Corona stoppt Fricktaler Segler auf Jamaica

  31.03.2020 Fricktal, Wölflinswil, Sport

Der ehemalige Wölflinswiler Gemeindeammann Köbi Brem und seine Partnerin Pia Koch wurden auf der Karibik-Insel Jamaica von der Corona-Krise eingeholt. Wie sich ihr Leben innert Tagen änderte und mit welchen Sorgen die beiden, die seit bald zwei Jahren mit ihrem Boot über die Weltmeere segeln, die Entwicklungen in der Fricktaler Heimat verfolgen, erzählt Brem im Interview mit der NFZ. (sir)


«Wir wurden aufgefordert, ja nicht an Land zu kommen»

Wölflinswiler erleben die Corona-Krise auf Jamaica

Vor knapp zwei Jahren tauschten Köbi Brem und Pia Koch ihren festen Wohnsitz in Wölflinswil mit einem Leben auf dem Segelschiff Lupina. Mitten in der Karibik setzt ihnen das Coronavirus nun genauso enge Grenzen wie uns Daheimgebliebenen im Fricktal.

Interview Simone Rufli

NFZ: Sie befinden sich vor Anker in Ocho Rios auf Jamaica. Ist das Coronavirus bei Ihnen ein Thema?
Köbi Brem:
Bis zum 2. März war für uns Corona eigentlich noch kein grosses Thema. Wir hatten zwar in den News davon gelesen und mitbekommen, dass in Europa die Situation am Eskalieren war, hier in der Karibik aber fühlten wir uns weit weg von allem. Als wir an diesem Tag via Haiti von der Dominikanischen Republik kommend in Port Antonio auf Jamaica einklarieren wollten, wurde es zum ersten Mal ein Thema für uns. Der Beamte des Gesundheitsministeriums informierte uns vom Steg aus, dass wir als Risiko für das Land gelten, und dass er uns zuerst überprüfen müsse, bevor das Einklarieren beginnen könne. An Bord erklärte er uns dann, dass in der Dominikanischen Republik der erste Fall aufgetreten sei, und dass er nun überprüfen müsse, ob wir allenfalls Kontakt hatten mit der erkrankten Person. Dies war zum Glück nicht der Fall, und wir durften in Jamaica bleiben.

Wie hat sich die Situation seit dem 2. März verändert?
In der Zwischenzeit haben fast alle Inseln in der Karibik «ihre» Fälle, und ähnliche, oder gar schärfere Massnahmen als in Europa sind von den Regierungen angeordnet worden. Hier in Jamaica sind die Grenzen für Einreisen per See oder Luft seit Sonntag komplett geschlossen. Nur noch Jamaikaner dürfen nach Hause kommen, müssen sich aber in Quarantäne begeben. Flughäfen und Seehäfen sind geschlossen.

Waren Sie von diesen Massnahmen direkt betroffen?
Uns wurde das fast zum Verhängnis, als wir zwei Tage vor der Grenzschliessung von Port Antonio aufgebrochen sind, um der Nordküste entlang nach Westen zu segeln. Als wir am Tag des Inkrafttretens der Massnahme in Ocho Rios unseren Anker setzen wollten, wurden wir per Funk von der Marine-Polizei aufgefordert, auf dem Schiff zu bleiben und ja nicht an Land zu kommen. Wir versuchten zu erklären, dass wir bereits vor drei Wochen in Jamaica einklariert haben und unsere Aufenthaltsgenehmigung bis Ende Mai gilt. Wir fanden kein Gehör und wurden relativ schroff aufgefordert, uns an die Anordnung zu halten, ansonsten wir das Land verlassen müssten. Unsere Dokumente anschauen wollten sie schon gar nicht. Erst nachdem wir am folgenden Tag die Behörden unseres vorherigen Hafens per E-Mail mobilisieren konnten, und diese die Marine-Polizei hier instruieren konnte, lenkte diese ein, kam zum Schiff, um zu überprüfen, ob wir wirklich schon seit über drei Wochen in Jamaica sind. Keine Gefahr! und wir

Sind Sie denn noch willkommene Gäste in diesen Tagen der weltweiten Verunsicherung?
Bis vor wenigen Tagen war alles noch recht entspannt. Nachdem es den ersten Fall gab, wurden wir plötzlich als Risiko-Gruppe angesehen, weil wir Touristen sind. Kinder wechseln die Strassenseite, wenn sie uns begegnen, Leute drehen uns den Rücken zu, wenn wir vorbei gehen. Wir haben Verständnis dafür, denn die ersten Fälle wurden durch Touristen ins Land importiert. Seit einer Woche dürfen keine Kreuzfahrtschiffe mehr auf der Insel anlegen, Bars, Restaurants und die meisten Geschäfte müssen geschlossen bleiben, so wie in Europa auch. Täglich kommen neue strengere Anordnungen, und für uns ist es recht schwierig, informiert zu bleiben. Wir versuchen, so wenig wie möglich mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen und halten grosse Distanzen ein. Auf unserem Schiff sind wir isoliert und fühlen uns sicher, aber für Einkäufe müssen wir an Land.

Kommt es auf Jamaica auch zu Hamsterkäufen?
Anders als in Europa stellen wir hier keine Hamsterkäufe fest. Auch gut finden wir den Mann am Eingang von Lebensmittelgeschäften, der jedem Eintretenden die Hände mit Desinfektionsmittel besprüht.

Ändern sich Ihre Reisepläne nun, oder warten Sie einfach ab?

Im Moment können wir noch wie geplant der Küste entlang segeln. Das kann sich aber von heute auf morgen ändern. Mitte April wollen wir auf die Cayman Islands. Ob das bis dann noch möglich ist, wissen wir nicht. Zurzeit gibt es dort die Pflicht, 14 Tage unter Quarantäne zu bleiben, bevor man an Land darf. Wir müssen halt abwarten und schauen, wie sich die Situation noch entwickelt.

Sie sind jetzt zwei Jahre unterwegs. Wie lebt es sich so weit weg vom Fricktal?
Die nun bald zwei Jahre auf hoher See waren einfach phantastisch. Die Eindrücke und Erlebnisse, die wir bisher unterwegs erfahren durften, liessen wenig Raum, die Heimat zu vermissen. Gerade jetzt aber, in dieser schwierigen Zeit, sind wir sehr besorgt darum, wie es den Leuten zu Hause geht. Jetzt saugen wir alle Informationen aus dem Fricktal richtiggehend auf, die wir erhalten können. Wir hoffen einfach, dass es allen Leuten gut geht und sich der Virus an den Fricktalern die Zähne ausbeisst.

Eine grundsätzliche Frage: Haben Sie Ihren Entscheid, den festen Wohnsitz in Wölflinswil aufzugeben, je bereut?
Nie! Das Segeln gefällt uns immer noch sehr gut! Wir haben noch keinen einzigen Moment bereut, dass wir im Mai 2018 unseren Lebensmittelpunkt auf unser Segelschiff, die Lupina verlegt haben. Wir er leben die grosse Freiheit, die es anderswo eigentlich fast gar nicht mehr gibt. Natürlich müssen wir uns in vielen Dingen einschränken, aber das ist es wert. Nachdem wir den Atlantik überquert haben und nun seit über einem Jahr in der Karibik sind, wissen wir definitiv: es geht weiter westwärts mit unserer Lupina.


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