Soll der Eigenmietwert abgeschafft werden?
06.09.2025 FokusAbstimmung am 28. September über Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften
PRO - Jetzt oder nie – Die Chance zur Abschaffung des Eigenmietwerts
Daniele Mezzi, Grossrat die Mitte, Laufenburg
Am 28. September 2025 haben wir als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die historische Gelegenheit, ein überfälliges Kapitel in der Schweizer Steuerpolitik zu schliessen: die Abschaffung des Eigenmietwerts. Diese Steuer auf selbstgenutztes Wohneigentum ist international nicht weit verbreitet und belastet insbesondere Rentner, junge Familien und Erstkäufer. Ein Nein zur Vorlage bedeutet, dass dieses Thema für die nächsten Generationen weiterhin auf der politischen Agenda bleibt. Ein Ja hingegen schafft Klarheit und beendet eine jahrzehntelange Diskussion.
Ein System, das nicht mehr zeitgemäss ist
Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das Hausbesitzer versteuern müssen, obwohl sie keine Mieteinnahmen erzielen. Im Gegenzug können sie Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten abziehen. Dieses System ist komplex, intransparent und führt zu Ungerechtigkeiten. Besonders Rentner mit abbezahlten Liegenschaften werden überproportional belastet, da sie keine Schuldzinsen mehr abziehen können, aber weiterhin den Eigenmietwert versteuern müssen. Das führt zu einer hohen Steuerlast auf ein Einkommen, das sie nie erzielt haben. Gleichzeitig ist die Rente oft nicht sehr hoch, mit der sie die dann sehr realen Steuern bezahlen müssen.
Die Abschaffung des Eigenmietwerts schafft eine gerechtere Besteuerung. Mieter zahlen ihre Miete aus versteuertem Einkommen, Eigentümer zahlen die Kosten ihres Eigentums (Unterhalt, Zinsen, Versicherungen usw.) ebenfalls aus versteuertem Einkommen. Warum sollten Letztere zusätzlich Steuern auf ein fiktives Einkommen zahlen? Diese Ungleichbehandlung wird durch die Abschaffung des Eigenmietwerts beseitigt. Zudem wird das Steuersystem vereinfacht, da weniger Belege eingereicht und weniger Kontrollen durchgeführt werden müssen.
Entlastung für die Mittelschicht
Die Reform entlastet insbesondere die Mittelschicht. Junge Familien, Erstkäufer und Rentner profitieren direkt von der Abschaffung des Eigenmietwerts. Sie müssen weniger Steuern zahlen und können ihr Geld sinnvoller einsetzen, beispielsweise für die Altersvorsorge oder für Investitionen in die energetische Sanierung ihrer Liegenschaften.
Die Vorlage zur Abschaffung des Eigenmietwerts wurde nach jahrelanger Diskussion im Parlament verabschiedet. Nun liegt es an uns als Stimmbürger, diese Reform umzusetzen. Kommt es am 28. September zu einem Nein, wird die Abschaffung für Jahre vom Tisch sein. Es ist daher entscheidend, dass wir diese Chance ergreifen und ein klares Signal für eine gerechtere und zeitgemässe Steuerpolitik setzen.
Fazit
Die Abschaffung des Eigenmietwerts ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie beseitigt eine ungerechte Steuer, vereinfacht das Steuersystem und entlastet die Mittelschicht. Nutzen wir die Gelegenheit, dieses Thema endgültig vom Tisch zu bekommen und ein Zeichen für die Zukunft zu setzen. Ein Ja zur Abschaffung des Eigenmietwerts ist ein Ja zu mehr Gerechtigkeit, Klarheit und Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger des Kantons Aargau.
CONTRA - Ein Problem und dessen Abschaffung ist keine Lösung
Claudia Rohrer, Grossrätin SP, Rheinfelden
Der Eigenmietwert ist ein Instrument unseres Steuerrechts, um das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit umzusetzen. Dieses Prinzip verlangt, dass jede steuerpflichtige Person gemäss ihrer wirtschaftlichen Stärke belastet wird.
