Sie bringt Instrumente in die Ukraine
29.06.2025 PersönlichWie ausgediente Musikinstrumente zu neuem Leben erweckt werden Die Pianistin Halena Simon sammelt Instrumente für die Musikschulen in der Ukraine. Erst im vergangenen Winter hat sie mit dem Umsetzen dieses langjährigen Wunsches begonnen. Nun steht bereits der zweite Transport an.
...Wie ausgediente Musikinstrumente zu neuem Leben erweckt werden Die Pianistin Halena Simon sammelt Instrumente für die Musikschulen in der Ukraine. Erst im vergangenen Winter hat sie mit dem Umsetzen dieses langjährigen Wunsches begonnen. Nun steht bereits der zweite Transport an.
Birgit Schlegel
Rund dreissig Klaviere, unzählige Geigenkästen, Schlaginstrumente inklusive Ständer. Zwischen Gitarrentaschen und Klarinettenkoffern ein verwaistes Banjo und eine etwas ramponierte Wagnertuba. Was Halena Simon in einem Lagerraum im Hanro-Areal in Liestal hortet, ist ein Sammelsurium an Instrumenten aller Art, darunter auch einzelne Trouvaillen, die musikalische Geschichten aus einem anderen Jahrhundert spielen könnten. Allesamt sind sie bereit für den langen Transport in die Ukraine nach Lwiw (Lemberg). Am 30. Juni geht’s los.
Unterricht an der Schule Bözen
Seit 25 Jahren lebt Halena Simon in Basel. Geboren ist sie in einer Musikerfamilie in Lwiw, der Zentrumsstadt der Westukraine. Die Mutter war Chorleiterin, der Vater Posaunist und Direktor der städtischen Musikhochschule. Selbstverständlich also, dass die Tochter mit Geige und Klavier eine musikalisch geprägte Kindheit geniessen durfte und folglich als Jugendliche ein Klavierstudium in Lwiw und anschliessend in Kyjiw begonnen hat. Der erfolgreiche Besuch eines Meisterkurses bei Rudolf Buchbinder, dem hochdekorierten Ausnahmepianisten, sicherte ihr schliesslich einen Studienplatz in seiner Konzertklasse an der Musikakademie Basel. Seitdem ist sie in der Region nicht nur als Pianistin tätig, sondern auch als Organisatorin einer Konzertreihe im Leimental und als Lehrperson für Musik und Bewegung an diversen Primarschulen. Auch im oberen Fricktal hat sie ein Pensum an einer Volksschule inne. Seit rund 10 Jahren unterrichtet sie an der Schule Bözen Musik in der 1. bis 6. Klasse und leitet den Kinderchor. «Für die Kinder bin ich das Tor zur Musik. Ich sehe vor dem Unterricht oft ihre Vorfreude auf das Singen und Tanzen. Dies ihnen zu vermitteln, ist für mich ein Privileg.»
«Klavier gratis abzugeben!»
Immer noch präsent sind die Erinnerungen an die eigene musikalische Ausbildung im Heimatland, an das Üben auf alten sowjetischen Klavieren in schlechtem Zustand und an die ungenügende Infrastruktur in den Musikschulen. Mit Beginn ihrer Lehrtätigkeit ist in ihr der Wunsch entstanden, etwas zur Verbesserung beizutragen. Eine Internetanzeige für ein Gratisklavier im vergangenen Winter hat schliesslich alles ins Rollen gebracht. Nach Erkundigungen beim Zollamt über einen möglichen Instrumententransport folgte ein erster Aufruf für eine Sammelaktion ungebrauchter Instrumente per WhatsApp. Dann ging’s blitzartig! Innert kürzester Zeit wurde Halena Simon überhäuft mit Instrumenten aller Art, ausreichend für einen ersten Transport in die Ukraine. Nun steht bereits der nächste an. Unzählige Instrumentenbauer und Fachgeschäfte für Instrumentenverkauf sowie zahlreiche Blasmusikvereine und Einzelpersonen aus der Nordwestschweiz tragen zur eindrücklichen Sammlung bei und helfen, wo sie können. Unterstützt wird sie auch durch die Christian Medical Association of Ukraine CMA, einem humanitären Hilfswerk mit Sitz in Lwiw, welches das Zollverfahren übernimmt und die Administration sowie die Überführung der Instrumente abwickelt. «Es sind alles Menschen, die an die Sache glauben, mir das Vertrauen schenken und bereit sind, zu helfen.»
