Mit 80 Jahren noch im Geschäft

  13.11.2019 Gewerbe, Möhlin, Persönlich

Klassische Eisenwarengeschäfte gibt es heute kaum noch. Kurt Schmid, 80, aus Möhlin und sein Laden sind da die Ausnahme. Er besitzt sein Geschäft bereits seit einem halben Jahrhundert und ist somit ein interessanter Zeitzeuge.

Birke Luu

«Wollen Sie wirklich einen Bericht über mich schreiben, ich bin doch schon achtzig?», lacht Kurt Schmid verwundert. Doch, doch, schliesslich hat er ja schon so einiges erlebt mit seiner Eisenwarenhandlung, die der gebürtige Möhliner vor 49 Jahren mit seiner Frau Hedi eröffnet hat. Und zwar in Möhlin, in der Kirchstrasse, im Haus seiner Eltern.

Ursprünglich gelernt hatte er etwas anderes: Etuimacher. Nein, dabei geht es nicht um Taschen oder Schulmäppchen, sondern um die Herstellung von Etuis für Schmuck, Bestecke, Uhren und Messgeräte. Zudem machte er Musterkoffer und Besteckeinbauten in Buffetschubladen für Sonntagsbestecke. Sechs Jahre lang arbeitete er als Selbständiger in diesem Bereich, dann musste er dies aus Kostengründen aufgeben. Die Nachfrage nach Besteckeinbauten, die er viel für Möbelgeschäfte oder Hochzeitspaare ausgeführt hatte, ging 1970 stark zurück. «Dieser Beruf ist heute ausgestorben, da die Firmen dann selbstklebende Besteckhalter anboten und man heute ausserdem nur noch ein einfaches Besteck in der Küche hat», erklärt der handwerklich Begabte den Wandel der Zeit.

Variierende Standbeine
So kam es dann auch, dass er 1970 beruflich umsattelte und mit seiner Frau einen Laden eröffnete – «erst mal mit Eisenwaren, da ein Verwandter mit Werkzeugen handelte». Doch schon bald kamen Haushaltswaren und Bilderrahmen inklusive Rahmungsservice dazu. Drei Standbeine, die sich ergänzten, mal besser, mal schlechter liefen. Immer wieder musste das Ehepaar dabei das Sortiment anpassen, da sich die Nachfrage teils gravierend veränderte. Ein Beispiel hierfür ist das, was Kurt Schmid früher am liebsten verkaufte, da es mit seinem ursprünglichen Beruf zu tun hatte: hochwertige Besteck- und Porzellan-Service. «Diese wurden plötzlich immer weniger gekauft und heute führen wir das gar nicht mehr», erzählt er nachdenklich. Auch Gartengeräte, eigentlich Basisartikel eines klassischen Eisenwarenladens, mussten sie aufgeben als in den 1970ern und 1980ern die grossen Bau- und Gartencenter aufkamen. Durch die grossen Center seien über die Jahre viele der Eisenwarengeschäfte verschwunden.

Hinzu komme aber auch, dass sich die Freizeitaktivitäten der Menschen verändert hätten. «Noch vor zehn Jahren war samstags immer viel los im Laden, da die Männer daheim gewerkelt haben und irgendetwas von uns dazu brauchten». Inzwischen herrsche samstags Leere, viele der älteren Heimwerker seien gestorben, die Bewohner der neuen Blöcke dürften gar nicht mehr an den Wohnungen herumwerkeln und die jungen Leute wollten dies oft einfach nicht mehr. Andere Zeiten eben. Aber dafür kämen die Jungen noch in seinen Laden, um für das Töffli Schrauben zu kaufen oder ein neues Sackmesser. Messer und Scheren, früher mal ein veritables Standbein, hätten auch «abgegeben», da es diese inzwischen überall zu kaufen gebe.

Arbeit mit Herz
Was nach wie vor gut laufe, seien seine Rahmungen, freut sich der Ladeninhaber. Begeistert erzählt er von dieser schönen und interessanten Arbeit: «Beim Einrahmen werden Bild und Rahmen zusammengefügt. Das handwerkliche Arbeiten gefällt mir und der Kunde kann ein paar Tage lang seine Vorfreude auf das fertig gerahmte Bild geniessen». Überhaupt ist Kurt Schmid an der Freude und Zufriedenheit der Kunden gelegen. Als Mann der alten Schule sind ihm eine gute fachliche Beratung und freundliche Bedienung äusserst wichtig. Die Freude des Kunden sei ja letztendlich seine Freude. Und diese erfährt er durch seine Arbeit auch mit achtzig noch. «Ich mache das gern. Ich muss was schaffen, selbst was produzieren, daher kann ich mir nicht vorstellen, ins Altersheim zu gehen», lacht der Umtriebige. Der Laden ist sein Leben, zumindest ein grosser Teil davon. Für sein zeitaufwändiges Geschäft gab er in jüngeren Jahren sowohl Musikverein und Reisen als auch einen festen Feierabend auf. «Seit wir den Laden haben, bin ich ein Nachtmensch geworden», sagt er, klingt dabei aber nicht unzufrieden. «Abends mache ich in aller Ruhe meine Einrahmungen» – und dann werde es halt auch mal Mitternacht bis er in die Wohnung hochkomme. Ein Glück, dass Wohnen und Arbeiten beides unter einem Dach stattfinde, denn einerseits könne so seine Frau ganz unkompliziert früher Feierabend machen und andererseits hätte ihr Laden nur so überleben können, da ihnen eben das Haus gehöre.

«Wann hörsch uff?»
Realistisch wie er ist, plant der Vater zweier erwachsener Kinder nicht, das Geschäft mal weiterzugeben, denn damit könne heute keiner mehr bestehen. «Früher als die grossen Center aufkamen, hat mir die unsichere Zukunft schon sehr zu schaffen gemacht, aber heute mache ich mir keine Sorgen mehr. Das liegt wohl am Alter», meint er mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wegen seines Alters hört der Ladeninhaber immer wieder «Wann hörsch uff?», aber auch «Hoffentlich seid ihr noch lang da». Eine definitive Antwort darauf bekommt keiner, nur so viel: «Wenn ich keine anständige Arbeit mehr leisten kann, dann erst höre ich auf». Bis dahin gilt: «Ich habe einfach Freude am Schaffen und daran, selbst etwas zu fabrizieren. Ich bin dankbar, dass ich nicht einfach den Tag rumbringen muss, sondern eine sinnvolle Aufgabe habe – für Hirn und Hände». Das hört sich doch ganz so an, als ob Kurt Schmid und seine Frau nach ihrer diesjährigen goldenen Hochzeit wohl im nächsten Jahr dann auch noch das fünfzigjährige Bestehen ihres Eisenwarenhandels feiern können.


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