Steuersenkungen und Budgetkürzungen
27.11.2025 AargauBericht aus dem Grossen Rat
Carole Binder-Meury, Grossrätin SP, Magden
Vor der grossen Budgetdebatte wird die Motion vom Juni 2025, welche die Streichung des halben Feiertags am 1. Mai für Kantonsangestellte fordert, diskutiert. Der Kanton privilegiere seine Angestellten ...
Bericht aus dem Grossen Rat
Carole Binder-Meury, Grossrätin SP, Magden
Vor der grossen Budgetdebatte wird die Motion vom Juni 2025, welche die Streichung des halben Feiertags am 1. Mai für Kantonsangestellte fordert, diskutiert. Der Kanton privilegiere seine Angestellten und konkurriere KMUs. Während die Motionäre argumentieren, der freie Halbtag gehe auf Kosten jener, die am 1. Mai ihrer Arbeit nachgehen müssten, sagen die Gegner:innen, dass der 1. Mai lang erkämpft worden und ein Symbol sei, um den Kantonsangestellten zu danken. Der 1. Mai sei im Aargau eine wichtige Tradition und nicht nur Krawall und Zerstörung. «Wir feiern all jene, die unsere Wirtschaft am Laufen halten», sagt Mia Jenni. Die Motion wird mit 71 Ja- zu 62 Nein-Stimmen an den Regierungsrat überwiesen und könnte per 1. Januar 2028 in Kraft gesetzt werden.
Und dann geht es los mit der Budgetdebatte. Im August rechnete der Kanton bei der Präsentation des Budgets 2026 mit einem Minus von 221 Millionen Franken. Der hohe Fehlbetrag entsteht unter anderem, weil der Kantonssteuerfuss von 108 auf 103 Prozent gesenkt werden soll. Dadurch ergeben sich Mindereinnahmen von rund 103 Millionen Franken. Der Antrag der Regierung sieht vor, das budgetierte Minus mit einer Entnahme aus der Finanzausgleichsreserve auszugleichen. Da die Ratsrechte aber deutlich weiter gehen will als die Regierung und die Senkung der Kantonssteuer von 108 auf 100 Prozent fordert, würde dies im Vergleich zum Antrag der Regierung (103 Prozent) einen zusätzlichen Ausfall von 61,8 Millionen Franken bringen. Zudem fordert die rechtsbürgerliche Mehrheit (SVP, FDP, EDU) weitere umfassende Kürzungen und Einsparungen bei den Personalkosten. Insgesamt will die Mehrheit dieser Parteien neben den Steuersenkungen noch zusätzlich rund 90 Millionen Franken einsparen. Die linken Parteien fordern statt einem tieferen Steuerfuss und Budget-Kürzungen Investitionen. Dazu gehören höhere Krankenkassenprämienverbilligung, Entlastung der Lehrpersonen, tiefere Pflegekosten für die Gemeinden und nachhaltige Alterspolitik.
In vielen Aufgabenbereichen stehen Kürzungsanträge an. In der Rechtsprechung kommt eine Pauschalkürzung bei den Gerichten von 100 000 Franken durch. Ebenso erleidet die Standortförderung eine Kürzung von 1 Million Franken. Auch bei der Arbeitssicherheit und Arbeitsmarktintegration wird gekürzt. Im Bereich Migration und Integration sollen in den kommenden zwei Jahren jeweils 485 000 respektive 467 000 Franken gespart werden, so lautet ein Antrag. Landammann und Volkswirtschaftsdirektor Dieter Egli (SP) weist darauf hin, dass die Kürzung die finanziellen Möglichkeiten im Asylbereich verringern würden. Er bittet den Rat, den Antrag abzulehnen. Der Kürzungsantrag für den Bereich Migration und Integration wird daraufhin mit 91 Nein- zu 42 Ja-Stimmen abgelehnt. Im Bildungsbereich wird das Schulblatt nicht aus dem Budget gestrichen wie beantragt. Kürzungen der Beiträge an die Gemeinden respektive Kirchgemeinden für Auf- und Ausbau von ausserschulischer Kinder- und Jugendarbeit bleiben ebenfalls im Budget. Hingegen wird der Entwicklungsschwerpunkt zu einer neuen gesetzlichen Grundlage der Kinder- und Jugendhilfe gestrichen. Fortsetzung folgt am kommenden Dienstag …
KOMMENTAR
Qualität hat ihren Preis
Das Finanzpolster im Kanton Aargau beträgt über 1 Milliarde Franken. Statt reale Probleme wie Lehrpersonenmangel, steigende Krankenkassenprämien, oder den Klimawandel anzugehen, setzt die Mehrheit des Parlaments auf pauschale Abbauprogramme und Kürzungsvorschläge. Der Aargau investiert schon heute weniger in seine Bevölkerung als jeder andere Kanton.
Als Bildungspolitikerin bin ich konsterniert. Schulen sollen kürzen, obwohl genügend Reserven vorhanden wären. Wer in der Bildung spart, spart an der Zukunft! Gespart wird nun unter anderem bei der Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage der Kinder- und Jugendhilfe. In den letzten Jahren haben wir bei den schulischen Sparmassnahmen immer auf bessere Zeiten gehofft. Jetzt, wo das Geld da wäre, kommt der nächste Sparhammer. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Bildungsschaffenden. Der Kanton muss in Qualität, Chancengerechtigkeit und attraktive Arbeitsbedingungen investieren, sonst verliert er das Fundament seines Erfolgs. Denn teurer als Bildung ist nur eines: keine Bildung.
CAROLE BINDER-MEURY, MAGDEN

