Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ist ein Mann der Wirtschaft. Zahlen sind sein Mantra, Excel sein Yoga. Kürzlich verkündete er im Fernsehen mit ernster Miene: «Wir haben einen der höchsten Krankenstände in Europa, wir arbeiten 200 Stunden weniger als die ...
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ist ein Mann der Wirtschaft. Zahlen sind sein Mantra, Excel sein Yoga. Kürzlich verkündete er im Fernsehen mit ernster Miene: «Wir haben einen der höchsten Krankenstände in Europa, wir arbeiten 200 Stunden weniger als die Schweizer.» 200 Stunden – das sind über fünf Arbeitswochen. Also in Deutschland, in der Schweiz sind es etwas weniger, weil hier bekanntlich nicht nur die Kühe pünktlich muhen, sondern auch die Menschen länger büezen. Aber wie immer im Leben gilt: Zahlen sind nicht alles, sie verraten nur die halbe Wahrheit.
Woran liegt es also? Vielleicht sind die Deutschen einfach effizienter. Zack, zack, alles erledigt, und um 15.45 Uhr geht’s ab in den Biergarten. Möglich, aber unwahrscheinlich. Wer schon mal mit deutschen Behörden zu tun hatte, wird dies bestätigen. Effizienz ist da nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt.
Vielleicht würden die Deutschen ja eigentlich auch gerne mehr arbeiten, aber die Bahn macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Wenn man jeden Tag 45 Minuten auf Gleis 11 friert, kommt man halt nicht auf Schweizer Arbeitszeiten. In deutschen Zügen und Bahnhöfen vergehen 200 Stunden wie im Flug – nur einfach ohne Flug.
Oder ist es ganz anders: Wahrscheinlich arbeiten unsere Nachbarn gar nicht weniger, sie sind einfach kreativer bei der Abrechnung. Schwarzarbeit ist schliesslich auch Arbeit – nur eben ohne Quittung. Bei dem Steuersystem in Deutschland erscheint dies aus Schweizer Sicht als Akt der Selbstverteidigung. Jetzt bräuchte es nur noch jemanden, der Friedrich Merz das alles schonend beibringt – idealerweise mit PowerPoint, Flipchart und einem Beruhigungstee.
DER SALZSTREUER
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