«Als Auto wäre ich ein Oldtimer»

  06.02.2018 Laufenburg, Persönlich, Oberes Fricktal, Literatur

Von Simone Rufli

NFZ: Herr Haller, als Schriftsteller kann man gegen so manches anschreiben und im besten Fall sogar etwas bewirken. Den Alterungsprozess hält auch die geschliffenste Prosa nicht auf. Macht das hilflos?

Christian Haller: Hilflos machte es mich nicht. Es ist eine Grundtatsache, die einfach so ist. Altern ist allerdings ein schwieriger Prozess, weil er Änderungen mit sich bringt, langsam zwar, aber spürbar. Zu den körperlichen und geistigen Veränderungen beginne ich zu spüren, wie ich mich allmählich zurückziehe. Doch auch die Gesellschaft beginnt sich von mir abzuwenden, und die Aufmerksamkeit gehört den Jungen, den Kommenden. Zum Alter kommt dazu, dass stets die Möglichkeit einer Erkrankung droht, und diese Wahrscheinlichkeit steigt mit den Jahren: Ich werde jetzt 75 Jahre alt.

 

Sie haben sich als Zoologe und Paläontologe früh mit dem Alter auseinandergesetzt, sich auf die Spuren des Alters gemacht. Jetzt, wo Sie älter werden, helfen Ihnen die in jungen Jahren gewonnenen Erkenntnisse?

Es ist etwas ganz anderes, über Alter zu lesen, als Alter zu erleben. Die frühe, jugendliche Auseinandersetzung mit Tod und Alter war zum grossen Teil abstrakt. Jetzt bin ich im Prozess und der ist konkret.

 

Alter ist relativ. Menschen früherer Generationen waren um Jahrzehnte früher alt, als der Durchschnitt von heute. Und in einem alten Körper kann noch immer ein jugendlicher Geist leben. Wie alt bzw. jung fühlen Sie sich?

Ich fühle mich meinem Alter entsprechend, als Auto wäre ich ein Oldtimer. Und das mit dem jungen Geist im alten Körper ist mehr Trost als Wirklichkeit. Auch die geistigen Funktionen bauen ab. Man fängt an, sich gegenüber dem Neuen zu verschliessen. Das «Früher» wird immer öfter als Vergleichsebene herangezogen. Die Kunst des Alterns jedoch besteht darin, nicht bitter zu werden. Man sollte versuchen, auch diesen Abschnitt des Lebens zu gestalten, ihm eine eigene Form zu geben. Man trägt einen Erfahrungsschatz, einen Erlebnisschatz mit sich und hat den Ausblick in eine Zukunft, die man selber nicht mehr erleben wird. Unsere Konsumgesellschaft will, dass wir auch im Alter weiter konsumieren, uns ablenken und zerstreuen lassen. Doch das kann nicht der Sinn sein, auch wenn es für viele Menschen, gerade jene, die einem normalen Beruf nachgegangen sind, schwierig ist, noch eine für sie sinnvolle Beschäftigung zu finden. Sie sind in diesem Lebensabschnitt aus den gewohnten und alltäglichen Zusammenhängen herausgelöst, während ich als Schriftsteller mit meinem Werk verbunden bleibe.

Ganzer Text in der abonnierten Print- oder Digitalausgabe vom Dienstag.


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