Weltgeschichte vor der Haustüre

  06.11.2025 Rheinfelden

Fricktaler Projekt «Kriegsnachrichten.ch» kommt zum Abschluss

Wer wissen will, wie die Fricktaler Bevölkerung den Ersten und den Zweiten Weltkrieg erlebt hat und was die Lokalzeitungen darüber geschrieben haben, stösst unter «Kriegsnachrichten.ch» auf einen grossen Fundus. Das Projekt wird jetzt – nach über zehn Jahren – abgeschlossen. Initiant Andreas Rohner zieht Bilanz.

Valentin Zumsteg

«Meine eigene Neugier ist und war meine Hauptmotivation», erklärt Andreas Rohner. Der Museumstechniker und Webpublisher, der lange in Rheinfelden lebte, hat vor gut zehn Jahren in Zusammenarbeit mit dem Fricktaler Museum und der Neuen Fricktaler Zeitung das Projekt «Kriegsnachrichten.ch» ins Leben gerufen (die NFZ berichtete). «Mich interessierte, wie die Menschen hier an der Grenze die Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs erlebt haben, über welche Informationen sie verfügten und wie ihr Alltag aussah», schildert Rohner.

«Ziel erreicht»
Das Interesse kommt nicht von ungefähr: Seine Mutter hat den Zweiten Weltkrieg in Holland miterlebt. «Ihre Erzählungen haben mich als Kind stark berührt und geprägt. Ich war froh, dass wir in meiner Kindheit im Appenzellischen und nicht direkt an der Grenze lebten.» Auf der Webseite «Kriegsnachrichten.ch» können Originalartikel der «Volksstimme aus dem Fricktal» (Vorgängerin der NFZ), der «Neuen Rheinfelder Zeitung» und des «Fricktalers» aus jener Zeit gelesen werden. Tausende von Seiten wurden dazu digitalisiert und ins Internet gestellt. Der Swisslos-Fonds sowie verschiedene Stiftungen haben sich an den Kosten beteiligt. Dazu erschien einmal pro Quartal ein Essay, welcher das Zeitgeschehen in den Kontext stellte. Zu den Autoren gehörten unter anderem Militärhistoriker Jürg Stüssi-Lauterburg, Thomas Bitterli, Historiker und Archäologe, sowie Andreas Rohner selbst.

Jetzt, nach zehn Jahren, ist das Projekt abgeschlossen. Im Oktober erschien der letzte Essay in der NFZ. «Wir haben unser Ziel erreicht. Ich bin stolz darauf, dass wir das zehn Jahre durchgezogen haben. Das Projekt ist ein Beispiel, wie man Geschichtsschreibung auch machen kann. Hier erfährt man einiges über die eigenen Wurzeln», sagt Andreas Rohner. Die Webseite kriegsnachrichten.ch verzeichnete allein im Jahr 2025 bereits über 600 000 Visits und 1,4 Millionen Seitenzugriffe. «Das sind tolle Zahlen für ein regionales Projekt», betont Rohner.

«Respekt vor den Leuten»
Er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Kriegszeit beschäftigt. Sein Fazit: «Ich habe grossen Respekt vor den Leuten, die damals gelebt haben. Es waren schwierige Zeiten.» Trotz der Rationierung der Lebensmittel und anderer Einschränkungen sei das Leben weitergegangen: «Auf der Schweizer Seite des Rheins gingen die Leute in die Kinos, es gab Tanz und Theatervorstellungen. Das hat mich erstaunt, das hatte ich so nicht erwartet. Auf deutscher Seite wurden noch wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs Leute standesrechtlich erschossen.» Mit Blick auf das aktuelle Weltgeschehen und die zahlreichen Kriege meint Rohner nachdenklich: «Vielerorts scheint man wieder ins gleiche Fahrwasser wie damals zu geraten.»

Der Verein «Kriegsnachrichten.ch» wird sich demnächst auflösen. Am Mittwoch, 12. November, gibt es eine öffentliche Abschlussveranstaltung im Fricktaler Museum. Die Webseite mit ihren Tausenden digitalisierten Zeitungsseiten bleibt aber weiterhin zugänglich. Dort lässt sich auch in Zukunft nachlesen, wie die Kriegszeiten die Menschen im Fricktal geprägt haben.


Abschlussveranstaltung am Mittwoch, 12. November, um 19.30 Uhr im Fricktaler Museum in Rheinfelden. Kurzvorträge von Jürg Stüssi-Lauterburg, Thomas Bitterli und Walter Herzog. Der Eintritt ist frei.

www.kriegsnachrichten.ch


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