Sie singen «Aida» und hören vom Krieg
20.10.2023 FrickFricker Projektchor singt, Dieter Wagner dirigiert
Am Sonntag ist es soweit: Giuseppe Verdis Monumental-Oper Aida wird aufgeführt; gesungen vom Projektchor SMW aus Frick und dem Singkreis Wohlen (Bern), verstärkt durch Profis der Mailänder Scala und begleitet vom ...
Fricker Projektchor singt, Dieter Wagner dirigiert
Am Sonntag ist es soweit: Giuseppe Verdis Monumental-Oper Aida wird aufgeführt; gesungen vom Projektchor SMW aus Frick und dem Singkreis Wohlen (Bern), verstärkt durch Profis der Mailänder Scala und begleitet vom Symphonieorchester aus Novara. Dieter Wagner sagt: «Wir sind bereit.» Er hat gerade ganz andere Sorgen gehabt.
Simone Rufli
«Es ist die erste Oper, die in der Alten Reithalle in Aarau stattfindet und sie ist gleich eine organisatorische Herausforderung.» Dieter Wagner blättert in der Partitur und lacht. Herzlich und befreit. «Es wird schon alles klappen», sagt er und meint die knifflige Konstellation. Zwei Chöre, der eine hier in Frick, der andere in Wohlen bei Bern – wegen der räumlichen Distanz proben sie jeder für sich – Solistinnen und Solisten der Mailänder Scala, das Orchestra Sinfonica Carlo Coccia di Novara. «Die Italiener sind alle Profis. Für sie gehört Aida zum Repertoire wie für uns das Weihnachtsoratorium.» Zusammen proben? «Nicht nötig! Es reicht, wenn Alle zwei Tage vor der ersten Aufführung zusammenkommen.»
Das sagte Wagner am Donnerstag vor einer Woche. Am Dienstag reiste er nach Novara, traf Solisten und Orchester. Heute Freitag kommen alle in Bern zusammen, dort, wo am Sonntag im Casino die erste von insgesamt drei Aufführungen über die Bühne geht. Schauplatz der anderen beiden Aufführungen (28./29. Oktober) ist die Alte Reithalle in Aarau.
Vor zwei Jahren fand das erste Konzert nach dem Umbau statt. Jetzt also Giuseppe Verdis Oper Aida. Wie ist die Alte Reithalle als Konzertsaal? «Perfekt! Für Aida braucht es einen Raum, der gross genug ist. Die Alte Reithalle bietet diesen Platz.» Wagner schmunzelt: «Gut, wir haben ein bisschen umdisponiert.» 130 Chorsängerinnen und -sänger, acht Solistinnen und Solisten, das Symphonie-Orchester – alle zusammen passen nicht auf die Bühne. «Wir haben eine gute Lösung gefunden. Das Orchester sitzt für einmal unten auf der Zuschauerebene. Dass dadurch weniger Zuschauer Platz finden, kompensieren wir mit einer zweiten Aufführung». Das Leben kann so einfach sein.
Eben noch in Bethlehem
Dass es auch anders geht, hat Dieter Wagner gerade erlebt. Er weilte in Bethlehem, als die Hamas Israel überfiel. «Wir haben am Freitag das letzte Konzert gegeben», er schüttelt den Kopf, «im Rahmen eines Friedensprojekts – am Samstag brach der Krieg aus.» Nur dank der Hilfsbereitschaft und dem organisatorischen Geschick des örtlichen Pfarrers sei es nach Tagen der Ungewissheit gelungen, über Jordanien auszureisen, so Wagner. Fast ungläubig stellt er fest: «Es waren nur zweieinhalb Tage, die wir im Bewusstsein erlebten, dass die Gefahr immer näher kommt. Mir kam es vor wie drei Wochen. So eine Kriegssituation zu erleben, das macht schon etwas mit einem.» Und nachdenklich: «Für mich ist es vorbei. Viele andere sind noch dort und in der Ukraine leben sie seit bald zwei Jahren mit dieser Angst.»
Als Dirigent gefordert
In Frick beginnt an jenem Donnerstagabend vor einer Woche eine der letzten Proben an einem Werk, das auch von kriegerischen Auseinandersetzungen erzählt. «Aber auch von Gnade und Vergebung», betont Dieter Wagner und setzt sich an den Flügel. Beschwingt greift er in die Tasten. Der Chor stimmt ein. Wunderschön. Mit jedem Takt kehrt mehr Leichtigkeit in den Kirchgemeindesaal zurück. Wagner unterbricht, korrigiert, neckt. Es wird gefragt, wiederholt, gelacht. Wagner beschwichtigt, motiviert und beruhigt. «Ich muss auch super vorbereitet sein. Bin ich als Dirigent nicht gut genug, dann nimmt mich das Orchester auseinander.» Der Chor lacht. Dieter Wagner lacht. Herzlich und befreit.
AIDA von Giuseppe Verdi. Konzertante Aufführung. Sonntag, 22. Oktober, 17 Uhr, Casino Bern; Samstag, 28. Oktober, 19 Uhr und Sonntag, 29. Oktober, 17 Uhr in der Alten Reithalle Aarau. Leitung: Dieter Wagner. – Vorverkauf für Aarau: eventfrog.ch, Buchhandlung Letra.