Wie Romane uns spiegeln

  22.09.2025 Persönlich

Wie Romane uns spiegeln, darüber spricht Ueli Mäder im Hotel Schützen mit Helen Liebendörfer und Wolfgang Bortlik.

Helen Liebendörfer schreibt historische Romane. Zuletzt veröffentlichte sie: «Nicht ohne Regenschirm» (2024). Und von Bortlik stammt: «Die drei schönsten Toten von Basel» (2025). Sein Kriminal-Roman über die Fasnacht löste Kontroversen aus. So könnte der Titel des Gesprächs auch heissen: Wie Romane uns provozieren.

Darüber sollte man einen Roman schreiben
«Bei meinen Stadtführungen ergab es sich», so Liebendörfer, «dass beim Wohnort von Wibrandis Rosenblatt die Leute jeweils sagten: Über dieses unglaubliche Schicksal sollte man einen Roman schreiben.» Während verregneter Ferien auf der Alp versuchte es Liebendörfer dann einfach einmal. Und so überraschte sie ihren Verlag mit einem historischen Roman, statt einem neuen Stadtführer.

Inzwischen ist die Autorin beim zehnten Roman angelangt. Wibrandis Rosenblatt war zuerst die Frau von Johannes Oekolampad (1482- 1531) und dann noch von zwei weiteren Reformatoren.

Bloss, worin besteht der Wert solcher Bücher? «Es ist mir ein Anliegen, wenig Bekanntes den Leuten auf lockere Art näherzubringen», so Liebendörfer. Im Zentrum steht öfters die Stadt Basel. Und bewirken will die Autorin, «dass man sich an Vorgängerinnen erinnert und das Leben in der Zeit kennen lernt, in der sie gewirkt haben». Und ja, vielleicht werde man so auch etwas dankbarer für das, «wie gut wir es im heutigen Alltag haben».

Jeder Roman bringe jedenfalls neue Erkenntnisse, wenn man sich in alte Zeiten vertiefe, in geschichtliche Ereignisse, Probleme des Alltags oder in frühere Frauenbilder. Und so handelt «Nicht ohne Regenschirm» davon, was es selbst für eine privilegierte Frau im 19. Jahrhundert bedeutete, ledig zu sein.

Charlotte Kestner, die Hauptperson, war die Tochter von Goethes Lotte. Sie diente ihr Leben lang andern. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in Basel, wo die Stadtführerin Liebendörfer heute noch Vorträge an der Volkshochschule hält. Lotte kommt in den Leiden des jungen Werthers vor. Goethe lernte sie auf einem Tanzfest kennen. Er begehrte und verehrte sie, musste sich aber von ihr lösen.

Niemals vergessen
Wolfgang Bortlik beendete vor gut zehn Jahren seinen Roman «Spätfolgen» über die Anti-AKW-Bewegung der 1970er-Jahre. Sein Verlag sah sich wegen finanzieller Probleme ausserstande, den Text zu veröffentlichen. Ein anderer Verlag interessierte sich dafür, favorisierte aber Kriminalromane. Also schrieb Bortlik seine «Spätfolgen» zu einem «Cold Case-Krimi» um, wie er sagt. Dabei geht es um ungelöste, mysteriöse Fälle. Sie interessieren Bortlik bis heute. Und so hat er nun, «manchmal etwas unwillig – den Stempel Krimiautor».

Bortlik wendet sich dagegen, «unterhaltende von ernsthafter Literatur zu trennen», wie im deutschsprachigen Raum üblich. Er liest einfach «lieber gute Geschichten, statt Wortgeklingel». Zu einem Krimi gehöre, gesellschaftliche Probleme zu verhandeln.

Bortlik hat, selbst deklariert, «viele Semester Geschichte studiert». So gäbe es halt auch in seinen Krimis «immer Reminiszenzen an politische und kulturelle Ereignisse». Dass man sich an vermeintlich Vergangenes erinnert, findet er wichtig. Ja, «niemals vergessen!», das sei ein berechtigtes Anliegen. Es gelte, aus der Geschichte zu lernen. Aber die Wirklichkeit sei heute weit davon entfernt. Und an der Fasnacht interessiere ihn eben, inwiefern populäre Kultur zur Selbst findung beitrage. Deshalb kommt auch der Fussball immer wieder in den Romanen und Songs des ehemaligen «Tschüttelers» vor. (mgt)


Wie Romane uns spiegeln: am Mittwoch, 24. September, um 19.30 Uhr, im Hotel Schützen (Bahnhofstrasse 19) in Rheinfelden. Mit Helen Liebendörfer und Wolfgang Bortlik. Musikalische Begleitung: Peter Schmid. Moderation: Ueli Mäder. Eintritt: 15 Franken. Anmeldung über: www.schuetzenhotels.ch/de/entdecken


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