«Wir sind von der Musik besessen»
30.08.2024 FricktalDie Geschwister Toth treten in Rheinfelden auf
Anatol, Manoush und Anouk Toth aus Maisprach sind drei individuell hochbegabte junge Musiker. Am Sonntag zeigen die drei Geschwister in der Kapuzinerkirche in Rheinfelden für einmal gemeinsam ihr Können.
Jürg Gohl ...
Die Geschwister Toth treten in Rheinfelden auf
Anatol, Manoush und Anouk Toth aus Maisprach sind drei individuell hochbegabte junge Musiker. Am Sonntag zeigen die drei Geschwister in der Kapuzinerkirche in Rheinfelden für einmal gemeinsam ihr Können.
Jürg Gohl – Volksstimme
MAISPRACH. Solche Tage sind in ihrem Leben selten. Als die Geschwister Anatol (21), Manoush (18) und Anouk (15) Toth aus Maisprach mit ihren Eltern kürzlich in die Ferien ans Meer gefahren sind, war es ihnen auf der Hin- und Rückfahrt nicht möglich, auf ihren Instrumenten zu üben. «Die anderen 363 Tage im Jahr sitzen sie an ihren Instrumenten und üben», sagt Vater Peter Toth. Und Sohn Anatol ergänzt: «Auf der langen Fahrt übten wir wenigstens im Kopf. Das geht auch.»
Die Badeferien wurden der musikversessenen Familie auch nur ermöglicht, weil sie über Freunde ein Haus am Meer fanden, das über ausreichend Zimmer und ein frisch gestimmtes Klavier verfügt. Die Ferientage verlaufen denn auch nach einem fixen Muster: aufstehen, schwimmen, üben, essen, üben, schwimmen. Bis zu sieben Stunden üben die Geschwister im Tag, sieben Tage die Woche. «Wir machen das freiwillig, wir sind von der Musik besessen», sagt der Älteste, und die Jüngste, Anouk, ergänzt: «natürlich üben wir nicht jeden Tag mit der gleichen Freude.»
Mutter ist Musiklehrerin
Zur Musik fanden sie über ihre Mutter Judith, Musiklehrerin und Geigenspielerin. Die Eltern erzählen gerne, wie ihr ältester Sohn sich zu seinem dritten Geburtstag wünschte, Geige spielen zu lernen. Auch die zwei Töchter, die jeweils im Abstand von drei Jahren zur Welt kamen, wurden von dieser Begeisterung erfasst. Manoush wechselte von der Geige schon früh auf das Klavier um. «Wohl auch, um sich von ihrem grösseren Bruder abzugrenzen», mutmasst Anouk, die sich selber hinter das Cello setzt, weil sie sich, wie sie erklärt, mit der Geige nicht zurechtfand. Die Liste der Preise, mit denen alle drei bereits ausgezeichnet wurden, ist lang. Anatol, der einst auch im Schach beim Nachwuchs zur nationalen Spitze zählte, dies dann aber zugunsten der Musik aufgab, wird mit erst neun Jahren stellvertretender Konzertmeister im baskischen Jugendorchester, als die Familie dort wohnt, er ist der erste Schweizer Halbfinalist in der Menuhin-Competition, gewinnt im Ausland weitere Wettbewerbe. Vor zwei Jahren verlässt er die Musikakademie Basel und folgt der Einladung, in Boston bei der renommierten Geigenprofessorin Miriam Fried zu studieren. Seine Schwestern bilden sich in Basel weiter und haben im In- und Ausland bereits etliche Preise gewonnen. Anouk gibt mit ihrem Cello mit zehn Jahren ihr Debüt in einem Symphonie-Orchester und tritt mit den Heidelberger Symphonikern auf. Manoush, die Pianistin, erhält Preise für «beste Interpretationen», etwa von Bach. «Auszeichnungen sind aber nur etwas Oberf lächliches», sagt Anatol, «uns geht es nur um die Musik. Unsere Hingabe ist fast religiös.»
Das voll auf die Musik ausgerichtete Familienleben führt auch dazu, dass die Familie oft ihren Wohnsitz wechseln muss. Anatol kommt im Baselbiet, genauer in Laufen, zur Welt, seine Schwestern werden auf den Kanarischen Inseln geboren. Sie leben lange im Baskenland. Zuletzt lebten sie in Guggisberg. Letzten Sommer finden sie in Maisprach ein ideales Haus, denn: «Bei uns wird jeden Tag von früh bis spät musiziert», erzählt Anouk. Nachbarn, selbst Musik-Liebhabern, sei das nicht zumutbar. Meist üben die drei Geschwister individuell und zur gleichen Zeit in ihren Zimmern, um ihre Solo-Karrieren voranzutreiben, und sorgen damit im Hause Toth für eine Kakophonie. Symphonisch wird es nur, wenn sie für gemeinsame Konzerte üben. Dann erteilen sie sich gegenseitig Ratschläge, wie gewisse Passagen noch besser interpretiert werden können, und diskutieren die Bilder, die gewisse Passagen in ihnen auslösen. «Am Anfang gab dabei der grosse Bruder im wahrsten Sinne den Ton an», erzählt Anouk, «inzwischen geschieht das auf Augenhöhe.» Schon mehrfach sind sie gemeinsam aufgetreten und dafür gefeiert worden. Der Vater betont aber wiederholt: «Auch wenn sie noch jung und Geschwister sind, so sind sie individuell zu betrachten.» Ihr auf die Musik ausgerichtetes Leben fordert neben den vielen Wohnortwechseln noch in anderen Bereichen Einschränkungen. Sie werden von Beginn weg nach dem «Homeschooling»-Modell von ihren Eltern unterrichtet, weil bei ihrem Pensum der Besuch einer Regelklasse keinen Platz findet. «Die Musik bereichert uns und trägt viel Soziales in sich. Zugleich isoliert sie uns auch», beschreibt der Vater die Situation treffend. Auch finanziell ist die Familie nicht unbedingt auf Rosen gebettet. Daraus macht Peter Toth, der in eine Art Managerrolle der musikalischen Familie gerutscht ist, kein Geheimnis. Im Vergleich zu anderen Ländern nehme sich die finanzielle Unterstützung in der reichen Schweiz eher bescheiden aus. Aber wer wie die Toths von der Musik so sehr besessen ist, nimmt das gerne in Kauf.
Konzert in der Kapuzinerkirche in Rheinfelden, 18 Uhr. Gespielt werden Josef Haydn, Sergej Rachmaninow und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Anstelle eines Eintritts wird am Schluss eine Kollekte erhoben.
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