Viel Rauch um ein Holzofen-Brot
27.08.2024 BrennpunktDie Enttäuschung bei der Möhliner Bäckerei ist gross
Ein Ofen sorgt für Feuer unterm Dach: Die Bäckerei Aukofer stellt nach Jahrzehnten die Produktion von Holzofen-Brot ein, weil Anwohner, die sich am Rauch stören, mit Zivilklagen drohen.
Ronny Wittenwiler
Bei der Bäckerei Aukofer ist der Ofen aus – im wahrsten Sinne des Wortes. Der Betrieb produziert per Ende August kein Holzofen-Brot mehr. Vereinzelte Anwohner im Quartier stören sich an der Geruchsbelästigung. Die Rede ist von Rauch in Zimmern, von Rauch, der sich in Kleidern festsetze, der einen gar um den Schlaf bringe. «Wir haben keine Kraft mehr», begründet Marc Aukofer die Kapitulation. Die Enttäuschung ist riesig, nicht bloss bei ihm.
Fast vierzig Jahre keine Probleme
Als die Geschichte vergangenen Freitag publik wurde, machte sich in den Kommentarspalten, mit wenigen Ausnahmen, Unverständnis breit. Aukofer sagt denn auch, dass der Widerstand zuerst von einer einzigen Person ausgegangen sei, die in der Umgebung mobilisierte; eine zweite sei dann hinzugekommen. «Es ging vor etwa zwei Jahren los, nachdem es fast vierzig Jahre lang für niemanden ein Problem gewesen war.» Zuletzt seien es vielleicht zwanzig Personen gewesen, nicht mehr, die sich über den Rauch beklagt hätten und mit ihren Beschwerden auch an die Gemeinde gelang ten. Gemeindeammann Markus Fäs bestätigt das auf Anfrage der NFZ. «Nicht viele, aber es gab diese Vorwürfe der Geruchsbelästigung. Es waren immer etwa dieselben Personen, die hartnäckig blieben.»
Der Gemeindeammann betont, dass die Bäckerei gewillt gewesen sei, zu kooperieren. Dazu gehörte auch eine von der Gemeinde in Auftrag gegebene Messung. Marc Aukofer sagt: «Wir haben nie bestritten, dass man den Rauch wahrnimmt. Bei schlechter Wetterlage drückt es diesen hinunter, das ist nun mal so; bei guter Wetterlage steigt er hingegen kerzengerade hoch und man merkt nichts.» Die Messung ergab dann Aufschlüsse. «Das Problem sind die ersten fünf Minuten beim Einfeuern des Ofens», sagt Marc Aukofer. «Dann entwickelt sich der meiste Rauch, da werden die Emissionswerte überschritten.» Die Aussage wird seitens Behörden bestätigt. Man habe zuvor schon Fachleute beigezogen, sagt Aukofer, vom Ofenbauer, über den Kaminbauer, den Kaminfeger bis zu Experten vom Umweltdepartement. «Wir haben alles versucht.» Der Tenor sei aber stets der gleiche gewesen: Gegen dieses Problem beim Einfeuern lasse sich kaum etwas machen.
«Es bringt nichts mehr»
Aufgrund der Fakten unter Zugzwang, räumte die Gemeinde dem Bäckereibetrieb eine Zeit von fünf Jahren ein, das Problem in den Griff zu bekommen. Trotzdem ist der Ofen nun aus – freiwillig und doch irgendwie gezwungenermassen. Zwei Parteien hätten angedroht, auf zivilrechtlichem Weg gegen den Betrieb vorzugehen, sagt Marc Aukofer. Bis Anfang September habe man Zeit, sich bei den juristischen Parteien der potenziellen Kläger zu äussern. «Da gehen wir nicht mehr mit», sagt Aukofer. Stattdessen stellt die Bäckerei per 31. August die Produktion aus dem Holzofen ein.
«Das war ein Kind meines Vaters, altes Handwerk mit einem grossen Aufwand. Eine Herzensangelegenheit», sagt Marc Aukofer. «Aber es bringt nichts mehr, wir müssen jetzt einen Schlussstrich ziehen.» Als Grund für diesen Zwist sieht er fehlende Toleranz. Besonders deswegen auch, weil hier über Geruchsbelästigung während einer kurzen Zeit zwischen 0.15 Uhr und 0.30 Uhr gestritten werde, dann, wenn neunzig Prozent der Leute schlafen würden. Dass der Bäckerei die Lust vergangen sei, verstehe er, sagt Gemeindeammann Markus Fäs. «Persönlich bedauere ich das sehr, das Holzofen-Brot war eine tolle Sache und ich nehme nur ungern zur Kenntnis, dass es jetzt so ist, wie es ist.»
KOMMENTAR
Willkommen im Paradies
Wie hier eine Traditionsbäckerei von einer Minderheit in die Knie gezwungen wird, empört viele. Dass es sich um eine Minderheit handelt, behauptet das Unternehmen nicht allein – gegenüber dieser Zeitung bestätigt das auch die Gemeinde. Doch die Vorwürfe existieren. In den social media-Kommentarspalten hat es jemand so formuliert: «Seid ihr schon mal mitten in der Nacht aufgeschreckt, weil die Wohnung voll stickendem Feuerrauch war und gemeint habt, es würde in der Wohnung brennen?»
«Wohne seit drei Jahren neben der Bäckerei und ganz ehrlich: Ich hatte noch nie Rauch in meiner Wohnung», hält eine andere Person dagegen. «Wohne seit zwölf Jahren einhundert Meter entfernt und habe noch nie was gerochen», schreibt eine andere.
Die Emissionswerte, faktisch betrachtet, sprechen für diejenigen, die sich beklagen. Dass die Werte vielleicht nur bei ungünstigem Wetter, bloss für fünf Minuten und ohnehin mitten in der Nacht überschritten werden, spielt wahrscheinlich keine Rolle – genauso wenig die Tatsache, dass vielleicht nur schon ein geschlossenes Fenster helfen würde. Alles geschenkt, faktisch betrachtet.
Vor wenigen Wochen erst hat sich über die sozialen Medien (Facebook) eine Minderheit über den Service am Möhliner Schwimmbad-Kiosk ausgelassen und eine regelrechte Debatte entflammt. Unfreundliche Bedienung, zu lange Wartezeiten für zwei Portionen Pommes, Skandal.
Dass immer noch genügend Zeit bleibt, sich mit solchen Problemen aufzuhalten, kann nur eines bedeuten: willkommen im Paradies. Und morgen schon sind die Regale erneut prall gefüllt mit Brot. Aber wehe, es steigt dann wieder Rauch auf.
Die Gefahr, dass sich im Paradies plötzlich der Wind dreht, geht nicht von irgendwelchen Messwerten aus – sondern von zunehmender Intoleranz.
RONNY WITTENWILER