«Jeder könnte etwas für die Gemeinschaft tun»

  27.10.2018 Persönlich, Rheinfelden

Das soziale Engagement ist Rosemarie Henz Treier eine Herzensangelegenheit. Seit 36 Jahren arbeitet sie beim Rheinfelder Claro-Laden ehrenamtlich mit. Sie will damit die Welt ein kleines bisschen gerechter machen.

Valentin Zumsteg

Es ist das Wort «Gerechtigkeit», das im Gespräch mit Rosemarie Henz immer wieder auftaucht. «Wieso soll es anderen Menschen auf dieser Welt nicht auch so gut gehen wie uns?» Diese Frage war es, die sie 1982 dazu bewogen hat, zusammen mit Gleichgesinnten einen Drittwelt-Laden in Rheinfelden zu gründen. «Wir wollten uns für Gerechtigkeit und fairen Handel einsetzen. Die Bauern und Kleinproduzenten in den ärmeren Ländern sollen mit ihrer Arbeit genug zum Leben verdienen und ihre Kinder in die Schule schicken können. Das war und ist unsere Motivation», erklärt Rosemarie Henz.

«Ein gutes Team»
Der Laden, der 1997 von der Brodlaube in die Geissgasse umgezogen ist, existiert noch immer und läuft heute unter dem Namen Claro. Wie in der Anfangszeit gibt es hier Lebensmittel, Textilien und vieles mehr aus fairem Handel zu kaufen. Heute wird aber alles schöner und professioneller präsentiert. Rosemarie Henz steht als einziges Gründungsmitglied noch regelmässig hinter der Verkaufstheke – in der Regel einmal pro Woche. Wie alle anderen arbeitet sie ehrenamtlich und mit viel Freude, wie sie betont. «Wir sind ein gutes Team und seit vielen Jahren nahezu unverändert. Ich finde, jeder könnte etwas für die Gemeinschaft tun. Das ist mein Beitrag.

Es darf sich nicht immer alles nur um das Geld drehen», sagt die 72-Jährige. Sie verschweigt aber nicht, dass die meisten im Team schon im Pensionsalter sind. «Früher hatten wir Gymnasiasten, die mitgeholfen haben. Das ist heute nicht mehr so.»

Mutter führte einen Quartierladen
Rosemarie Henz ist in Rheinfelden aufgewachsen. Ihre Mutter führte einen kleinen Quartierladen an der Salinenstrasse in der Nähe der heutigen Reha-Klinik. «Wir hatten viele Kurgäste und Patienten als Kunden», erinnert sie sich. Auf Wunsch der Eltern machte sie eine Verkaufslehre im Laden ihrer Mutter. Ob sie das selber wollte, diese Frage stellte sich damals nicht. «Ich hatte aber viele Freiheiten und konnte in der Westschweiz und in Rom Sprachen lernen.» In ihrer Freizeit engagierte sie sich als Leiterin bei Blauring, dem katholischen Mädchenverband. Über die Jugendarbeit und die Kirche entstand ihr Interesse am fairen Handel.

Da sie das Soziale interessierte, machte sie nach ein paar Jahren Mitarbeit im elterlichen Laden eine Ausbildung als Heimerzieherin und arbeitete auf diesem Beruf. Nach der Heirat widmete sie sich der Familie mit den drei Kindern. Später absolvierte sie Ausbildungen zur Polarityund Craniosacral-Therapeutin und arbeitete in diesem Bereich.

Während all dieser Jahre hat sie das Engagement für den Claro-Laden beibehalten. Die Lebensmittel-Waage aus dem elterlichen Geschäft wird dort heute noch genutzt. «Der Laden ist wie ein viertes Kind für mich. Er bedeutet mir sehr viel.» In den letzten Jahren war der Umsatz allerdings rückläufig. «Trotzdem können jedes Jahr mehrere Tausend Franken für ein Hilfsprojekt in Peru gespendet werden. Dort werden junge Menschen aus- und weitergebildet, und sie erhalten ein Startkapital für ein selbständiges Erwerbsleben.» Viele weitere Projekte zur Selbsthilfe werden zudem ermöglicht.

«Der Graben wird grösser»
«2001 hatten wir unser bestes Jahr. Seither geht das Geschäft zurück», erzählt Henz weiter. Dies liege einerseits wohl daran, dass auch die Grossverteiler mittlerweile Produkte aus fairem Handel im Sortiment haben. «Andererseits interessiert sich die Gesellschaft heute wohl weniger für Fragen der Gerechtigkeit», glaubt Rosemarie Henz. «In der Anfangszeit hatte ich noch die Illusion, dass auch dank unserem Einsatz die Verhältnisse auf der Welt in ein paar Jahrzehnten besser sein werden. Heute ist es aus meiner Sicht aber schlimmer als damals. Der Graben zwischen Nord und Süd sowie Arm und Reich wird eher grösser. Deswegen kommen wohl viele Flüchtlinge aus dem Süden in den Norden.»

Die Zeit im Laden geniesst Rosemarie Henz. «Es kommen sehr viele interessante Leute vorbei. Das gibt gute Gespräche. Das ist mein Lohn», sagt sie mit einem Schmunzeln. Überhaupt ist Rosemarie Henz ein geselliger Mensch. Sie ist seit Jahren Mitglied beim Seniorenchor «Silver Singers». «Das Singen bereitet mir grosse Freude. Ich jasse und lese auch gerne.» Daneben treibt sie in einer kleinen Gruppe regelmässig Gymnastik und sie verbringt gerne Zeit mit ihren fünf Enkelkindern.

Ihr Engagement für mehr Gerechtigkeit will sie weiterhin beibehalten. Für sie steht ausser Zweifel, dass alle Menschen davon profitierten, wenn es auf der Welt etwas gerechter zu und her gehen würde.


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