«Nur gemeinsam und im Konsens sind wir stark»
06.09.2024 PersönlichNachdem Robert Reimann bis Mitte letzten Jahres 30 Jahre lang für die Jakob Müller AG – ab 2014 als CEO der Jakob Müller Group – tätig war, verschwand er vorübergehend von der Bildfläche. Seit Anfang 2024 leitet er die Jehle-Gruppe in Etzgen. Bei ...
Nachdem Robert Reimann bis Mitte letzten Jahres 30 Jahre lang für die Jakob Müller AG – ab 2014 als CEO der Jakob Müller Group – tätig war, verschwand er vorübergehend von der Bildfläche. Seit Anfang 2024 leitet er die Jehle-Gruppe in Etzgen. Bei einer Betriebsbesichtigung bot sich Gelegenheit für ein paar Fragen.
Interview: Regula Laux
NFZ: Herr Reimann, seit Anfang 2024 sind Sie Geschäftsleiter der Jehle-Gruppe in Etzgen. «Ihr Spezialist für Werkzeugbau und Formenbau» heisst es im Internet. Erfasst der Slogan alle Arbeiten?
Robert Reimann: Der Slogan umfasst die Kernkompetenzen. Neben dem Verkauf, der Entwicklung und dem Unterhalt von Werkzeugen und Formen, sind wir auch als zuverlässiger und zertifizierter Teilezulieferer im Markt etabliert. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, haben wir eine grosse Anzahl weiterer Fertigungskompetenzen im Haus. Unsere Homepage gibt dazu einen umfassenden Überblick.
Als Sie Mitte 2023 die Jakob Müller AG verliessen, wussten Sie da schon, dass wir Sie heute hier in der Jehle-Gruppe wiederfinden?
(lacht). Nein, das wusste ich nicht. Ich habe mir nach meiner Kündigung bei der Jakob Müller AG eine Auszeit von sechs Monaten genommen und mich bewusst nicht um beruf liche Fragen gekümmert, sondern mich voll auf die Familie konzentriert. Meine beiden Töchter sind 17 und 18 Jahre alt und mussten in ihrer Kindheit oft auf mich verzichten. Da hatten wir einiges nachzuholen.
Sie sind von der Textilindustrie in die Metall- und Kunststoffentwicklung bzw. -verarbeitung gewechselt – was war ausschlaggebend für diesen Schritt?
Ich habe 30 interessante Jahre bei der Müller AG verbracht und blicke gerne auf diese Zeit zurück. Allgemein bin ich der Meinung, dass, wenn man die Stellung im Markt mit guten Produkten hält, auch die Chancen für eine positive Weiterentwicklung gegeben sind. Lasse ich mich aber auf einen Preiskampf ein, dann wird es brutal hart. Bei Müller ging es, auch aufgrund der asiatischen Konkurrenz, immer mehr in Richtung Verteidigungs- bzw. Preiskampf. Bei der Jehle-Gruppe sehe ich positive Perspektiven, den Marktanteil dank unserem «Knowhow» weiter auszubauen.
Auch die Jehle-Gruppe ist international tätig – wo liegt der Unterschied?
Mit Ulrich und Raphael Jehle handelt es sich um einen hundertprozentigen Familienbetrieb mit kurzen und enorm schnellen Entscheidungswegen. Sowohl Ulrich als auch Raphael sind sehr offen gegenüber Vorschlägen und Änderungen. Und ich hatte das Glück, dass ich eine sehr gute Basis übernehmen konnte.
Wie kann man sich konkret die Zusammenarbeit in der Firmenleitung vorstellen?
Wie gesagt, wir arbeiten sehr eng zusammen, Raphael und Ulrich im Verwaltungsrat, ich als Geschäftsführer. Raphael kümmert sich um diverse Projekte wie zum Beispiel alle Nachhaltigkeitsthemen und die langfristige Firmenstrategie. Bei mir liegt die operative Führung der Jehle-Gruppe. Das klappt wunderbar.
In den letzten Jahren ist viel passiert bei der Jehle-Gruppe. Heute umfasst der Betrieb 20 000 Quadratmeter und beschäftigt rund 170 Mitarbeitende. In welche Richtung soll es unter Ihrer Leitung weitergehen?
Wir wollen weiterwachsen, aber nur sehr gezielt und vermehrt in unseren Spezialgebieten. Dafür werden wir versuchen, noch weitere Märkte, welche heute nicht bearbeitet werden, zu gewinnen. Im Bereich der Hybridteile und Montagebaugruppen sehen wir ebenfalls interessante Möglichkeiten. Aber auch eine Akquisition ist denkbar, wenn das Produktportfolio zu uns passt.
Welche Auswirkungen haben politische und/oder wirtschaftliche Entwicklungen – auch internationale – auf die Jehle-Gruppe? Also zum Beispiel die bevorstehenden Wahlen in den USA?
Unser Produktionsanteil bei grossen Marken im Automobilbereich, bei Haushalts- und Küchengeräten beträgt oft nur ein bis zwei Prozent des Marktes. Im Gesamtmarktvolumen eine sehr kleine Menge, für uns ein grosser Auftrag. Und ja, natürlich sind da wirtschaftliche oder politische Entwicklungen für uns matchentscheidend. Wir müssen bei unseren Projekten sehr wachsam sein und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen. Ich spreche beispielsweise von Währungsauswirkungen, Zöllen, aber auch von nationalen Entscheidungen wie dem EU-Rahmenabkommen.
Sie sprechen immer wieder von Projekten, was hat es damit auf sich?
In unserem Bereich kann man jeden Auftrag als Projekt bezeichnen, das wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden aufgleisen. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Projektes beträgt 10 Jahre, bei einigen durch uns belieferte Firmen bis zu 25 Jahre. Da ist es ein einfaches Rechenexempel: Wenn wir jedes Jahr zehn Prozent neue Projekte haben, ist die weitere Produktion sichergestellt und wir sind stabil unterwegs. Und wenn sich die allgemeine wirtschaftliche Lage normalisiert, werden wir ein Wachstum verzeichnen.
Welchen Stellenwert nehmen bei der Jehle-Gruppe die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz ein?
Wir müssen bzw. man muss in der heutigen Zeit mit der neuen Technologie gehen, sonst hat man keine Chance im Markt und wird schnell abgehängt. Gerade aktuell starten wir ein KI-Projekt im Bereich Finanzen. In der Produktion setzen wir die KI bereits zur Qualitätskontrolle ein.
Was heisst das konkret und geht der Einsatz von künstlicher Intelligenz auf Kosten von Arbeitsplätzen?
Nein, sicher nicht. Wenn man künstliche Intelligenz in der Automatisierung einsetzt, muss man diese anlernen, damit die Lernkurven immer besser werden. Die Mitarbeitenden, die wir durch die Automatisierung einzelner Prozesse einsparen, können wir gut in anderen Bereichen einsetzen. So geht uns das Knowhow nicht verloren. Grundsätzlich haben wir es eher mit einem Arbeitskräftemangel zu tun. Auch im Lehrstellenbereich würden wir sehr gern noch mehr Bewerbungen entgegennehmen.
Was nehmen Sie mit in die Jehle-Gruppe aus Ihrer 30-jährigen Zeit beim ehemaligen Arbeitgeber?
Privat: Dass ich nicht in die gleichen Fallen tappe wie früher, und mir bewusst mehr Zeit für die Familie nehme. Und in der Firma: Dass wir eine klare Strategie entwickeln und verfolgen und ich meinen Führungsgrundsatz weiterlebe – «Nur gemeinsam und im Konsens sind wir stark».