In zahlreichen Vorgesprächen klärt die Pianistin die genauen Bedürfnisse der Musikschulen der Region Lwiw ab, um die Instrumente sinnvoll zu verteilen. Der persönliche Kontakt ist ihr dabei sehr wichtig. «Die Ukrainer sind eher vorsichtig, wenn ihnen etwas einfach so geschenkt wird, und meinen oft, dass damit eine Gegenleistung verknüpft ist», so Halena Simon. Die Prominenz ihres inzwischen verstorbenen Vaters Jaroslaw Mosil als Hochschuldirektor ist immer noch Garant für Vertrauen und Ehrlichkeit. Ein riesiges Netzwerk in der ukrainischen Musikerszene hat er ihr hinterlassen, an welches sie nun erfolgreich anknüpfen kann. «Du bist Mosils Tochter? Ja dann!», heisst es oft bei neuen Bekanntschaften, und die anfängliche Skepsis ist gewichen. «Darüber bin ich unendlich dankbar!»
Zu wertvoll für eine Entsorgung
Viele der gesammelten Instrumente sind in schlechtem Zustand, manche sogar unspielbar. Kein Problem, denn das Know-how für Reparaturen ist in Lwiw vorhanden, ebenfalls das nötige Kleinmaterial. Nach der Ankunft wird jedes Teil revidiert und spielbar gemacht. «Ich will hier niemandem etwas wegnehmen. Das ist mir sehr wichtig!», möchte Halena Simon klarstellen. Was jedoch zu teuer ist für eine Revision, aber zu gut für eine Entsorgung wird für die Weitergabe gesammelt. «Ein paar Kratzer an einer Geige oder Dellen in einer Trompete kümmert die ukrainischen Kinder nicht», so die Pianistin. Auch gebrauchte Noten nimmt sie gerne entgegen. Zusätzlich mangelt es an Umzugsdecken und Verpackungsmaterial für den Transport. Die Musik habe von jeher einen hohen Stellenwert in der Ukraine, berichtet die Pianistin. Fast jedes Dorf habe eine Musikschule. «Diese Kultur darf nicht verloren gehen. Sterben die kleinen Schulen aus, wird es keinen Nachwuchs mehr geben. Ich bin überzeugt, dass Musik die grösste Investition in die zukünftige Gesellschaft ist.»
Am 5. Juli wird Halena Simon nach Lwiw reisen und die Instrumente an die jeweiligen Schulen abgeben. Ein weiterer Transport ist vorgesehen, denn sie wird bereits wieder mit Anfragen für Instrumentenabgaben überhäuft. Und immer wieder erhält sie zum Dank Bilder und Videos von Kindern beim Unterricht oder als auftretende Künstler an Konzerten. Wenn sie davon berichtet, wird sie emotional. «Dieser Bub spielt auf einer Hornusser Posaune!», erläutert Halena Simon eine kurze Videosequenz eines Musikschulkonzertes. Bei solchen Nachrichten aus der Ukraine spürt sie die grosse Dankbarkeit der Kinder und weiss dann, dass sie alles richtig gemacht hat. «Ich mache einfach, was ich für richtig halte, und dies im Stillen. Und ich habe das Urvertrauen, dass, wenn ich überzeugt von etwas bin, dann wird es auch klappen!»
Geldspenden für den Transport können auf das Konto «Ukrainer in Basel» mit dem Vermerk «Instrumente für die Ukraine» überwiesen werden.
PostFinance IBAN: CH2809000000617939209
BIC: POFICHBEXXX
Konto: 61-793920-9
Ukrainischer Verein Schweiz,
Ortsgruppe Basel