Weltenbummler und «Groundhopper»
29.09.2025 PersönlichSeit neun Monaten lebt und arbeitet Gregory Grossenbacher in Indien, wo er eine Niederlassung mit 30 Mitarbeitenden leitet. Einst an der Langackerstrasse aufgewachsen und beim FC Stein gespielt, geniesst der 33-Jährige das Leben in anderen Ländern und Kulturen.
Fabrice ...
Seit neun Monaten lebt und arbeitet Gregory Grossenbacher in Indien, wo er eine Niederlassung mit 30 Mitarbeitenden leitet. Einst an der Langackerstrasse aufgewachsen und beim FC Stein gespielt, geniesst der 33-Jährige das Leben in anderen Ländern und Kulturen.
Fabrice Müller
Gregory Grossenbacher wohnt und arbeitet in der Metropole Hyderabad. Sie ist die Hauptstadt des im Jahr 2014 neu geschaffenen indischen Bundesstaates Telangana. Mit 6,8 Millionen Einwohnern in der eigentlichen Stadt und 7,7 Millionen in der Agglomeration ist sie die viertgrösste Stadt Indiens und Zentrum des sechstgrössten Ballungsraums des Landes. «Die Stadt ist ziemlich mondän, aber glücklicherweise nicht so chaotisch und versmogt wie zum Beispiel Neu-Delhi. Trotzdem hatte ich zu Beginn einen leichten Kulturschock, der sich jedoch glücklicherweise bald wieder legte», erzählt Gregory Grossenbacher.
Als ziemliche Herausforderung entpuppte sich am Anfang die Wohnungssuche: Sechs Wohnungen standen zur Auswahl. Erst die sechste Wohnung überzeug te Gregory Grossenbacher, nachdem er in den anderen zum Teil auf Kakerlaken stiess. Die Wohnung befindet sich im 20. Stock und liegt in einem modernen Stadtviertel mit einem umzäunten und gesicherten Bereich, in dem sich auch Läden, Restaurants und Sportanlagen befinden. Den Arbeitsort in der Nähe des Flughafens erreicht er in einer halben Stunde Autofahrt. Fahren muss der Manager allerdings nicht selbst – dafür wurde ihm ein Fahrer zur Seite gestellt, der Tag und Nacht zur Verfügung steht. An den Wochenenden verzichtet er allerdings meist auf die Fahrdienste seines Chauffeurs und ist mit Taxis oder Rikscha unterwegs. Grössere Distanzen überwinde man in Indien gewöhnlich mit Inlandflügen.
30 Angestellte unter sich
Seit vier Jahren arbeitet Gregory Grossenbacher für die Firma «SkyCell» mit Sitz in Zürich. Das Unternehmen hat sich auf Container spezialisiert, die speziell für die Pharmabranche entwickelt werden und weltweit unterwegs sind. Zuerst startete der gelernte Speditionskaufmann als Sachbearbeiter; nach zwei Jahren übernahm er als Teamleiter die operativen Aktivitäten im europäischen Raum. Als für die Niederlassung in Indien ein Nachfolger des Geschäftsführers gesucht wurde, meldete sich Gregory Grossenbacher: «Es war schon immer mein Wunsch, im Ausland zu arbeiten. Zudem kannte ich einige aus dem Team in Indien bereits, da ich zuvor zwei- bis dreimal für Workshops dort war. Da ich keine Familie habe, wollte ich mir diese Chance nicht entgehen lassen.» Während Grossenbacher in der Schweiz ein Team mit drei Mitarbeitenden leitete, unterstehen ihm nun in Indien 30 Angestellte. Das nötige Rüstzeug für seine neue Aufgabe holte sich der Kadermann zum einen durch seine Erfahrung am Stammsitz, zum andern absolvierte er diverse Weiterbildungen, unter anderem für den Aussenhandelsfachmann und als diplomierter Betriebswirtschafter im Nachdiplomstudium. Nur seine Englisch-Kenntnisse seien zu Beginn des Indien-Einsatzes noch ausbaufähig gewesen. Mittlerweile spreche er jedoch fliessend Englisch. Die Nationalsprache «Hindi» dagegen beherrsche er nicht.
Im Gegensatz zu vielen indischen Firmen herrsche im Betrieb unter der Leitung von Gregory Grossenbacher eine ausgesprochen flache Hierarchie. Trotzdem haben sich alle Mitarbeitenden von ihren Stühlen erhoben, als sein Vorgänger das Büro betrat. Das war ihm unangenehm, deshalb habe er seine Angestellten gebeten, darauf zu verzichten. Zu seinen Aufgaben als Leiter des Firmensitzes in Indien gehören viele organisatorische und strategische Arbeiten rund um die Finanzen, Budget, Events, Reporting und IT-Themen. Auch in die Personalrekrutierung ist er involviert. «Wir machen derzeit ein rasantes Wachstum durch. Alle zwei Monate wird eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter eingestellt.»
