«Man darf keine Berührungsängste haben»

  16.01.2020 Hellikon, Möhlin, Persönlich

Jasmin Hasler engagiert sich als «Barber Angel» für bedürftige Menschen

Für Jasmin Hasler war schon immer klar, dass sie gerne Friseurin werden will. Seit über 20 Jahren führt sie einen eigenen Salon in Möhlin. In ihrer Freizeit engagiert sie sich als «Barber Angel» und schneidet bedürftigen und obdachlosen Menschen die Haare.

Janine Tschopp

Im März 2018 hatte Jasmin Hasler ihren ersten Einsatz als «Barber Angel». «Barber Angels» sind Friseurinnen und Friseure, die als Mitglieder des karitativen Vereins «Barber Angels Brotherhood» bedürftigen Menschen gratis die Haare schneiden. Das Konzept wurde vor drei Jahren in Deutschland entwickelt und zwischenzeitlich auch auf andere Länder Europas übertragen. «Im Schweizer Team sind wir im Moment zirka zehn Friseure», erzählt Hasler.

Ihren ersten Einsatz hatte sie bei «Soup & Chill» in Basel. Dort können sich «randständige Menschen», so ist es auf der Webseite der Organisation beschrieben, in der «Wärmestube» treffen und erhalten gratis eine warme Suppe, Brot, Früchte und warme Getränke. Für ihren nächsten Einsatz fährt Jasmin Hasler Ende Januar zu einer Wohngruppe nach Bern, wo sie süchtige und obdachlose Menschen treffen wird.

«Es kann jeden treffen»
«Man darf keine Berührungsängste haben. Die Menschen sind froh, wenn wir ganz normal mit ihnen umgehen. Es tut ihnen gut, dass wir für sie da sind und mit ihnen reden.» Oftmals, so erzählt Jasmin Hasler, sind die Menschen auch sehr einsam. Jasmin Hasler macht es traurig, wenn es anderen Menschen schlecht geht, und sie fragt sich, wie es dazu kommen konnte. Wieso wurde dieser junge Mensch süchtig? Warum ist diese ältere Person so einsam?

Die Arbeit, die Jasmin Hasler als Barber Angel ausführt, erledigt sie ehrenamtlich. Sie trägt auch die Kosten für das Material und für die Reisen selbst. Zudem entrichtet sie einen monatlichen Beitrag für die Organisation.

«An der Arbeit, die ich als Barber Angel leiste, gefällt mir besonders, dass ich sozial geschwächten Menschen mit nur wenig Aufwand eine Freude machen kann. Heute leben viele Menschen im Luxus und sind trotzdem unzufrieden. Als Barber Angel sehe ich wirkliche Probleme.»

Jasmin Hasler wurde in letzter Zeit auch bewusst, wie schnell es gehen kann, vom finanziell gut situierten Menschen zu einem Bedürftigen zu werden. «Es kann jeden treffen. Man verliert den Job, später die Wohnung, und dann fängt es an.» Man gerate in einen Teufelskreis.

Bei ihrem Engagement wird Jasmin Hasler immer wieder aufgezeigt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass es einem so gut geht. Dass man eine Arbeit und eine Wohnung hat. Und dass man ein Umfeld hat, welches einem trägt. «Ich will auch, dass unsere Kinder lernen, dass es nicht allen Menschen gut geht.»

Glücklich und behütet aufgewachsen
Jasmin Hasler ist zusammen mit ihrem Bruder in Möhlin «glücklich und behütet» aufgewachsen. «Meine Eltern waren auch immer sehr sozial, und haben anderen Menschen geholfen. Mein Vater hatte ein eigenes Geschäft, und es war immer etwas los bei uns zu Hause.»

Der Berufswunsch war für Jasmin Hasler schon sehr früh klar. Sie wollte Friseurin werden. «Man kann kreativ sein und hat mit Menschen zu tun», begründet sie. Sie war froh, als die Schulzeit vorbei war, und sie endlich ihre Lehre absolvieren durfte. «In der Schule war es zu langweilig.» Schon als 20-Jährige eröffnete sie ihren eigenen Salon. «Das habe ich nie bereut», sagt sie heute, 41-jährig. Ist es nicht hart, in der heutigen Zeit mit soviel Konkurrenz, einen eigenen Salon zu führen? «Da hatte ich nie Probleme», sagt sie. Konkurrenzdenken kenne sie nicht. Konkurrenz sei ein Stück weit auch gut, solange sie fair sei.

Jasmin Hasler liebt ihre Arbeit. Sie hat zwei Kinder (neun und sechs Jahre alt) und ist deshalb nicht mehr jeden Tag im Salon, wo auch zwei Angestellte arbeiten, anzutreffen. An den Wochenenden besucht die Friseurin oftmals Weiterbildungen, um immer auf dem neusten Stand zu sein.

Neben Familie, Arbeit, Weiterbildungen und ihrem Engagement als «Barber Angel» würde Jasmin Hasler gerne noch viel mehr tun. «Das Problem ist immer die fehlende Zeit.» Die aktive Frau hat viele Interessen und Ideen, die sie gerne ausprobieren möchte. «Ich brauche Stress und komme auch gerne aus der Komfortzone.» Sie stelle aber fest, dass es sie mit dem Älterwerden immer mehr Überwindung koste, diese Komfortzone zu verlassen.

Sehr froh und dankbar ist Jasmin Hasler für die grosse Unterstützung, welche sie durch ihren Mann, ihre Eltern und ihre Schwiegereltern erfährt. Nur deshalb sei es möglich, mit zwei kleinen Kindern so aktiv zu sein.

Eine Möhlinerin in Hellikon
Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern wohnt die Möhlinerin seit neun Jahren in Hellikon, im Elternhaus ihres Mannes. Es sei ein schöner Ort für die Kinder zum Aufwachsen. «Es ist klein, ländlich und übersichtlich.» Auch als eingefleischte Möhlinerin sei sie sehr gut integriert in Hellikon. In einer Scheune im Garten hat die Familie einen halben Bauernhof eingerichtet: drei Ziegen, sieben Meerschweinchen, zwei Hasen, acht Vögel und zwei Hühner. «Es ist schön, dass unsere Kinder mit vielen Tieren aufwachsen.»

Auch wenn sich Jasmin Hasler in Hellikon sehr wohl fühlt, schätzt sie es, ihren Salon in Möhlin zu führen und dadurch den Kontakt zu ihrer ursprünglichen Heimat nicht zu verlieren.

Wenn Jasmin Hasler freie Zeit hat, trifft sie sich gerne mit ihren Kolleginnen. Zudem ist sie Mitglied der Meler Galgevögel. «An der Fasnacht bin ich immer noch aktiv, aber nicht mehr so engagiert wie früher.» Sie sei eben ruhiger geworden. Am Strahlen ihrer Augen sieht man deutlich, dass sie die Unternehmenslust und die Freude, etwas zu bewegen, keinesfalls verlassen hat.

newstyle-coiffeur.ch


«Barber Angels Brotherhood»

SCHWEIZ. Soziale Einrichtungen, welche das Angebot der «Barber Angels Brotherhood» Schweiz nutzen wollen, wenden sich bitte an die Präsidentin Karin Flückiger-Stern (karinstern73@gmail.com). Auch interessierten Friseurinnen und Friseuren steht die Präsidentin gerne zur Verfügung. (mgt)


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