Eine Rebellin mit grosser Sozialader

  03.03.2018 Frick, Persönlich

Pascale Melina ist Aktivierungsfachfrau im «Bruggbach»

Die Bewohner des Alterszentrums Bruggbach in Frick sollen sich dort «daheim» füllen. Damit dies gelingt, will die in Gipf-Oberfrick aufgewachsene Pascale Melina, deren Biografie kennen. Im Gespräch mit der NFZ gibt sie Einblick in ihr eigenes Leben.

Bernadette Zaniolo

Einfühlsam, nett, hilfsbereit. Diese guten Tugenden, die Wärme und Herzlichkeit, die Pascale Melina versprüht, fielen der Journalistin bei ihrer ersten Begegnung mit der Aktivierungsfachfrau gleich auf. Es war im letzten Jahr, an einem Spielenachmittag mit Religionsschülern im Alterszentrum Bruggbach. Doch beim zweiten Treffen offenbart sie: «Ich bin eine kleine Rebellin. Mein Gerechtigkeitssinn ist sehr ausgeprägt.» Die 54-Jährige ist in Gipf-Oberfrick, als mittleres von drei Kindern, aufgewachsen. Ihre Mutter (sie ist Mitbegründerin der Kunstturnschule Fricktal) stammt aus dem Welschland und «mein Vater war ein richtiger Basler Bebbi.»

Schon in jungen Jahren hinterfragte Pascale Melina viel und setzte sich für benachteiligte Menschen ein. «Für mich musste immer alles einen Sinn ergeben», sagt die Mutter dreier Kinder und bald dreifache Grossmutter.

Gute Bildung wurde im Elternhaus von Melina, geborene Lindenmann, gross geschrieben. So stand bereits vor ihrem Welschlandaufenthalt fest, dass sie danach die Ausbildung zur Kindergärtnerin machen würde. Doch die Anstellung bei einem reformierten Pfarrer mit zwei Kindern in Les Planchettes brachten andere Fähigkeiten der jungen Frickalerin zu Tage. «Bei welchem Coiffeur waren Sie? Wer hat Ihre Haare so schön frisiert und gefärbt, wurde meine Madame gefragt». Verantwortlich dafür war kein Coiffeur, sondern das Au-pair-Mädchen Melina. Diese Echos haben bei ihr einen «Aha»-Effekt ausgelöst. «Das ist ja auch etwas, das ich lernen könnte», sagte sie sich. Schnell war für sie klar: «Ich werde jung Mutter und mache eine Coiffeurlehre.» Dies wohl auch deshalb, weil sie den Aufenthalt bei der Pfarrersfamilie als «toll» in Erinnerung hat. «Ich war sehr in die Familie integriert». Als sehr «tolle» Frau hat sie auch ihre einzige Tante, eine Indonesierin in Erinnerung.

«Coiffeur ist ein sehr sozialer Beruf»
«Mit 18 Jahren hatte ich meine erste eigene Wohnung. Im Stieracker in Frick», erzählt Melina mit etwas Stolz. Ihr sei es immer wichtig gewesen, unabhängig zu sein, auch finanziell. Schon im Elternhaus wurde sie zur Selbstständigkeit erzogen. So hielt sie auch an ihrem Berufsziel «Coiffeuse» fest. «Coiffeur ist ja ein sehr sozialer Beruf. Man hört den Menschen zu.»

An der Fachschule «Livio» in Aarau, mit grossem Coiffeursalon, machte sie die Ausbildung. «Ein solch riesiger Coiffeursalon war damals einzigartig.» Die Arbeit war jedoch spannend, denn man durfte bereits als Lehrling alles machen. So durfte sie auch bereits nach einem Jahr (sonst nach eineinhalb Jahren) eine Praktikumsstelle annehmen. Auch in der Lehre «bin ich eine Rebellin gewesen», verrät Melina. «Ich habe mich für alle stark gemacht.» Obwohl ihre Änderungsvorschläge oft gut waren oder sie Recht bekam, musste sie sich den Hierarchien beugen.

Nach der Lehre arbeitete Pascale Melina als Serviceangestellte in einem Tea-Room in Aarau. Weitere Jobs fand sie bei der Migros «Igelweid» in Aarau (als Kassiererin), bei der Firma Mettler in Hornussen und während dreier Jahre als Hausangestellte bei der Firma Schillig in Frick «Schon als Kind hatten wir das Privileg, reisen und Ferien machen zu können.»

Ihren Mann hat sie jedoch nicht auf ihren Reisen kennengelernt, sondern in Gipf-Oberfrick. Sie war damals 16 Jahre alt. Er, ein Italiener, mit kalabrischen Wurzeln. Ein Saisonier, der wie sein Vater und Onkel hier auf dem Bau arbeitete.

«Die Familie hat absolute Priorität»
Pascale Melina steckt voller Energie. Selbst als das zweite Kind auf die Welt kam, «war ich zu wenig ausgelastet.» So betreute sie neben ihren eigenen Kindern noch «Tageskinder» und hatte diverse Putzstellen. «Manchmal hatte ich fünf Stellen gleichzeitig», sagt sie mit einem Lächeln. Gleichzeitig betont sie: «Die Familie hat aber absolute Priorität.» Deshalb genoss sie es, dass sie ihre Kinder oft auch an den Arbeitsplatz mitnehmen konnte. Über eine ihrer Putzstellen erfuhr Melina auch, dass im Alterszentrum Bruggbach jemand für die Werk-/Aktivierungsgruppe gesucht wird. Melina trat die Stelle am 1. Oktober 1993 an und kann somit in diesem Jahr ihr 25-Jahre-Arbeitsjubiläum feiern.

«Die Aktivierung steckte damals noch in den Kinderschuhen», weiss Melina. Erst Ende der 1990er Jahre, als ihre Tochter in den Kindergarten kam, machte sie die berufsbegleitende Ausbildung zur Fachfrau Aktivierung, dies auf Rat der damaligen Zentrumsleiterin Pia Fischer. Dank ihr konnte sie, zusammen mit Edith Schweizer, 1994 den Coiffeursalon im dritten Stock eröffnen. Nach fünf Jahren fokusierte sich Melina jedoch im Bruggbach voll auf die Aktivierung. «Es ist eine Win-Win-Situation. Du gibst viel, bekommst aber auch enorm viel zurück», sagt Melina, die heute mit ihrem Mann in Frick lebt.

Nach dem Besuch der NFZ hatte Pascale Melina am Nachmittag gleich «mehrere» Männer bei sich. «Mannen-Tisch» ist eines ihrer vielen Aktivierungs-Projekte. Eines ihrer visionären, privaten Projekte ist: «Bäuerin, in abgeflachter Form». Das heisst, nicht morgens um vier Uhr aufstehen und in den Stall gehen, «sondern ein Hof mit Hühnern und Schafen. In Irland.» So wundert es nicht, dass sie als «Tenörin» beim Projekt «Irland» im Fricker Chor der Joyful-voices von Dieter Wagner mitwirkt, sich mit der keltischen Kultur befasst und seit einem Jahr auf Zehenspitzen à la «River dance» übers Parkett wirbelt.


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