Zehntausend radeln für Working Bicycle durch die Städte
22.07.2020 Persönlich, RheinfeldenDie Idee ist einfach: eine Box, die hinten auf den Gepäckträger des Velos montiert wird. Beklebt mit Reklame. Dazu etwa zehntausend Radfahrer, die für etwas Geld mit dieser Box hinter dem Sattel zur Arbeit, zum Bahnhof, in die Migros oder in die Badi fahren. In nur vier Jahren haben drei junge Leute daraus ein Unternehmen mit zehn Mitarbeitern gemacht.
Edi Strub
Die Idee ausgeheckt haben Luca Tschudi und sein Bruder Patrick: «Ich hatte eben mein Betriebsökonomie-Studium in Basel begonnen und wollte begleitend dazu etwas ‹reissen›, etwas selber machen, von A bis Z», erzählt Luca Tschudi. Und so hatte er plötzlich zwei Jobs – einen in seinem Unternehmen Working Bicycle, den anderen an der Fachhochschule mit Vorlesungen, Arbeiten schreiben und Prüfungen. «Das war nicht leicht, aber ich habe es hinbekommen, und es machte Spass.» Heute arbeiten bei Working Bicycle zehn Personen und die Velos mit den Reklameboxen auf den Gepäckträgern gibt es inzwischen in fast allen grösseren und mittelgrossen Städten der Schweiz.
«Angefangen haben wir mit fünftausend Franken. Wir, die drei Gründer, haben je etwas auf den Tisch gelegt, dazu meine Eltern. Meine Mutter war euphorisch, mein Vater eher skeptisch, aber er hat uns dennoch von Anfang an unterstützt.» Im zweiten Jahr machte Working Bicycle mit etwa 150 Fahrern magere 10 000 Franken Umsatz. Das reichte knapp für die Unkosten, an Lohn für die Gründer und Chefs war nicht zu denken. Doch es ging bald steil aufwärts, in immer mehr Städten gab es diese Velos. Erst als sich das Unternehmen national etabliert hatte und die Umsätze markant stiegen, haben sich die Gründer einen ersten Lohn ausbezahlt.
Werbung auf Rädern
Für das Rumfahren mit den Reklameboxen bekommen die Radler 90 Franken im Monat. So lange dauert etwa eine Kampagne. Für die Leute bei Working Bicycle in Rheinfelden ist so eine Werbekampagne mit viel Arbeit verbunden: Fahrer müssen rekrutiert und zum Mitmachen motiviert werden. Velohändler montieren im Auftrag von Working Bicycle die Boxen mit den neuen Reklamen. Und vor allem: es müssen ständig neue Aufträge hereingeholt werden. «Niemand wartet auf uns. Wir müssen selber aktiv sein und interessierten Firmen und Organisationen die Vorteile unseres Konzepts glaubhaft machen.» Eine Stärke des Konzepts sei, dass die Reklame überall hinkomme. In die Bahnhofhallen zum Beispiel und auf die Perrons. Die Velos mit den Boxen können auch vor einer Bank stehen, wo normal keine fremde Reklame hinkommt. Oder man begegnet den Boxen auf der Strasse, wenn die Fahrer unterwegs sind. Damit die Werbeleute kontrollieren können, wo die Boxen zu sehen waren, wird alles mit einer App aufgezeichnet und in einem Bericht mit Karten und Statistiken im Detail nachgewiesen.
Aufträge kamen zum Beispiel von HotellerieSuisse, die auf ihren Tag der offenen Tür (für angehende Lehrlinge und Angestellte) aufmerksam machen wollte. Oder vom Alpamare, von Schulen, die Weiterbildungskurse anbieten und natürlich auch von politischen Parteien vor Wahlen und Abstimmungen. Für ein einziges Werbeplakat in der Stadt an einer gut frequentierten Stelle zahle man rund tausend Franken, rechnet Luca Tschudi vor. Für denselben Preise bekommt man bei ihnen zehn oder fünfzehn Velofahrer, die in der Stadt rumfahren. Da müsse sich ein Werbeverantwortlicher schon überlegen, was mehr Beachtung bringe.
Ein netter Zustupf
Unter den Velofahrern, die mitmachen, hat es Leute von 16 bis 73 Jahren. Für viele ist das ein leichtverdienter, willkommener Zustupf. Man muss einfach vor und nach der Kampagne zum Velohändler fahren, um die Box zu montieren oder wieder wegzunehmen. Die Box ist praktisch und wasserdicht. Man kann den Einkauf oder das Badezeug darin verstauen. Luca Tschudi fühlt, dass Working Bicycle gut im Trend liegt. Velofahren werde immer populärer. Es ist ökologisch, gesund und in der Stadt oft das schnellste Fortbewegungsmittel. Dieses Image passt Organisationen wie beispielsweise Amnesty oder Firmen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen.
Top 100 Startups
Working Bicycle nimmt dieses Jahr am Wettbewerb für die Top 100 Schweizer Startups teil. Ausgewählt werden die besten Startups von Fachleuten aber auch durch ein «Public Voting», an dem jeder Interessierte teilnehmen konnte. Diese Abstimmung sei eben abgeschlossen worden, das Resultat wird im Herbst verkündet. Vor ein paar Wochen lag Working Bicycle auf einem vielversprechenden siebten Zwischenrang. In der Sicht von Luca Tschudi ist Working Bicycle ein typisches Startup-Unternehmen. Es wachse schnell, basiere auf einer ungewöhnlichen, neuen Idee und habe dank des grossen Einsatzes seiner Mitarbeiter Erfolg. Ziel von Luca und Patrick Tschudi ist es, ihr Unternehmen in der ganzen Schweiz zu etablieren und zum dominierenden Anbieter dieser Art von Werbung zu werden. Die beiden denken auch darüber nach, ins Ausland zu expandieren. Nach Deutschland zum Beispiel, aber vielleicht auch nach Skandinavien. Vor allem Dänemark und Schweden seien richtige gute Veloländer.