Nicht geizen mit den Reizen
28.05.2024 Wirtschaft, MöhlinMan will sie, doch wie bekommt man sie – Unternehmungen mit hoher Wertschöpfung? Fricktal Regio erhält eine Anleitung zum Bezirzen: den «Leitfaden Standortförderung».
Ronny Wittenwiler
Thema des Regionalplanungsverbands ...
Man will sie, doch wie bekommt man sie – Unternehmungen mit hoher Wertschöpfung? Fricktal Regio erhält eine Anleitung zum Bezirzen: den «Leitfaden Standortförderung».
Ronny Wittenwiler
Thema des Regionalplanungsverbands Fricktal Regio an seiner Fricktalkonferenz vergangenen Freitagnachmittag: «Standortförderung in den Gemeinden». Es wurde diskutiert über Rezepte und Ingredienzien für eine wirtschaftlich f lorierende Region. Doch vorneweg: Das Fricktal ist im Kanton eine Musterschülerin in diesem Fach. Das machte Franco Mazzi, Rheinfelder Stadtammann und Vizepräsident von Fricktal Regio, deutlich. Die Entwicklung habe in der letzten Dekade steil nach oben gezeigt, von 2013 bis 2023 seien rund 4400 zusätzliche Arbeitsplätze im Fricktal entstanden. Und: «dreissig Prozent der nicht bebauten Aargauer Arbeitszonenreserven befinden sich im Fricktal. Wenn wir diese Reserven gescheit nutzen, bieten sie ein riesiges Entwicklungspotenzial.»
Ein Werkzeugkasten fürs Fricktal
Gescheit nutzen, aber wie? Für Mazzi ist klar: Das Fricktal braucht eine Standortförderung, um diese «fantastische Ausgangslage» auch zu nutzen. Da kommt ein «Leitfaden Wirtschaftsförderung» gerade zum richtigen Zeitpunkt: Auf Anregung von Fricktal Regio hat die Kantonale Standortförderung (Departement Volkswirtschaft und Inneres) einen solchen entwickelt. Vorgestellt haben das Papier Carina Steiner und Raphael Graser von ebenjener Standortförderung des Kantons. Es soll eine Art Werkzeugkasten für die Regionen und ihre jeweiligen Gemeinden sein. Dass gerade unter diesen Gemeinden grosse Unterschiede herrschen in den jeweiligen Möglichkeiten, liegt auf der Hand. «Achtzig Prozent aller Arbeitsplätze im Fricktal sind verteilt auf zehn Gemeinden», erklärte Franco Mazzi. Sie werden definiert als Gemeinden mit sogenanntem Entwicklungsschwerpunkt (ESP), namentlich sind das Rheinfelden, Möhlin, Kaiseraugst, Sisseln, Münchwilen, Stein, Eiken, Frick, Kaisten und Laufenburg. In diesen Gemeinden befindet sich zudem der Mammut-Anteil aller unbebauten Arbeitsf lächen im Fricktal (über neunzig Prozent). Doch biete sich selbst in den kleineren Gemeinden Spielraum für eine Standortförderung. Der Tenor hierzu vonseiten des Kantons: Auch in Gemeinden, die primär auf das Wohnen ausgerichtet sind, lohnt es sich dafür zu sorgen, dass sich Betriebe «wohlfühlen» und entwickeln können. Es gehe darum, generell eine wirtschaftsfreundliche Atmosphäre zu schaffen. Zudem seien auch für ansässige Betriebe günstige Voraussetzungen für bauliche Veränderungen oder Erweiterungen wichtig. Und: Jeder Betrieb habe spezifische Bedürfnisse im Verkehrsbereich – zum Beispiel Parkplätze, Zufahrt für LKW – und oft auch bei der weiteren Versorgungsinfrastruktur, zum Beispiel Tarifstruktur, Ökologie. Inhaltlich fusst der Leitfaden für Gemeinden entsprechend auf den drei Handlungsfeldern «Wirtschaft», «Bauen», «Verkehr».
Noch ist er ein Papier. Doch unter dem Aspekt wirtschaftlicher Attraktivität gesprochen: Man will künftig nicht geizen mit den Reizen. Das Fricktal dient übrigens als Pilotregion für diesen Leitfaden, der an der Fricktalkonferenz erstmals überhaupt präsentiert wurde. Er soll ab Sommer den Gemeinden zur Verfügung stehen, so Raphael Graser.
«Auch der Wohlstand kleinerer Dörfer hängt davon ab»
Vizepräsident des Regionalplanungsverbands über die Chancen der Standortförderung
Standortförderung war das grosse Thema an der Konferenz des Planungsverbands Fricktal Regio. Für Franco Mazzi, Rheinfelder Stadtammann und Vizepräsident des Planungsverbands, ist klar: Im Fricktal braucht es unbedingt eine Standortförderung. Warum?
