nützlich und interessant die Arbeit mit den gegen 50 Bienenvölkern meines Vaters ist.»

Apropos Familie: Die reformierte Kirche gehörte immer schon zu Martin Amslers Leben. Nach den frühesten Erinnerungen gefragt, muss er nicht lange nachdenken: «Während die Eltern den Gottesdienst besuchten, durfte ich zusammen mit meinen vier Geschwistern jeweils in die Sonntagsschule. Ein weiterer Höhepunkt war die Konfirmation samt Vorbereitung. Der schönste Tag hier in dieser Kirche war für mich aber meine Hochzeit im Jahr 2014. Damals noch mit Verena Salvisberg als Pfarrerin. Wir heirateten und liessen ein Jahr später unseren Sohn Manuel taufen.» Zusammen sein mit der Familie, gemeinsam feiern, das bedeutet dem 40-Jährigen viel.

Mutters Küche
«Meine Familie ist mir sehr wichtig», Amsler lacht, «mit meinen vier Geschwistern wurde es früher nie langweilig und heute wohnen wir alle wieder in Frick – zum Teil Wohnung an Wohnung mit den Eltern.» Für Amsler bringt diese Nähe natürlich ganz viel Praktisches im Alltag von berufstätigen Eltern mit kleinen Kindern mit sich. Sie hat aber auch viel mit Dankbarkeit zu tun. «Meine Eltern haben über 20 Jahre für mich gesorgt, es wird der Moment kommen, wo sie Hilfe benötigen.»

Und wie ist es eigentlich mit dem Kochen? Jetzt muss er wider lachen. «Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Eltern und Mutters Küche ist die beste. Zu 90 Prozent kocht sie für uns. Dass alle an einem Tisch sitzen, gemeinsam essen und sich austauschen, ist sehr wichtig für mich.»


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