Pantomime in der Kirche

  15.01.2016 Kultur, Rheinfelden, Kunst, Religion, Unteres Fricktal

Die reformierte Kirchgemeinde Rheinfelden Kaiseraugst Magden Olsberg hat über 200 Freiwillige, welche für ein aktives Gemeindeleben stehen: Sie beleben die Gottesdienste mit Theater, Bandmusik, oder sie singen im Gospelchor, in der Kantorei oder in Projektchören mit. Zudem besuchen sie Alleinstehende und Betagte oder organisieren Spendeanlässe. Um sich bei den Freiwilligen für ihren Einsatz zu bedanken, organisierte die Kirchenpflege am vergangenen Freitag ein spezielles Abendprogramm.

Dazu wurde der spanische Künstler Carlos Martinez in die Kirche eingeladen. Er gilt als Meister der Mimik und der Gesten und wird auch als «Poet ohne Verse» bezeichnet. Ein kleiner Mann, ganz gross, steht allein auf der Bühne, und erzählt einzig mit seiner Körpersprache Geschichten, die jeder versteht: Einleitend berichtete er, dass es für ihn als Kind der grösste Wunsch war, alle Sprachen dieser Welt zu lernen. Das Publikum schmunzelte, es weiss ja jeder, dass dies unmöglich ist – und es geht eben doch: Mimik und Gestik gehen über jedes Wort hinaus. Sie sind universell, sofern man über pantomimisches Können und über menschliches Einfühlungsvermögen verfügt. Carlos Martinez vereint beides. Seine Bewegungen und seine Mimik sind einfach, nachvollziehbar und perfekt. Doch das, was ins Herz geht und die Seele erwärmt, ist der Dialog, welcher der Künstler mit seinem Publikum eingeht. In den profanen Alltagsgeschichten, die er darstellt, zum Beispiel wenn jemand beim Warten an der Bushaltestelle eine saftige Frucht geniesst, welche der Nachbarin ins Gesicht spritzt, wird das Vorstellungsvermögen aktiviert und alle fühlen sich angesprochen. Selbst wenn es um eigene menschliche Abgründe geht, lässt sich das Publikum darauf ein, weil alles humorvoll und mit einem Augenzwinkern dargestellt wird.

Vater unser – für einmal anders

Ganz speziell an diesem Abend waren die biblischen Szenen, welche Carlos Martinez in der reformierten Kirche darstellte. Vor den Augen der Zuschauenden flogen, galoppierten und krochen die Tiere in die Arche Noah. Und David bezwang Goliath mit seiner Steinschleuder. Premiere hatte das von Carlos Martinez dargestellte Vater unser: Einem betenden Menschen, selbst Vater, gelang es nicht, Ruhe im Gebet zu finden, weil er immer wieder von seinem schreienden Baby gestört und zum Handeln veranlasst wurde. Die Szene vermittelte eindrücklich, dass Gebet und Gotteserfahrung auch im lauten Alltag möglich sind. Getragen von dieser Hoffnung und beschwingt von den pantomimisch gezauberten Bildern verabschiedete das Publikum den Künstler mit frenetischem Applaus. (mgt)


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