Ronny Wittenwiler
NFZ: Franco Mazzi, Standortförderung – ein grosses Wort für das kleine Fricktal?
Franco Mazzi: Das ist keine Frage der Grösse. Das ist eine Frage von Arbeitsplätzen, die uns den Wohlstand bringen.
Vielleicht für Rheinfelden, Möhlin, vielleicht für Stein. Aber was interessiert schon etwa Zeihen oder Oberhof eine Standortförderung Fricktal?
Auch wenn die meisten Arbeitsplätze im Fricktal in den zehn Gemeinden mit wirtschaftlichem Entwicklungsschwerpunkt liegen, so arbeiten dort auch Leute aus kleinen Dörfern. Sie alle nehmen einen Lohn mit nach Hause, bekommen einen Lohnausweis und zahlen Steuern. Das heisst: Auch der Wohlstand dieser kleineren Dörfer hängt davon ab, dass ihre Bevölkerung Arbeitsplätze vorfindet.
Dennoch dürfte die Standortförderung ein Thema sein, das bei grösseren Gemeinden eher von Interesse ist?
Die Analyse zeigt, dass es richtig wäre, wenn sich die grossen Gemeinden im Fricktal mit wirtschaftlichem Entwicklungsschwerpunkt intensiv und ganzheitlich mit der Thematik befassen. Die restlichen Gemeinden befassen sich mit einzelnen Massnahmen.
Wie könnten solche einzelnen Massnahmen denn aussehen?
Dazu gehört etwa ein Apéro, in dem die Gemeinde ihre Gewerbler im Dorf einlädt und ihnen damit Ehre und Wertschätzung erweist. Solche Massnahmen können kleinere Gemeinden gezielt ergreifen. Grössere Gemeinden hätten rein quantitativ Schwierigkeiten, so etwas aufzugleisen.
Apropos Quantität: Ist das Sisslerfeld mal fertig gebaut, dann braucht das Fricktal keine Standortförderung mehr?
Das ist ein Trugschluss, der oft herrscht; gerade in Gemeinden, wo keine unbebauten Arbeitsf lächen mehr vorhanden sind. Ich bin aber überzeugt: Gerade auch in solchen Gemeinden sind sogenannte Transformations-Areale vorhanden. Areale, die zwar bebaut, aber in ihrer aktuellen Wertschöpfung nicht mehr derart interessant sind; Areale, auf denen das ansässige Gewerbe vielleicht am Ende seines Lebenszyklus angelangt ist. Die Transformation bestehender Gewerbeflächen lässt Neues entstehen, das mehr Wertschöpfung in den Ort bringt.
Als Stadtammann von Rheinfelden, der grössten Gemeinde im Fricktal: Standortförderung bedeutet auch für Sie nicht Wachstum um jeden Preis?
Wir sind schon mal gut aufgestellt, wenn es uns gelingt, Bestehendes langfristig zu halten. Wir kennen im Kanton, in der Schweiz und weltweit Beispiele von Wirtschaftszyklen, die plötzlich zu Ende gehen. In Rheinfelden denke ich da an das einstige Kurwesen, das plötzlich kein Thema mehr war und die Leute keine Arbeit mehr hatten. Es galt, neue und intelligente Nutzungen zu finden. Die Kurhotels wurden von der Gesundheitsbranche übernommen, daraus entstand eine neue Wirtschaft.
Welchen Preis hat denn eine Fricktaler Standortförderung?
Das wird sich zeigen müssen, je nachdem, wie viele der zehn Gemeinden mit wirtschaftlichem Entwicklungsschwerpunkt mitmachen. In einer Arbeitsgruppe war die Rede von möglicherweise eineinhalb bis zwei Stellen. Wir kennen das Beispiel Zofingen, Oftringen, Rothrist: Diese drei Gemeinden teilen punkto Wirtschaftsförderung gemeinsame Interessen und bauen Strukturen auf, die sich professionell mit dem Thema Standortförderung befassen, sowohl im Bereich Neuakquisition und Transformation.
Standortförderung konkret: Welches Unternehmen hätte der Stadtammann von Rheinfelden gerne noch in Rheinfelden gesehen – eine Brauerei wird es kaum sein?
(lacht) Mit Brauereien sind wir gut aufgestellt. Wir haben einen absoluten Schwerpunkt im Gesundheitswesen. Wenn wir diesen Bereich stärken wollen, können es gut und gerne nochmals ein, zwei Institutionen aus dem Gesundheitswesen sein. Auch eine Schule würde im Übrigen zusätzliche Arbeitsplätze bedeuten. Zum Beispiel eine Schule im Gesundheitscluster.