Wegbereiter und Prozessbegleiter

  26.02.2024 Persönlich

Martin Hitz, Ostaargauer mit starkem Bezug zum Fricktal

Er war Stadtschreiber in Rheinfelden und hat viele Aargauer Gemeinden – auch im Fricktal – auf dem Weg in die Fusion begleitet. Bevor er am 1. März eine neue Stelle antritt, nahm sich Martin Hitz Zeit für ein Interview mit der NFZ.

Simone Rufli

NFZ: Mit der Info-Veranstaltung am 6. März in Oberhof endet Ihre Zeit als Berater von fusionswilligen Gemeinden. Sie gehen, während der Prozess in Oberhof und Wölflinswil noch im Gang ist. Ist das nicht unbefriedigend?
Martin Hitz:
Natürlich ist es immer die Idee, ein Projekt bis ans Ende zu begleiten. Andererseits ist jetzt ein guter Zeitpunkt, da die Entscheidungsgrundlagen für die Stimmbevölkerung vorliegen. Die wichtige Phase der Erarbeitung von Vertrag und Bericht durfte ich begleiten. Jetzt bin ich auf die Entscheidung der beiden Gemeindeversammlungen gespannt.

Noch nicht lange her, da haben Sie Herznach und Ueken per 1.1.2023 fusioniert. Formal laufen Fusionsprozesse immer gleich ab. Alles andere ist anders, deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Genau – so wie die Gemeinden, welche grundsätzlich die gleichen Vorgaben haben, verschieden sind, so verschieden gestaltet sich auch jeder Prozess. Die Behörden, die Bevölkerung, die lokale Kultur, die vorhandene Vernetzung sind wesentliche Faktoren – vor allem aber die beteiligten Menschen. Als Projektleiter ist es eine sehr reizvolle Herausforderung, auf die unterschiedlichen Voraussetzungen einzugehen und diese im Prozess aufzunehmen bzw. zu berücksichtigen. Spannende Momente mit immer wieder überraschenden Ergebnissen sind die Umfragen im Zusammenhang mit den Fusionen bzw. im Zusammenhang mit Gemeindenamen und -wappen. Die Resultate liessen sich selten vorhersagen.

Sie waren von 2001 bis 2007 Stadtschreiber in Rheinfelden. Wie hat Sie diese Arbeit für den weiteren Weg geprägt?
In Rheinfelden durfte ich als Stadtschreiber eine sehr spannende und herausfordernde Zeit erleben: drei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten als Stadtammann und viele interessante Projekte. Eine sehr gute Erfahrung war die Arbeit in einer grösseren Verwaltung: Die Arbeit als Stadtschreiber war zum grossen Teil Koordination von Geschäften, Projektarbeit, aber auch ein erheblicher Anteil Führungsarbeit. Zudem kam ich mit für mich neuen Themen in Berührung wie Museum, Bibliothek, Tourismus, etc. Ich erinnere mich sehr gerne an diese Zeit und habe viel profitiert.

Sie sind beruflich intensiv mit dem Fricktal verbunden, sind aber in Untersiggenthal im Bezirk Baden aufgewachsen, haben dort eine Lehre als Gemeindeschreiber gemacht, waren auf dem Steueramt in Wettingen tätig, im 2007 Sachwalter der führungslosen Gemeinde Rekingen, wohnen in Endingen, wo Sie auch lang Gemeindeschreiber waren und der Firmensitz ihrer AWB Comunova ist in Lengnau, im Zurzibiet, wo Sie Geschäftsleiter von «Zurzibiet egio» sind – Ihre Heimat ist der Aargau, kann man das so sagen?
Ich glaube, diese Bezeichnung trifft genau zu. Natürlich habe ich meine Wurzeln im Ostaargau, aber ich durfte die verschiedenen Regionen des Kantons mit ihren unterschiedlichen Kulturen kennen- und schätzen lernen. Die Vielfalt unseres Kantons ist immer wieder faszinierend
– und wird auch von uns selber immer wieder unterschätzt.

Alle Ihre Tätigkeiten – auch die als Leiter der Geschäftsstelle der Aargauer Gemeindeammänner-Vereinigung – haben etwas gemein: sie drehen sich um das Gemeinwesen. Woher kommt das?
Bereits in der Lehre in Untersiggenthal durfte ich bei einigen Geschäften mitarbeiten, bei welchen ich die politischen Prozesse kennen lernen durfte. Die Gemeindeebene ist die spannendste politische Ebene, die politische Arbeit zeigt rasch ihre Wirkung und der Austausch mit den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern ist sehr direkt. Die Gemeinden haben ein unglaublich breites Aufgabenfeld – das ist einfach spannend. Dazu kommt auch die bereits angesprochene Vielfalt «trotz» gleicher Strukturen, die regionalen Kulturunterschiede… einfach spannend!

