Sollen alle Pensionierten eine 13. AHV-Rente erhalten?
11.02.2024 AbstimmungenAbstimmung vom 3. März
Pro
Die günstigste Massnahme
Um es vorwegzunehmen: Die 13. AHV-Rente ist nicht gratis. Von allen Möglichkeiten, um allen ein würdevolles Alter zu gewähren, ist sie aber die ...
Abstimmung vom 3. März
Pro
Die günstigste Massnahme
Um es vorwegzunehmen: Die 13. AHV-Rente ist nicht gratis. Von allen Möglichkeiten, um allen ein würdevolles Alter zu gewähren, ist sie aber die günstigste Massnahme. Für eine Rente in der Höhe der AHV bezahlt man in der 2. oder 3. Säule problemlos dreimal mehr ein. Dazu steht die AHV auf einer soliden Basis. Das Vermögen beträgt 50 Milliarden Franken und wird in naher Zukunft auf über 70 Milliarden wachsen.
Viel wichtiger scheint mir, darüber zu sprechen, ob und wie weit die AHV ausreicht, um die Existenz zu sichern. In unserer Bundesverfassung steht, dass Menschen, die ein Leben lang in der Schweiz arbeiten, von der AHV leben können. Weil dieses Ziel bei der Einführung der AHV nicht erreichbar war, wurden Ergänzungsleistungen (EL) als Provisorium eingeführt. Doch bis heute müssen Menschen, die keine oder nur eine geringe Pensionskassenrente erhalten auf diese Sozialleistungen zurückgreifen. Ich reibe mir die Augen, wenn man nun als Argument gegen die 13. AHV-Rente auf die EL verweist. Vor allem weil die gleichen Leute im Parlament diese Leistungen eben erst eingeschränkt haben.
Ein Hauptproblem bei der Frage, wieso die AHV nicht zum Leben reicht, liegt daran, dass die steigenden Krankenkassenprämien nicht im Teuerungsausgleich enthalten sind. Zudem sinkt die Kaufkraft nicht primär wegen der AHV, sondern wegen der Rentenkürzungen der 2. Säule. Dies bedroht vor allem den Mittelstand.
In der Diskussion wird oft eingeworfen, dass auch Menschen eine 13. AHV erhalten, die diese nicht nötig hätten («Giesskannenprinzip»). Dank der Tatsache, dass diese Menschen aber viel mehr Beiträge zahlen, kommt es zu einem sozialen Ausgleich. Darin liegt genau die Identität der AHV. Sie ist eine Grundsicherung und eben keine Sozialleistung wie die EL. Sie macht nur geringe Unterschiede zwischen den Menschen und zahlt allen eine Rente aus. 9 von 10 Menschen bezahlen weniger in die AHV ein als sie später erhalten. Sie sichert als einzige Vorsorgeform auch Menschen ab, die kostenlose Pflege- und Betreuungsarbeit leisten.
Es ist mir wichtig, nochmals über die Finanzierung zu sprechen. Die regelmässig verkündeten Horror-Prognosen über die Schieflage der AHV stammen aus Studien von Banken und Versicherungen. Warum wohl? Diese brauchen einen guten Grund, um den Menschen Einkäufe in die 2. Säule, Beiträge in die Säule 3a oder Policen der Säule 3b zu verkaufen. Damit verdienen die Finanzinstitute schliesslich Geld. Von der AHV profitieren sie hingegen nicht. Die offiziellen Prognosen des Bundes sind weitaus vorsichtiger, da sich alle schlechten Berichte der letzten Jahrzehnte nie bewahrheitet haben.
Wie bezahlen wir also zusätzliche Leistungen bei einer wachsenden Zahl von Renterinnen und Rentnern? Die Erhöhung der Beiträge auf dem Lohn, wie sie bei einer Annahme der Initiative wahrscheinlich ist, tut kaum weh. Zum Beweis: Die Erhöhung um 0,4 % beträgt auf einem Lohn von 6000 Franken jeden Monat 25 Franken, dafür steigt die Rente im Alter um rund 200 Franken. Das Parlament könnte aber auch andere Wege gehen und zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögenssteuer von wenigen Promille einführen. Das Geld ist da in der reichen Schweiz. Ein würdiges Leben für alle Rentnerinnen und Rentner muss es uns wert sein.
