«Wir müssen uns überlegen, was auf uns zukommt»
07.06.2023 FricktalDer Planungsverband Fricktal Regio will eine regionale Mobilitätsstrategie erarbeiten. Die NFZ hat darüber mit Françoise Moser gesprochen. Sie besetzt im Verbandsvorstand das Ressort Mobilität.
Ronny Wittenwiler
NFZ: Françoise Moser, ...
Der Planungsverband Fricktal Regio will eine regionale Mobilitätsstrategie erarbeiten. Die NFZ hat darüber mit Françoise Moser gesprochen. Sie besetzt im Verbandsvorstand das Ressort Mobilität.
Ronny Wittenwiler
NFZ: Françoise Moser, weshalb braucht es eine integrale Mobilitätstrategie Fricktal?
Françoise Moser: Wir haben im Fricktal auf verschiedenen Flughöhen mehrere Projekte am Laufen. Im Sinne einer geordneten Vorgehensweise möchten wir mit den Gemeinden eine gemeinsame Haltung entwickeln. Diese gemeinsame Haltung soll der Regionalplanung Fricktal Regio als Basis für Empfehlungen dienen.
Wie kann Mobilität dem Bevölkerungswachstum im Fricktal überhaupt Rechnung tragen?
Das ist die grosse Herausforderung. Bei jeder Arealentwicklung, etwa beim Sisslerfeld oder ganz frisch nun beim Aurica-Areal in Kaiseraugst, halten die Leute den Daumen drauf und sagen: Wir befürchten noch mehr Verkehr, wir haben schon genug Stau. Unsere Aufgabe ist es, Möglichkeiten zu finden, den Verkehrsf luss zu verbessern; angefangen beim Verkehrsmanagement bis hin zu langfristigen Planungen, die dann erst in zwanzig, fünfundzwanzig Jahren realisiert werden. Wir müssen in Szenarien denken und uns überlegen, was auf uns zukommt. In diese Überlegungen fliessen auch die Arbeitnehmenden aus dem süddeutschen Raum und dem Elsass mit ein, die jeden Morgen unsere Stausituation mitprägen. Es geht dabei nie allein um Verkehr, sondern auch ums Wohnen. Vielleicht gibt es Menschen, die aufgrund einer attraktiven Wohnsituation näher an ihren Arbeitsort im Fricktal rücken würden.
Das könnte Mobilität zwar entlasten. Doch Anschlussfrage diesbezüglich: Wie bringe ich Mobilität in Einklang mit Natur und Landschaft im Fricktal?
Indem wir beides miteinander verbinden. Wir müssen die bestehende Landschaft, so gut es geht, schützen und bewahren. Natur hört aber nicht am Siedlungsrand auf, sie muss vermehrt in die Siedlung hineinkommen. Und dort bekommen die Strassen, vor allem die Quartierstrassen, eine stärkere Bedeutung. Sind die Strassen einmal aufgewertet, können sie eine Beschattungsfunktion einnehmen oder werden mehrfach genutzt: Vielleicht ist eine Strasse nicht bloss eine Strasse mit Parkplatz, sondern abends oder am Wochenende eine Spiel- und Begegnungsstrasse. Das sind neue Aspekte, die wir miteinander verknüpfen müssen.
Nur Mobilität allein zerstört also Natur und Landschaftsraum nicht, sondern kann auch Chance sein?
Innerhalb des Siedlungsraums bietet sich diese Chance ganz bestimmt.
Warum wird die Mobilitätsstrategie Fricktal kein Papiertiger?
Wir müssen die Leute, die jetzt in den Gemeinden aktiv sind, sensibilisieren. Logischerweise ist es am Schluss ein Dokument mit Rahmenbedingungen, Anhaltspunkten und Empfehlungen. Unsere Siedlungsentwicklung ist eine nie endende Geschichte, weil sich Gemeinden permanent erneuern: Damit es kein Papiertiger wird, gilt es also, das Wissen anzupassen und immer und immer wieder an die neuen Entscheidungsträger weiterzugeben. Aber ich denke, das kommt gut, denn das Wissen ist heute schon viel breiter als noch vor Jahren.
Sie sagen, es gehe nicht darum, den Öffentlichen Verkehr (ÖV) und den Motorisierten Individualverkehr (MIV) gegeneinander auszuspielen. Wo braucht es den ÖV und wo ist der MIV gerechtfertigt?
Beim Blick in die Seitentäler, nach Olsberg etwa: Habe ich dort kaum Busverbindungen, so ist es doch so, dass es Familien gibt, die zwei Autos haben, weil sie sonst nirgends hinkommen. Es geht darum, dass die Diskussion nicht von Ideologien dominiert wird. Im dicht besiedelten Raum hingegen müssen wir alles daransetzen, dass Mobilitätskonzepte umgesetzt werden, dass die Menschen auf den ÖV umsteigen oder bei kürzeren Distanzen das Velo nutzen, sei es in der Freizeit oder bei der Arbeit. Da haben wir noch Luft nach oben.
Und wo steht das Fricktal in zwanzig Jahren: Erstickt die Region im Stau oder fliesst alles störungsfrei?
In der Entwicklung, in der wir momentan stecken, wird die Mobilität nie störungsfrei sein. Unsere Aufgabe ist es, alle Entwicklungen bestmöglich begleiten zu können. Wir werden immer mit den Herausforderungen der Mobilität konfrontiert sein.
Das Gespräch entstand im Rahmen der Abgeordnetenversammlung in Möhlin, wo der Planungsverband seine Fricktalkonferenz abhielt. Am Donnerstag, 15. Juni, veranstaltet der Planungsverband in Stein einen Workshop zur Mobilitätsstrategie.