Als Geschäftsstellenleiter des Instituts für Public Management (IPM) waren Sie um die Ausund Weiterbildung von Personal im öffentlichen Dienst und von Behördenmitgliedern besorgt. Worauf haben Sie besonders geachtet?
Mir war es immer ein grosses Anliegen, dass ein direkter Praxisbezug hergestellt wird. Theoretische Grundlagen sind wichtig, aber zentral sind die praktischen Erfahrungen, Tipps von gestandenen Kommunalpolitikerinnen und -politikern. Auch die Vernetzung ist sehr wichtig. Das Fricktaler Gemeindeseminar ist diesbezüglich eine «Vorzeige-Veranstaltung». Mein Kompliment an den Planungsverband Fricktal Regio und die Fricktaler Behörden, welche dieses Seminar jährlich durchführen.

Ganz generell: Wie hat sich die Situation der Gemeinden im Verlauf der letzten 17 Jahre, seit Sie mit eigener Firma (AWB Comunova AG in Lengnau) im Mandatsverhältnis beratend tätig sind, verändert?
Die Anforderungen an die Gemeinden sind gewachsen: Anforderungen bezüglich Prozessdauer, Kommunikation, Fachlichkeit, etc. Die Bundespolitik und die kantonale Politik schenken bei ihren Entscheidungen den Auswirkungen auf die Gemeinden zu wenig Beachtung. Der Vollzug wird zunehmend anspruchsvoller. Die Parteien sind nur noch in den grossen Gemeinden und Städten in der Kommunalpolitik präsent, das hat zur Folge, dass über 50 Prozent der Mitglieder der Stadt- und Gemeinderäte parteilos sind. Somit fehlen die wichtigen Verbindungen zwischen kommunaler und kantonaler Politik. Dementsprechend müssen die Gemeinden auch stärker um die Beachtung bei den politischen Entscheidungen in der kantonalen Politik, insbesondere im Grossen Rat, kämpfen. Für die engagierten Milizpolitikerinnen und -politiker wird die Herausforderung zwischen Beruf, Familie und Politik immer schwieriger zu bewältigen. Schlussendlich haben wir im Kanton Aargau zwei Drittel aller Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von weniger als 3000. Dementsprechend sind in den Verwaltungen auch viele Allrounderinnen und Allrounder beschäftigt, welche in den vielfältigen Gemeindeaufgaben gefordert sind. Diese strukturellen Rahmenbedingungen müssten insbesondere im Grossen Rat wieder vermehrt berücksichtigt werden.

Sie wurden im Jahr 2020 im Rang eines Obersts aus dem Militärdienst verabschiedet. Am 1. März treten Sie Ihre neue Stelle als Leiter der kantonalen Abteilung Militär und Bevölkerungsschutz an. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich darf seit 17 Jahren als Unternehmer tätig sein. Die Chance für eine neue Herausforderung in einem neuen, aber doch schon etwas bekannten, Umfeld hat mich sehr gereizt. Mit rund 1400 Diensttagen in der Armee ist die Sicherheitspolitik für mich immer ein Thema gewesen, das mich sehr interessiert. Ich bin der Meinung, dass man sich dann, wenn es am schönsten ist, Gedanken über einen Abschluss machen muss. Ich gebe das Unternehmen nun weiter, im Wissen, dass das auch neuen Schwung geben wird.

Fragen der militärischen Sicherheit und des Bevölkerungsschutzes haben durch die jüngsten Ereignisse einen höheren Stellewert bekommen. Macht das für Sie die neue Aufgabe erst richtig interessant?
Nun, ich glaube die Aufgabe ist ohnehin spannend, die aktuellen Entwicklungen geben aber den Themen eine neue Aktualität und Beachtung.

Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht für das Gemeinwohl im Einsatz sind?
Ich jogge, bin mit dem Bike und auf Ski unterwegs und gehe im Sommer gerne auf Hochtouren oder in Klettersteige. Ich bin geschieden, pflege aber einen schönen Kontakt mit meinen drei Töchtern (24, 20 und 17 Jahre) und begleite sie ab und zu bei ihren Aktivitäten (Volleyball, Pfadi) und ich lese gerne. Dazu bin ich Museumsführer auf dem Gotthard. Während den Sommermonaten führe ich an Wochenenden Besuchergruppen durch die ehemalige Festung «Sasso San Gottardo». Die ehemalige Festung ist militärhistorisch und bautechnisch reizvoll – ich kann einen Besuch sehr empfehlen.

Zum Schluss zurück zum Anfang: Sehen Sie im Fricktal Potential für weitere Gemeindefusionen?
Selbstverständlich gibt es dazu meinerseits keine Empfehlung. Die Gemeinderäte entscheiden selbst, wann es Zeit ist, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Sinnvoll ist es sicher, wenn sich die Behörden regelmässig damit auseinandersetzen.


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