Roger Fricker in Finnland entdeckt

  30.06.2024 Fricktal

Wenn schon keine Fusion, dann möglichst viel Abstand

Mit dem Nachtzug nach Hamburg, von Travemünde mit der Fähre nach Helsinki, täglich zwischen 350 und 450 Kilometer bis hinauf ans Nordkap – die NFZ erreichte Roger Fricker, Oberhofs Gemeindeammann, in der Nähe des Bergs Koli (347m) in der finnischen Region Nordkarelien. Braucht er Distanz?

Simone Rufli

NFZ: Roger Fricker, Sie haben Oberhof wenige Tage nach der schicksalshaften Fusionsabstimmung vom 9. Juni führungslos zurückgelassen – hat Sie das Fusions-Nein der Nachbar- gemeinde Wölflinswil aus dem Benkental vertrieben?
Roger Fricker:
(lacht schallend) So ist es. Aber ich kann mir das leisten, ich habe einen guten Vizeammann und ein gutes Team und ich bin ja nicht ab der Welt. Wie Sie gemerkt haben, bin ich selbst hier oben im hohen Norden hie und da erreichbar.

Sie sagen, Sie sind in den Ferien. Ich nehme an, Last-Minute gebucht, um möglichst schnell, möglichst weit weg von Wölflinswil zu sein.
Ja natürlich. Möglichst schnell, möglichst weit weg und in eine Gegend, wo ich keinem aus Wölflinswil begegne (lacht herzhaft). Hier kann ich den Kopf durchlüften, um dann mit neuen Ideen und voller Tatendrang zurückzukehren – was immer das für Wölflinswil bedeutet (lacht vielsagend).

Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mit dem Postauto in den Norden gefahren sind?
Selbstverständlich habe ich mir das überlegt. Ich habe mich dann aber doch für den Töff entschieden. Aber vielleicht kann ich das eine mit dem anderen verbinden und wenn wir über Schweden heimfahren, in Göteborg bei Volvo gleich noch einen neuen Bus abholen.

Wenn es nun doch nicht wegen Wölflinswil ist. Warum fahren Sie mit dem Töff so weit weg, wo Sie in Oberhof mit der Benkenpass-Strasse doch eine beliebte Töff-Strecke unmittelbar vor der Haustüre haben?
Ja der Benken, er fehlt mir schon. Hier ist alles flach und wir fahren kilometerlang geradeaus, zum Töff fahren eigentlich stinklangweilig und wenn dann mal eine Kurve kommt, dann schreiben die Finnen das erst noch weit vor der Kurve an (lacht). Aber die Landschaft ist halt wunderschön.

Gibt es auf dem Weg ans Nordkap eigentlich auch Tempo-30-Zonen?
Bis jetzt haben wir noch keine angetroffen. Aber 40er- und 20er-Zonen gibt es tatsächlich – allerdings nur auf ganz schmalen Nebensträsschen direkt dem Quai entlang – nicht auf Durchgangsstrassen wie zum Fricker Bahnhof (lacht).

Im Übrigen gilt hier ausserorts überall 100 km/h und die Lastwagen sind 70-Tönner mit bis zu neun Achsen. Die Strassen sind so gut gebaut, dass sie das aushalten und gefährlich ist es auch nicht. Weil viel weniger Menschen unterwegs sind als auf unseren Strassen, die Leute nicht diesem Dichtestress ausgesetzt sind, nehmen alle Verkehrsteilnehmer Rücksicht aufeinander – wenn man denn überhaupt anderen begegnet. Es gab schon Morgen, da trafen wir bis zum Mittag keine Menschenseele an. Was nicht so ideal ist, wenn man eine Panne hat; mir ist aufgefallen, dass es selbst bei grösseren Ortschaften sehr wenige Garagen hat.

Was fasziniert Sie am Norden?
Dass ich hier noch auf keine Wöflinswiler gestossen bin (lacht augenzwinkernd). Nein Spass beiseite. Mein Vater hat in den 1950er Jahren als Schreiner in Schweden gearbeitet. Zur Hochzeit seines Bruders kam er zurück nach Oberhof, kehrte danach aber wieder zurück nach Schweden und fuhr mit seinem Töff durch Schweden bis hinauf ans Nordkap; dabei hat er ein Tagebuch geführt. Ich habe schon lange davon geträumt, diese Reise ans Nordkap auch einmal zu machen. Aber mit vier Kindern, Politik, früher noch mit Hund, Bienen und Schafen, hat es sich bisher einfach nicht ergeben. Jetzt haben wir Zeit und geniessen es – das erste Mal nach 1996 wieder drei Wochen Ferien am Stück!

Genau gleich wie in den 50er-Jahren ist es natürlich nicht. Als mein Vater diese Reise machte, gab es kein Navi, die Strassen waren noch nicht geteert und sein Töff war auch nicht zu vergleichen mit meinem heute.

Eine letzte Frage: Wenn Sie heimkehren – fahren Sie über Wölflinswil nach Oberhof oder umfahren Sie das Gebiet weiträumig und kommen über den Benken heim?
(Lacht lange) Ich werde durch Wölf linswil fahren, laut hupend damit alle wissen: Der Fricker ist wieder da!


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