«Groundhopper»
Zweimal pro Woche spielt der Schweizer Paddle-Tennis; dann steht er meist im Mittelpunkt: «Alle wollen mit mir spielen, nur weil ich anders aussehe.» An den Wochenenden besucht er mit Vorliebe Sportanlässe, vor allem Fussballspiele. Doch Gregory Grossenbacher, selbst ein eingefleischter FC-Basel-Fan, geht es nicht nur um das Spiel, sondern ebenso um das Stadion und die Atmosphäre. Sich selbst bezeichnet er als «Stadion-Hopper». Bis heute habe er bis zu 300 Stadien in 46 Ländern besucht. Seine Erlebnisse hält der Fussballfan in einem eigenen Blog mit Texten und Bildern fest. «Für Aussenstehende tönen 300 Stadionbesuche zwar nach viel, doch es gibt andere ‹Groundhopper›, die schon tausende Stadien auf der ganzen Welt abgeklappert haben», ergänzt er. Nächstes Jahr wolle er den Stadien in Sri Lanka, Bhutan und auf den Malediven einen Besuch abstatten.
Etwas Gutes für die Kinder tun
In Indien wurden viele Stadien für eine Mehrfachnutzung konzipiert, also nicht nur für Fussballspiele. Besucht der ehemalige Steiner ein Fussballspiel, komme er im Stadion schnell mit den einheimischen Fans ins Gespräch. Als er ein Fussballspiel in Kalkutta besuchte, war er fünf Stunden vor Spielbeginn in der Stadt. «Vor dem Stadion bettelten mich Kinder für ein Stadionticket an. Da hatte ich Mitleid mit ihnen und lud 50 Kinder zum Fussballspiel ein. Ein Reporterteam filmte mich dabei. Wenn möglich, versuche ich immer, etwas für die Kinder zu tun.» In den indischen Grossstädten sind Arm und Reich oft dicht beieinander. Besonders gross erlebte Gregory Grossenbacher die sozialen Unterschiede in Kalkutta. «Es hat mich sehr berührt, zu sehen, wie viele Kinder am Boden leben, im Müll nach Essen suchen und von Ratten umgeben sind. In diesem Sinne ist Indien ein herausforderndes Land.»
Sehenswürdigkeiten in Indien
Viele Sehenswürdigkeiten hat er in Indien besucht. «Ich bin fast jedes Wochenende unterwegs und möchte so viel wie möglich vom Land erkunden.» Das Reisen gehört nicht erst seit Indien zu den grossen Leidenschaften des Steiners. Mit seiner damaligen Partnerin startete er 2019 eine grosse Weltreise per Velo. Geplant war, von Singapur aus in einem Jahr durch Südostasien zu fahren. Doch das Schicksal wollte es anders: Nach drei Wochen hatte seine Begleiterin einen Unfall, als während des Velofahrens ein Motorrad in sie reinfuhr. Mit Rippenbrüchen und Blut in der Lunge wurde sie in ein Spital in Malaysia eingeliefert. Erst nach zwei Wochen konnte sie mit der Rega in die Schweiz geflogen werden. Drei Monate später zog es das Paar nochmals in die Ferne, genauer gesagt nach Thailand. Doch auch der geplante zweiwöchige Urlaub nahm eine unglückliche Wendung, denn er musste wegen einer Lebensmittelvergiftung ins Spital. Anschliessend ging es nach Neuseeland – bis die Corona-Pandemie ausbrach und erst einmal zwei Wochen Quarantäne angesagt waren. «Ich komme gut in fremden Kulturen zurecht, mittlerweile auch in Ausnahmesituationen», sagt Grossenbacher schmunzelnd und plant bereits seine nächsten Ferien in Ozeanien – ab Indien in zirka 15 bis 20 Stunden Flug erreichbar.
Wie weiter?
Sein Vertrag für die Stelle in Indien läuft noch bis 2026. Nachher wolle er wieder zurück in die Schweiz. Konkrete Pläne habe er allerdings noch nicht, betont Gregory Grossenbacher. «Ich versuche nicht so weit vorauszudenken, weil es ja dann doch wieder anders kommt.» Dreibis viermal pro Jahr stattet er seiner Mutter und seinen Geschwistern einen Besuch in der Schweiz ab. Während seine Mutter heute noch an der Langackerstrasse in Stein wohnt, hat der junge Mann seine Wohnorte in den letzten Jahren mehrmals gewechselt: von Stein über Oeschgen, Reinach bis Münchenstein und Gipf-Oberfrick und nun Hyderabad.