Kein Motorrad sieht aus wie das andere

  06.11.2017 Oberes Fricktal, Persönlich, Sisseln, Porträt

Von Boris Burkhardt

Ein bisschen neidisch seien die Kollegen schon auf ihre Garage, geben Werner Müller und Markus Hufschmid zu. Es war ein grosses Glück, dass die beiden Männer, 50 und 53 Jahre, das ehemalige Feuerwehrmagazin in Sisseln vor sechs Jahren mieten konnten. Denn einen besseren Platz für ihrer beider Leidenschaft, alte Motorräder neu zu gestalten und kreativ umzubauen, könnte man sich kaum vorstellen. Etwa acht Maschinen stehen hier in der geräumigen Garage, sechs wie zum Verkauf im Laden auf dem Parkett, zwei im hinteren Bereich auf Hebebühnen. «Custom Bikes» nennt sich diese spezielle Tüftlerszene in der Biker-Subkultur: «Massgeschneiderte Motorräder» könnte man es übersetzen.

Tatsächlich sieht keines der Motorräder aus wie das andere; obwohl fast alle mit dem Motor und dem Rahmen einer Harley Davidson als Basis gebaut wurden. Es ist der Ehrgeiz Müllers und Hufschmids, nur Unikate zu bauen. Dieser Ehrgeiz reicht sogar soweit, dass sie ein fast fertiges Modell, das sie im Militär-Stil umgebaut und lackiert hatten, wieder auseinandernahmen, als sie erfuhren, dass Harley tatsächlich ein beinahe identisches Modell mit demselben Farbmuster herstellen würde. «Dann ist es nicht mehr lustig», sagt Hufschmid. Die umgebauten Motorräder verkaufen Müller und er; das Geld wird in neue Umbauten investiert. 2013 nahmen die beiden an ihrem ersten Wettbewerb in Deutschland teil. Dort mussten sie in vier Monaten mit einem Budget von 5000 Euro ein Motorrad bauen. Weil sie ihren Töff im landwirtschaftlichen Stil bauten, entschieden sie sich für den Teamnamen «Farmer Bike».

Im Gegensatz zu anderen Tüftlern legen Müller und Hufschmid auch Wert darauf, dass ihre Motorräder fahrtüchtig sind. Die Kreativität spielen zu lassen und trotzdem die engen Kriterien der MFK einzuhalten, sei die Herausforderung ihrer Tätigkeit, erklärt Hufschmid. Harley Davidson ist wohl die begehrteste Marke für ein «Custom Bike»; ihre Vorteile sind laut Hufschmid ihre Werterhaltung («Man kriegt sie immer wieder los.») und die Verfügbarkeit der Ersatzteile bis ins Jahr 1926. Allerdings schränke sie aufgrund ihrer speziellen Rahmengeometrie die Möglichkeiten beim Umbau ein. «Deshalb haben wir auch ein paar Japaner», sagt Müller.

Geplant ist eine kleine Custom-Bike-Ausstellung

Auch an der Swiss Moto in Zürich waren die beiden schon zweimal. Allerdings sei es schwierig, dorthin zu kommen, sagt Hufschmid: «Dort wird streng selektiert: 50 von rund 300 Anmeldungen haben eine Chance.» Zudem übersteige die dortige «Geldschlacht» mit Investitionen bis zu 150000 Franken für ein Motorrad ihr Budget. Die Custom-Bike-Szene in der Schweiz sei relativ gross und von hoher Qualität, versichert Hufschmid: Leider seien aber viele Tüftler typisch schweizerisch bescheiden und gingen zu wenig an die Öffentlichkeit. Das wollen Müller und Hufschmid ändern und planen im kommenden Frühjahr eine erste kleine Custom-Bike-Ausstellung im Fricktal. Die Covermusik mit Rockmusik «von AC/DC bis ZZ Top» ist schon sicher; das Datum noch nicht.

Öffentlichkeit ist den beiden wichtig: Im Sommer stehe das Garagentor offen; gelegentlich wenden sich andere Motorradfahrer und Bekannte aus dem Dorf an sie. Vor allem bei originalen Ersatzteilen sind die beiden gefragt, denn die sind meist schwer zu beschaffen. Während des Wettbewerbs 2013 stellten Müller und Hufschmid ihr «Custom Bike» sogar vor rund 70 Zuschauern in der Nachbarschaft vor. Die beiden stellten Stühle raus und brieten ein paar Würstchen. Daraus entstand die jährliche Open-House-Party in ihrer Garage jeweils im Frühling.

Nächstes Projekt: Seitenwagen für die Frau

Werner Müller ist gelernter Schlosser und arbeitet seit elf Jahren als Hauswart an der Sissler Schule. «Ich habe meinem Vater schon mit zwölf Jahren das Zwei-Gang-Mofa geklaut», erinnert er sich lachend. Auch seine Frau hat ein Faible für Motorräder; den Urlaub verbringen sie immer gemeinsam auf je zwei Rädern. Müllers ältestes Zweirad ist eine 70 Jahre alte Harley 1200 «Flat Head». Über dieses Fahrzeug lernte er vor zehn Jahren Markus Hufschmid überhaupt erst kennen: Dieser kaufte es ihm nämlich ab.

«Wir haben beide in Sisseln an Motorrädern rumgeschraubt und kannten uns nicht», sagt Müller. Hufschmids Töffkarriere begann ebenfalls mit 18 Jahren, als er endlich den Führerschein machen durfte: «Seither blieb kein Motorrad lange im Original; ich habe sie alle schnell umgebaut», lacht er. Die Harley «Flat Head» hat Müller danach übrigens wieder zurückgekauft. Aber auch dieses Prunkstück wird nicht bleiben, wie es ist: «Da baue ich einen Seitenwagen dran für meine Frau», schmunzelt Müller.

 farmer-bike.ch


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote