Wölflinswil will Vertrag mit Oberhof kündigen

  04.06.2025 Wölflinswil

Die Gemeinschaftsverwaltung der Benkental-Gemeinden ist in einem Vertrag aus dem Jahr 1990 geregelt; mit immer mehr Nachteilen für Wölflinswil, sagt dessen Gemeinderat. Er will den Vertrag per Ende 2027 kündigen und neu verhandeln. Der Gemeinderat von Oberhof reagiert überrascht.

Simone Rufli

«Wölflinswil will weiter mit Oberhof zusammenarbeiten», betont Gemeindeammann Giuliano Sabato am Mittwochabend auf Anfrage der NFZ. «Der Gemeinderat von Wölflinswil sieht die Kündigung des bestehenden Vertrags nicht als Bruch, sondern als Chance, die Verwaltungszusammenarbeit auf eine neue Basis zu stellen.» Das Ziel sei ein Vertrag, von dem beide profitieren könnten. «Dazu sind grundlegende Anpassungen in der Organisationsstruktur und beim Kostenteiler nötig», so Sabato.

Überrascht von der Ankündigung aus dem Nachbardorf zeigt sich Oberhofs Gemeindeammann Roger Fricker. Als ihn die NFZ am Mittwoch kontaktiert, meint er: «Auch der Gemeinderat Oberhof ist der Meinung, dass Anpassungen nötig sind, allerdings in Form einer Überarbeitung des bestehenden Vertrags. Was ist, wenn am Ende eine Gemeindeversammlung das neue Vertragswerk ablehnt?»

Vieles hat sich geändert
Seit 1970 arbeiten die Nachbarn im Benkental in der Verwaltung miteinander. Geregelt wird die aktuelle Zusammenarbeit im Vertrag aus dem Jahr 1990, der den damaligen organisatorischen und rechtlichen Gegebenheiten entsprach – mit ursprünglich Zivilstands-, Steuer- und Betreibungsamt (alle inzwischen ausgelagert) und 290 Stellenprozenten (heute 470 %). Laut dem Vertrag von 1990 werden der Personal- und der Verwaltungsaufwand gemäss Einwohnerverhältnis (damals 61 Prozent Wölflinswil und 39 Prozent Oberhof ) aufgeteilt. Anders als in Oberhof, wo das Wachstum vergleichsweise gering ausfiel, hat sich die Einwohnerzahl von Wölflinswil in den letzten 35 Jahren von 739 auf 1100 Einwohner (+ 48 Prozent) entwickelt, wodurch sich der Verteilschlüssel auf aktuell 65 Prozent zu 35 Prozent verschoben hat. «Mit der weiteren Entwicklung wird sich in naher Zukunft der Anteil von Wölflinswil auf gegen 70 Prozent erhöhen», hält Giuliano Sabato fest. Zur finanziellen Schief lage gesellten sich organisatorische Nachteile durch zwei Führungsorgane und keine Regelung im Fall von Differenzen.

Handlungsbedarf erkannt
Dass die Zusammenarbeit den aktuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen anzupassen sei, zu diesem Ergebnis kam eine externe Analyse bereits im Jahr 2019. Im Hinblick auf eine mögliche Fusion von Wölflinswil und Oberhof wurde das Dossier damals schubladisiert. Jetzt ist die Fusion vom Tisch, der Wille von Wölf linswil, gewisse Themen unabhäng iger entscheiden zu können, stärker als auch schon. In diese Stimmung hinein beantragt der Gemeinderat der Gemeindeversammlung nun am 25. Juni, den Vertrag per 31. Dezember 2027 formell zu kündigen – und damit den Weg frei zu machen für eine vollkommene Neuverhandlung mit dem Gemeinderat Oberhof.

Eine federführende Gemeinde
Wie ein «gerechter» Vertag aussehen könnte, auch darüber hat sich der Gemeinderat von Wölf linswil bereits Gedanken gemacht: In der Botschaft zur Gemeindeversammlung heisst es: «Möglich wäre eine federführende Gemeinde mit operativer Gesamtverantwortung, ein Sockelbeitrag für Fixkosten (Grundaufwand z. B. für Gemeindeschreiberinnen und Gemeindeschreiber), sowie ein variabler Anteil nach Einwohnerzahl, Regelungen zu Vertragsänderungen und zum Austritt. Ein solcher Inhalt würde auch für die Zusammenarbeit zwischen Wölflinswil und Oberhof eine zeitgemässe, faire und zukunftsfähige Grundlage bilden.»

«Wir sind gespannt, was die Gemeindeversammlung von Wölflinswil zum Antrag sagt», lässt Roger Fricker aus Oberhof verlauten. «Bei einem Ja am 25. Juni sollten wir unverzüglich mit der Aushandlung eines neuen Vertrags beginnen.» Dieser Meinung ist auch Giuliano Sabato. «Eingerechnet die Referendumsfrist muss der neue Vertrag spätestens im Juni 2027 den beiden Gemeindeversammlungen zur Genehmigung vorgelegt werden.»

Zurück zur Frage von Roger Fricker: «Was ist, wenn am Ende eine Gemeindeversammlung das neue Vertragswerk ablehnt?» Giuliano Sabato: «Wölflinswil würde einen eigenständigen Weg gehen und dabei nicht schlechter fahren als unter dem bestehenden Vertrag. Aber wie gesagt: Unser Ziel bleibt eine Zusammenarbeit – mit klar definierten Strukturen und einer aufwandgerechten Kostenverteilung.»


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