Eigentümerinnen und Eigentümer von selbst genutztem Wohneigentum profitieren gegenüber Mieterinnen und Mietern: Ihre Wohnkosten sind tiefer, da sie lediglich die sogenannten Kostenmieten tragen. Im Gegensatz dazu zahlen Mieterinnen und Mieter zusätzlich eine Rendite. Zwar entrichten Eigentümerinnen und Eigentümer ebenfalls Vermögenssteuern, doch diese bemisst sich am amtlichen Wert der Immobilie und dieser liegt meist deutlich unter dem Marktwert. Dieser Vorteil ist nur gerechtfertigt, solange der Eigenmietwert besteuert wird.
Der Eigenmietwert als zu versteuerndes, fiktives Einkommen ist unbefriedigend, weil dieses Einkommen real nicht zur Verfügung steht. Doch der vollständige Verzicht auf den Eigenmietwert würde zu gravierenden Ungleichgewichten führen. Bund, Kantone und Gemeinden verlören beträchtliche Steuereinnahmen. Wenn Ausgaben nicht mehr gedeckt werden können, resultieren entweder höhere Schulden mit steigenden Zinslasten oder Steuererhöhungen. Und die treffen alle.
Ein aktuelles Beispiel zeichnet sich im Kanton Aargau ab: Dort fordert die rechtskonservative Parlamentsmehrheit angesichts des budgetierten Defizits drastische Ausgabenkürzungen. Besonders im Fokus dürften gemäss einzelnen Parlamentariern wohl die Ausgaben im Bereich Kultur, Bildung und möglicherweise auch im Bereich Gesundheit stehen. Geringere staatliche Mittel bedeuten für die Bevölkerung höhere Eintrittspreise bei Kulturveranstaltungen, weniger Unterstützung bei Prämienverbilligungen oder reduzierte Angebote in Bildung und Betreuung. Davon sind alle betroffen.
Selbst der Hauseigentümerverband geht davon aus, dass die neue Regelung nicht allen Immobilienbesitzenden zugutekommt. Insbesondere bei Liegenschaften mit aufgeschobenen Sanierungen hat der Systemwechsel kaum Vorteile.
Während ein Teil der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer durch den Wegfall des Eigenmietwerts steuerlich entlastet würde, tragen alle anderen die Folgekosten ohne jeglichen Ausgleich. Der Eigenmietwert ist nicht perfekt. Aber seine Abschaffung wäre schlicht unfair, weil damit Privilegien für eine Minderheit geschaffen und die Kosten auf die Mehrheit abgewälzt werden. Dies widerspricht nicht nur dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, sondern würde am Ende alle belasten: Eigentümer, Mieterinnen und die öffentliche Hand.
Das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit muss gerade für den unteren Mittelstand stärker umgesetzt werden. Dieser verfügt weniger oft über Wohneigentum und trägt die höchsten Lasten, indem kaum Anspruch auf Verbilligungen besteht.
Deshalb sage ich Nein zur Vorlage. Die Lösung muss ausgeglichener sein.
Darum geht es bei der Abstimmung
Wer eine Liegenschaft besitzt und diese selbst nutzt, muss den sogenannten Eigenmietwert als Einkommen versteuern. Im Gegenzug können Schuldzinsen und die Kosten für den Unterhalt vom Einkommen abgezogen werden. Das Parlament hat eine Gesetzesänderung verabschiedet, die die Besteuerung des Eigenmietwerts abschafft und die Abzugsmöglichkeiten einschränkt. Das gilt für Erst- und Zweitliegenschaften. Gleichzeitig hat es eine Verfassungsänderung beschlossen, die es den Kantonen erlaubt, eine besondere Liegenschaftssteuer auf überwiegend selbstgenutzten Zweitliegenschaften einzuführen. Weil Verfassungsänderungen von Volk und Ständen angenommen werden müssen, kommt es zu einer Abstimmung über diese besondere Liegenschaftssteuer. Da die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung mit der Verfassungsänderung rechtlich verknüpft ist, entscheidet die Abstimmung über die ganze Reform: Wird die besondere Liegenschaftssteuer abgelehnt, so bleibt die Besteuerung des Eigenmietwerts bestehen. (mgt/nfz)