Mettau: Regierung verlangt Rückbau trotz erteilter Baubewilligung
05.12.2023 Brennpunkt, MettauertalIn Mettau sollte ein Terrassenhaus mit fünf Wohnungen entstehen. Der Gemeinderat Mettauertal erteilte 2022 die Baubewilligung. Die Bauarbeiten haben begonnen. Jetzt erklärt der Regierungsrat die Baubewilligung für nichtig und fordert einen Rückbau.
Bernadette ...
In Mettau sollte ein Terrassenhaus mit fünf Wohnungen entstehen. Der Gemeinderat Mettauertal erteilte 2022 die Baubewilligung. Die Bauarbeiten haben begonnen. Jetzt erklärt der Regierungsrat die Baubewilligung für nichtig und fordert einen Rückbau.
Bernadette Zaniolo
«Wir stehen vor einem Scherbenhaufen», sagt Investor Lorenz Stocker im Gespräch mit der NFZ. Zusammen mit seiner Partnerin Praveena Selvarajah plante er im oberen Räbächerli in Mettau, einem Ortsteil der Gemeinde Mettauertal, ein Terrassenhaus mit fünf Wohnungen zu bauen. Die entsprechende Baubewilligung erteilte der Gemeinderat Mettauertal im Oktober 2022. Der Bau wurde in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde seit 2018 geplant. Noch im letzten Winter fuhr der Bagger für den Aushub auf. Um die nötige Hangsicherung zu gewährleisten, musste der Bauherr eine hohe Stützmauer bauen. Dann die Hiobsbotschaft: Die Gemeinde wurde vom Kanton aufgefordert, einen Baustopp zu verfügen. Dieser erfolgte am 1. Juni 2023. Wie die Abteilung Baubewilligungen in der Abweisung des Baugesuchs festhält, sei nach Beginn der Aushubarbeiten festgestellt worden, «dass die Baugrube erheblich in die Landwirtschaftszone hineinragt.» Und dort befindet sich eine Trockenwiese, die im Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung (TWW) aufgelistet ist. «Der nun erfolgte Entscheid des Regierungsrates bedeutet, dass unser Baugesuch nichtig ist und der Hang und die Wiese in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden müssen. Ja, es kommt quasi einer Zwangs-Enteignung gleich», so Lorenz Stocker.
«Hier werden Existenzen kaputt gemacht»
Logisch, dass er nun Schadenersatz von der Gemeinde fordert. «Wir haben bereits weit über eine Million Franken in den Hang investiert. Die Planung des Projekts alleine kostete über 300 000 Franken», so der private Investor. Und wie er weiter sagt, seien drei der insgesamt fünf geplanten Wohnungen schon verkauft. Der Bezug war für Herbst 2024 vorgesehen. «Uns wurde massiv Unrecht angetan. Hier werden Existenzen kaputt gemacht.» Lorenz Stocker fragt sich, wie es zu diesem Chaos kommen konnte. Denn die letzte rechtskräftige Bauzonenplan-Revision erfolgte 2014 sowie 2018 (vom Regierungsrat abgesegnet). Laut Lorenz Stocker ist weder auf dem Geoportal, noch im Bauzonenplan eine Trockenwiese in diesem Gebiet ausgewiesen gewesen.
«Wo bleibt da die Rechtssicherheit?» Brisant ist auch seine Aussage, dass diese «Schutzzone» sehr gross sei (er schätzt 30 000 bis 40 000 Quadratmeter) «und mehrere Grundstücke betrifft»; seine Parzelle hat 1340 Quadratmeter. Auf Agis ist diese Schutzzone nun (Mitteilung vom Kanton vom 6. Juni 2023) ersichtlich. «Es sind mehrere Häuser in der gelben Zone sowie der ganze Hang in der roten Zone», hält Lorenz Stocker fest. Den Fall ins Rollen gebracht hat gemäss Stocker eine Subventionszahlung.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie konnte das passieren und wer haftet für den Schaden? Die NFZ hat bei der Gemeinde Mettauertal nachgefragt.