Contra
Nein zu diesem unfairen Rentenausbau
Auf den ersten Blick tönt diese Initiative verlockend. Die Annahme hätte jedoch massive finanzielle Auswirkungen, vor allem für die erwerbstätige Bevölkerung mit tiefen und mittleren Einkommen.
Was verlangt diese Initiative
Die Initianten wollen, dass alle Pensionierten statt 12 neu 13 AHV-Renten pro Jahr erhalten, was einer Erhöhung der AHV-Rente um 8,3 % entspricht. Die zusätzliche Rente sollen alle Pensionierten erhalten, auch jene, die nicht darauf angewiesen sind. Und das, obwohl die Rente regelmässig an die Teuerung angeglichen wird, letztmals im Jahr 2023. So sollen selbst Millionäre eine 13. AHV-Rente erhalten!
Obwohl alle Pensionierten mehr finanzielle Mittel erhalten sollen, darf die 13. AHV-Rente gemäss Initiativtext in der Berechnung zum Bezug von Ergänzungsleistungen nicht mitberücksichtigt werden. Dadurch würden Ergänzungsleitungen an Pensionierte ausgerichtet, die gar nicht mehr darauf angewiesen sind.
Finanzierung nicht geklärt
Der grosse Haken an der Sache ist, dass die Initianten keine Vorschläge machen, wie die 13. AHV-Rente finanziert werden soll; das ist verantwortungslos.
Heute wird die AHV über die Lohnabzüge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, über die Mehrwertsteuer und über die Bundeskasse – also mit Steuergeldern in Höhe von 10 Milliarden Franken pro Jahr – finanziert.
Als die AHV im Jahr 1948 eingeführt wurde, finanzierten 6.3 Berufstätige einen Pensionierten; bis 2035 sind es noch 2.4 Berufstätige. Aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Überalterung steigen die jährlichen Kosten stetig, die vom Steuerzahler getragen werden müssen. Die AHV ist aktuell nur bis ins Jahr 2030 gesichert; danach beträgt das errechnete Defizit rund 3 Milliarden Franken pro Jahr, auch ohne eine 13. AHV-Rente. Ob die nachfolgenden Generationen noch in den Genuss einer Altersrente kommen werden, ist angesichts dieser Zahlen fraglich.
Weitreichende Folgen bei einer Annahme
Die Annahme dieser Initiative hätte jährliche Zusatzkosten von über 4 Milliarden Franken zur Folge. Diese Kosten würden Jahr für Jahr ansteigen, da die Zahl der Pensionierten stark wächst.
Um die 13. AHV-Rente zu finanzieren, müssten gemäss Berechnungen des Bundes die Lohnabzüge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber um 0,7 % oder die Mehrwertsteuer um 1 % und die Bezüge aus der Bundeskasse um eine Milliarde Franken jährlich erhöht werden.
Zahlen müsste die 13. AHV-Rente die arbeitstätige Bevölkerung. Die heutige Situation mit den erdrückenden Lebenshaltungskosten würde sich weiter verschärfen durch weniger Lohn und durch Steuererhöhungen.
Die Altersarmut beträgt aktuell 2,9%, unter Berücksichtigung des Vermögens. Bedürftige können Ergänzungsleistungen beantragen, damit sie ihre Existenz sichern können. Zum Vergleich: Die Armutsquote der 18- bis 65-Jährigen beträgt aktuell 5,5 %.
Mit den Ergänzungsleistungen haben wir seit 1966 ein bewährtes Instrument, mit welchem Bedürftige gezielt finanziell unterstützt werden können. Daher Nein zu diesem unfairen Rentenausbau für alle Pensionierten.
«Für ein besseres Leben im Alter»
Die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» verlangt, dass alle Rentnerinnen und Rentner Anspruch auf eine 13. AHV-Rente haben. Sie wurde vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund im Mai 2021 eingereicht. Die maximale jährliche Altersrente würde für Einzelpersonen um 2450 auf 31 850 Franken und für Ehepaare um 3675 auf 47 775 Franken steigen. Die Initiative bestimmt auch, dass wegen der 13. Rente die Ergänzungsleistungen nicht gekürzt werden dürfen. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative. Sie sehen finanziell keinen Spielraum für eine zusätzliche 13. AHV-Altersrente. (nfz)