«Wir werden noch sehr viel im Boden finden»
16.10.2025 KaiseraugstDie Regierungsräte des Aargaus und beider Basel unterzeichneten in Kaiseraugst eine aktualisierte Version des «Römervertrags». Seit 1975 regelt dieser die Zuständigkeiten für Forschung und Wissensvermittlung in Augusta Raurica.
Boris Burkhardt
...Die Regierungsräte des Aargaus und beider Basel unterzeichneten in Kaiseraugst eine aktualisierte Version des «Römervertrags». Seit 1975 regelt dieser die Zuständigkeiten für Forschung und Wissensvermittlung in Augusta Raurica.
Boris Burkhardt
«Sie befinden sich mitten in Augusta Raurica», erinnerte der Kaiseraugster Gemeindepräsident Jean Frey die geladenen Honoratioren in der Mehrzweckhalle des Schulhauses Dorf: «Erst kürzlich haben wir bei den Grabungen für Gasleitungen wieder menschliche Skelette entdeckt.» Am Montag durfte Frey Gäste aus Politik, Kultur und Wirtschaft willkommen heissen, die zusammengekommen waren, um 50 Jahre Römervertrag zu feiern und gleichzeitig eine aktualisierte Version neu zu unterzeichnen. Mit dem «Römervertrag» regelten die Kantone Aargau, Basel-Landschaft und Basel-Stadt 1975 die Zuständigkeiten für Ausgrabungen, Konservierung und Wissensvermittlung in der römischen Ruinenstadt.
«Ein mutiger Schritt»
«Was mit dem Römervertrag ermöglicht wurde, ist einzigartig», fuhr Frey fort. Aber es brauche auch den guten Willen von Grundstückseigentümern und Investoren, wenn wegen der archäologischen Schätze im Boden etwa kein Keller gebaut werden dürfe. Denn Frey war sich sicher: «Wir werden in Kaiseraugst noch sehr viel im Boden finden.» Auch der Augster Gemeinderat Reto Rahm erinnerte daran, dass das Verhältnis zwischen Gemeinde und Kanton Baselland nicht immer einfach gewesen sei: Augst hatte sich im Oberdorf, wo heute Augusta Raurica freigelegt ist, Bauland für Wohnungen reserviert. Heute bezeichnet Rahm die Römerstadt und ihr Museum aber als «Ort des Lernens, Forschens und Staunens». Als Vertreterin des federführenden Kantons rekapitulierte die Baselbieter Regierungsrätin Monica Gschwind die Entstehung des Vertrags: Sie stimmte mit Rahm überein, dass das Baselbiet in den Siebzigerjahren einen Bauboom erlebt habe. Umso mehr sei der Römervertrag damals ein «mutiger Schritt mit kultureller Weitsicht» gewesen. Der Vertrag sei auch wegweisend für die interkantonale Zusammenarbeit in der Nordwestschweiz gewesen: «Nichts davon war damals selbstverständlich.» Gschwind dankte den Vertragspartnern für die «vertrauensvolle und sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit» sowie allen Mitarbeitern in Archäologie und Museumsarbeit seit 50 Jahren – ein Dank, dem sich ihre Amtskollegen Martina Bircher aus dem Aargau und Conradin Cramer aus Basel anschlossen.
«Kulturelles Juwel»
Als «Geschichtsbuch zum Anfassen» und «kulturelles Juwel» bezeichnete Bircher Augusta Raurica und wies zugleich auf die Bedeutung römischer Geschichte im Kanton Aargau hin, in dem sich mit dem Römer-Erlebnispark Vindonissa eine weitere Ausgrabungsstätte befinde. Sie freute sich aber auch, dass in der neuen Sonderausstellung «Schatzfunde – versteckt, verschollen, entdeckt» im Historischen Museum in Basel nun der Kaiseraugster Römerschatz im Fokus stehe.
Cramer beschrieb die Rolle der Stadt Basel für Augusta Raurica: Schon im 16. Jahrhundert hatte der Basler Rat erste Ausgrabungen veranlasst; im Zuge der «Ruinenromantik» des 19. Jahrhunderts kaufte die Historische und Antiquarische Gesellschaft zu Basel (HAG) Gelände auf und finanzierte Grabungen. Die HAG und ihre Stiftung Pro Raurica sind ebenfalls Vertragspartner. Ausserdem gab Cramer bekannt, dass der Basler Regierungsrat die Eigentumsübertragung von 29 983 archäologischen Sammlungsobjekten («sprich: Scherben») an Augusta Raurica beschlossen habe. Damit werde rechtlich vollzogen, was seit Jahrzehnten gelebte Praxis sei: Die Objekte werden seit achtzig Jahren in Augusta Raurica erforscht und konserviert.
Die geladenen Gäste reisten nach dem Festakt gemeinsam nach Basel zum Besuch der Sonderausstellung. Wie der Silberschatz von Kaiseraugst in den Boden gekommen sein könnte, stellten auf der Bühne zwei Schauspieler des Museums dar, die als Geschwisterpaar Lucius und Appia diskutierten, wie sie ihr Silber vor dem drohenden Angriff der Alemannen von der anderen Rheinseite in Sicherheit bringen könnten.
Der Vertrag hat vielfältige Kooperationen ermöglicht
Der Römervertrag hat laut dem Museum Augusta Raurica die Basis dafür gelegt, dass sich «Ausgrabungen, Museum und Forschung nicht länger auf private Initiativen stützen mussten»; Sammlung, Archiv, Grabungsdokumentation und Forschung seien erstmals zusammengeführt worden, was vielfältige Kooperationen ermöglicht habe, etwa mit den Museen Basel, dem Staatsarchiv Basel-Stadt, der Universitätsbibliothek, der Bodenforschung Basel-Stadt und regionalen Tourismusorganisationen.
Der Vertrag legt unter anderem fest, dass der Kanton Basel-Landschaft die archäologischen Arbeiten in Augst und Kaiseraugst koordiniert, alle Funde restauriert und konserviert sowie die Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Das Baselbiet und der Aargau führen aber jeweils eigenständig auf ihrem Kantonsgebiet archäolog ische Ausg rabu ngen durch. Die Ruinen werden einheitlich betreut und gepflegt. Die revidierte Fassung des Römervertrags tritt am 1. Januar 2026 in Kraft.