«Dies ist ein unerlaubter Eingriff»
Mettau: Bund ändert alles mit einem Federstrich
Der Bund überlagert eine Bauzone – im Gebiet Räbächerli im Ortsteil Mettau der Gemeinde Mettauertal – mit einer Schutzzone und richtet damit ein Schlamassel an. Gemeindepräsident Christian Kramer spricht dem Bund die Legitimität ab.
Bernadette Zaniolo
«Ja, wir haben Probleme, so grosse, dass ich an der Gemeindeversammlung vom 15. November die Bevölkerung informierte», bestätigt Gemeindepräsident Christian Kramer auf Anfrage. Etwa im Jahr 2010 hat der Bund TWW-Flächen (Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung) ausgeschieden. «Dass solche erhaltenswerten Flächen geschützt werden, stört mich nicht. Wie der Bund aber dazu kommt, rechtsgültig bestehende Bauzonen mit einer Schutzzone zu überlagern, ist mir schleierhaft. Weder Bund noch Kanton haben die Eigentümer und die Gemeinde darüber informiert und folglich gab es auch keine Mitsprache und Mitwirkung durch diese», hält der Gemeindepräsident fest.
Diese elementaren Rechte, wie die Mitsprache und Mitwirkung, wären möglich gewesen. Denn die fusionierte Gemeinde Mettauertal verabschiedete 2014 die Gesamtrevision der BNO und im Jahr 2018 fand eine Teilrevision statt. «Bei beiden Revisionen kam kein Wort zu diesen TWW-Flächen, sie blieben also Eigentümern und Gemeinde unbekannt. Und selbst als wir dieses Jahr eher zufällig erstmals von diesen TWW-Flächen hörten, änderte das nichts an der Ansicht, dass wir über einen rechtsgültigen Zonenplan verfügen.» Denn dieser sei in einem demokratischen Prozess entstanden (Mitsprache und Mitwirkung der Bevölkerung, ausgearbeitet durch ein Ingenieurbüro, gutgeheissen durch Gemeindeversammlungsbeschluss sowie durch einen Stempel des Kantons Aargau) und müsse folglich rechtsgültig sein. «Sonst verfügen wir über keine Rechtssicherheit und ich müsste alles, was von übergeordneter Stelle kommt, anzweifeln», so der Gemeindepräsident weiter.
Kommt dazu, dass in Mettau mindestens seit 1997 diese Bauzone bestanden hat. «Ich spreche dem Bund daher die Legitimität ab, in der Bauzone mittels Federstrich eine Schutzzone zu überlagern. Ohne Rechtsmittel durch die betroffenen Eigentümer ist es nach meinem Verständnis ein unerlaubter Eingriff in das verfassungsmässig garantierte Recht auf Eigentum.»
Finanzielle Auswirkungen sind noch nicht abschätzbar
Der Gemeinderat erhielt nach dem Baustopp eine kantonale Weisung, dass bei allen betroffenen Parzellen mit TWW im Baugebiet, allfällige Baugesuche der kantonalen Stelle zuzustellen sind. Gemäss Christian Kramer seien die betroffenen Eigentümer durch die Gemeinde darüber informiert worden. Die finanziellen Auswirkungen für die Gemeinde sind noch nicht abschätzbar, aktuell beschränken sie sich auf den juristischen Beistand.
«Natürlich ist die Gemeinde für die Bauherrschaft die verfügende Instanz und es ist möglich, dass Forderungen gegenüber der Gemeinde eingehen. Diese würden wir nach dem Verursacherprinzip weiterreichen, bis sie dort ankommen, wo mittels Federstrich das Schlamassel anfing», hält Kramer gegenüber der NFZ fest. Und: «Ich bedaure die ganze Situation für die Bauherrschaft. Jeder, der sich in ihre Lage versetzt, wird für ihren Unmut Verständnis zeigen.»