«Man muss Ziele haben, ohne verbissen zu sein»

  30.08.2019 Gipf-Oberfrick, Persönlich

Roland Keller ist Vize-Europameister im Bogenschiessen

Seit rund 25 Jahren ist Roland Keller aus Gipf-Oberfrick begeistert vom Bogenschiessen und hat im Laufe der Zeit so einige Erfolge erzielt – auch internationale.

Birke Luu

«Ich habe erst Anfang Dreissig mit dem Bogenschiessen angefangen. Mein Schwager war über einen Bekannten zu einem Bogen gekommen, hat dann den ersten Bogenschützen-Verein im Fricktal gegründet und mich schliesslich gefragt, ob ich nicht mitmachen würde. Ich wollte dann einfach mal schauen, wie das so ist im Vergleich zum Schiessen beim Militär». Was ganz unspektakulär begann, wurde eine Erfolgsgeschichte und lässt Roland Keller, 57, heute auf unzählige Siege und herausragende Leistungen zurückblicken. Anfang August wurde er an der EM in den Niederlanden Vize-Europameister 2019, direkt danach, Mitte August in Bretzwil, BL, in seiner Kategorie Schweizermeister.

3D ist Favorit
Bogenschiessen ist dabei nicht einfach Bogenschiessen. Heutzutage gibt es da die unterschiedlichsten Bogenarten und eine sehr variable Bogenausrüstung. Weiterhin gibt es Indoor-, Feld-Jagd- sowie 3D-Turniere. Roland Keller hat diese verschiedenen Varianten alle ausprobiert und festgestellt, dass das 3D-Bogenschiessen «sein Ding» sei, weil man dabei nicht nur auf Zielscheiben schiesse wie beim Feld-Jagd-Wettkampf, sondern auf dreidimensionale Tierattrappen, die entlang eines zirka sechs Kilometer langen Rundparcours in der Landschaft stünden. Was ihm dabei ebenfalls gut gefalle, sei, dass er den ganzen Tag in der Natur verbringe: «Ich geniesse diese Tage in der ruhigen Natur draussen extrem, das schöne Wetter, die guten Gespräche mit meinen Kollegen – das alles ist äusserst entspannend und meilenweit entfernt von einem Hallenturnier». Hinzu käme, dass beim 3D-Schiessen die Distanz bis zum Zielobjekt unbekannt sei und man somit nicht nur gut bergauf und bergab schiessen, sondern auch genau die Entfernung abschätzen können müsse. Die Kombination aus beidem sei für ihn eine spannende Herausforderung, meint der Oberfricker begeistert. Und warum geht er dann nicht gleich richtig auf die Jagd? «Oh nein, das ist nichts für mich, da muss man die Tiere auch ausnehmen können», wiegelt Roland Keller lachend ab. Er sei einfach ein begeisterter Sportschütze, den auch die viele High-Tech-Ausstattung an diesem Sport sehr reize.

Hightech und mentale Ruhe
Dementsprechend benutzt der studierte Maschinenbauer, der heute bei einer Versicherung im Bereich der Schadensregulierung arbeitet, auch keinen traditionellen Holzbogen, sondern einen, der teils aus einem Karbon-Verbundstoff ist und zusätzliche Umlenkrollen, ein Visier, einen Stabilisator und eine spezielle Abschussvorrichtung besitzt. «Wenn der Bogen mal richtig eingestellt ist, mit all dieser Technik, dann kommt die Genauigkeit sehr schnell», erklärt der Technikaffine. Dennoch brauche man zudem viel Training, um genügend Kraft und Kondition für die bis zu fünftägigen Turniere zu bekommen. Für den gebürtigen Fricker ist jedoch das Mentale am schwierigsten: «Trotz des Druckes durch die Konkurrenz immer wieder einen guten Schuss zu machen, das ist die Herausforderung im Wettkampf», reflektiert Roland Keller und gibt zu, dass er auch nach all den Jahren noch damit kämpfe. «Ich hole lieber von hinten auf, als meine vordere Position zu verteidigen, wie dies bei der diesjährigen EM der Fall war. Dieser Druck führt dann zu Fehlern, die mich wieder runterholen. Erst dann kann ich wieder besser schiessen, was aber echt ärgerlich ist». Als seinen grössten Erfolg bezeichnet Roland Keller den zweiten Platz an der Weltmeisterschaft in Florenz 2017. Dort konnte er sich am letzten Wettkampftag, unter Druck, vom sechsten Platz auf den zweiten vorarbeiten: «Statt vor Aufregung und lauter Adrenalin nur zu zittern, hielt ich dem Druck stand», erinnert er sich lächelnd und nicht ohne Stolz. «So ein schö- ner Schuss, das ist einfach ein extrem gutes Gefühl!»

Ernst, aber nicht verbissen
Insgesamt lebe das Bogenschiessen von diesen Wettkämpfen, denn da oft Trainingsmöglichkeiten fehlten, ersetzten die Turniere vielfach das Training. Die Wettkämpfe seien einfach spannend und letztendlich der Grund dafür, dass er diesen Sport schon so lange ausübe, meint Roland Keller. «Ich brauche die Turniere als meine Ziele», erklärt der dreifache Familienvater, dessen Töchter ebenfalls aktive Bogenschützinnen sind. «Man muss Ziele haben, ohne verbissen zu sein, so klappt es am besten», merkt er lächelnd an. Immer wieder sei auch sein Bruder sein Konkurrent an Wettkämpfen, aber das sei kein Problem, denn in erster Linie habe er persönliche Ziele – möglichst immer genau zu treffen – und für seine Fehler könne sein Bruder ja nichts. Ein fairer Sport also.

Während der letzten zwei Jahrzehnte hat Roland Keller schon so einiges erreicht. Zweimal war er in den letzten Jahren der Beste, wenn man die Ergebnisse aller drei Schweizermeisterschaften – Halle, Feld-Jagd-Turnier und 3D-Schiessen – zusammenrechnet und gewann so den Triple Star. Das will er auch dieses Jahr wieder erreichen. Die 3D-Schweizermeisterschaft steht dazu noch aus, aber die Chancen sind sehr gut – wenn denn die mentale Ruhe am Turniertag auch stimmt. Aus diesem Grund plant Roland Keller kommenden Winter noch einen Mentaltrainings-Kurs zu machen, denn das sei für ihn das A und O, das letzte Quäntchen, das einen Schuss in jeder Situation gelingen lasse. Seine Erfolge geben ihm ein gutes Gefühl, geben ihm Befriedigung und Bestätigung. Dennoch sei es bedauerlich, dass die guten Leistungen bei so einer weniger populären Randsportart nur von der Familie und innerhalb der Sportlergemeinschaft wahrgenommen würden. Das Positive an dieser Situation aber sei, dass man so schnell wieder im Alltag drin wäre. Und ausserdem gebe es da noch seine zweite langjährige Leidenschaft: das Töff-Fahren mit seinen Kollegen, welches auch schon mal bei Terminkollisionen die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft verhindere. Er nimmt das Bogenschiessen ernst, aber nicht verbissen.


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