«Ich wusste sofort, das ist mein Platz»
09.01.2014 Jugend, Wohltätigkeit, Oberes Fricktal, KaistenWer sucht, der findet. Das zumindest besagt ein bekanntes Sprichwort. Barbara Keller hat gefunden. Und zwar nicht weniger als ihren Platz in der Welt, ihre Bestimmung und den Sinn des Lebens. «Ich bin glücklich. Was will ich mehr», erklärt sie beim Gespräch mit der NFZ in einer Überzeugung, die keinen Zweifel zulässt.
Ihren Platz hat die gebürtige Kaisterin nicht im Fricktal sondern im ecuadorianischen Manglaralto gefunden. Rund 200 Kilometer von der Hafenstadt Guayaquil entfernt, direkt an der Küste des pazifischen Ozeans. Dort befindet sich die Stiftung Santa Maria del Fiat. Eine Mission, die seit 42 Jahren Entwicklungshilfe in einer der ärmsten Regionen des Landes leistet. Derzeit weilt Keller gerade für einen Monat in der alten Heimat, um hier ein Familienfest zu feiern.
Wie eine Tür
Vor 23 Jahren kam Keller in Manglaralto an. 21 Jahre jung und ursprünglich mit dem Plan, ein Jahr lang in Ecuador wohltätige Arbeit zu leisten. «Aber als ich ankam, wusste ich sofort, das ist mein Platz. Wir mussten und müssen aus wenig viel machen», schwärmt sie über die Herausforderung, die ihr Inhalt gibt und gleichzeitig ein Abenteuer geblieben ist. «Es war damals wie eine Tür für mich», blickt Keller zurück.
Vor zwei Jahrzehnten stand in dieser Region die materielle Hilfe klar im Vordergrund. Keller lernte die Menschen und ihre Nöte im direkten Austausch kennen. Die gelernte Gärtnerin half mit, wo man sie brauchte. Damals betrieb die Mission ein Hausbau-Programm, stellte die Trinkwasserversorgung für die Ärmsten sicher und baute Wasserleitungen; und die Mission diente auch als Apotheke, wo die Menschen ärztliche Hilfe und Medikamente erhielten.
Schon immer arbeiteten in der Mission Freiwillige. Als Keller damals in die Stiftung eintrat, waren es zwölf Schweizer, die dort Freiwilligendienst leisteten. Heute leben neben dem Pfarrer noch drei Schweizer in der Mission, neben 30 Ecuadorianern und drei Personen aus anderen Ländern. Bis heute betreibt die Mission eine Schule, die von rund 900 Kindern von der Primarschule bis zur Matur besucht wird. «Die Kinder sind die Zukunft und Bildung ist der Schlüssel für ein selbständiges Leben», unterstreicht Keller die Bedeutung der Schule.
Was die Mission nach wie vor ebenfalls betreibt, ist ein Lebensmittelprogramm für die 250 ärmsten Menschen in der Region. Sonst habe sich die Arbeit der Mission aber stark verändert, da der Staat erst seit drei Jahren die Aufgaben im Gesundheitswesen teilweise übernimmt. Sie konzentriere sich mittlerweile vor allem auf die Bildung. «Wir haben das Haus gebaut, jetzt geht es darum, dieses mit Leben und Inhalt zu füllen», erklärt Keller ihre Aufgabe bildlich. Sie ist die erste Ansprechperson in der Mission, betreut Missionsgruppen in den Gemeinden, die zur Pfarrei gehören und leitet Kurse in der Station selbst.
Nach über 40 Jahren Wirken hat sich die Stiftung einen Namen im ganzen Land erarbeitet. Mittlerweile hätten sich auch die Einheimischen geöffnet und würden ihren ärmeren Mitmenschen toleranter und hilfsbereiter begegnen; etwas, das vor ein paar Jahren noch ganz anders gewesen sei, so Keller. Die Stiftung hingegen ist noch immer von Spenden und Zuwendungen von Ecuadorianern, aber auch aus der Schweiz abhängig. Viele Pilger würden ausserdem die Schiffskirche, die auf einem Felsen direkt am Meer steht, aufsuchen und ebenfalls immer etwas spenden. Trotzdem ist für Keller auch klar, dass die Stiftung eine eigene Einnahmequelle braucht, mit dem Ziel, finanziell selbständiger zu werden. Dies soll nun eine Kakao-Plantage bringen, die die Laienmissionare und ihre Helfer auf 16 Hektaren aufgebaut haben. Die erste Ernte wird in einem halben Jahr erfolgen. Zudem entwickle sich in der Region langsam ein Tourismus, der den Absolventen der Schule Verdienstmöglichkeiten biete.
Kein Gedanke an Rückkehr
«Ich wollte schon immer irgendwo Hilfe leisten », erklärt Keller, warum sie sich damals für die Reise ins Ungewisse entschieden hat. «Wenn ich mich heute erinnere, dann denke ich manchmal schon ‹ich ha no Muet gha›», erzählt Keller mit einem herzlichen Lachen. Den letzten Anstoss für die Abreise gab ihr damals Gabriela Blöchlinger, die bereits in Manglaralto wirkte und die sie in der Bäuerinnenschule im Kloster Fahr kennenlernte.
Für gewöhnlich reist Keller alle zwei Jahre für zwei Monate in die Schweiz, um die Familie zu besuchen, Kontakte zu pflegen und Menschen zu treffen, die die Mission in irgendeiner Art und Weise unterstützen. Was ihr auffällt, sei, dass die Schweiz zu sehr auf das Materielle und den Wettkampf ausgerichtet ist, bedauert Keller. «Ich kann aber Südamerika nicht hierher und die Schweiz nicht nach Südamerika bringen», sagt sie ganz realistisch.
Noch hat die Missionarin bis jetzt nicht daran gedacht, in die Schweiz zurück zu kehren. «Das mache ich, wenn es in Manglaralto keine Arbeit mehr gibt», sagt sie mit einem Schmunzeln. Und das dürfte mit Sicherheit noch eine ganze Weile dauern.