«Nicht der Zeitpunkt, um sich zurückzulehnen»
27.06.2025 PersönlichAm Sonntag endete die 88. Ausgabe der Tour de Suisse. Zeit für einen Anruf bei Olivier Senn aus Gansingen, dem Direktor der Schweizer Landesrundfahrt.
Ronny Wittenwiler
NFZ: Olivier Senn, wo sind Sie gerade und wie fühlen Sie sich?
Olivier ...
Am Sonntag endete die 88. Ausgabe der Tour de Suisse. Zeit für einen Anruf bei Olivier Senn aus Gansingen, dem Direktor der Schweizer Landesrundfahrt.
Ronny Wittenwiler
NFZ: Olivier Senn, wo sind Sie gerade und wie fühlen Sie sich?
Olivier Senn: Ich sitze im Auto und bin unterwegs vom Büro in Zürich nach Hause ins Fricktal. Wir hatten den ganzen Tag Debriefing mit dem Team. Während der Tour führen wir eine Verbesserungsliste, diese sind wir durchgegangen und haben Aufträge verteilt für die Zukunft. Ich bin etwas müde, weil man doch zwölf Tage am Stück jeweils fünfzehn Stunden durchgearbeitet hat. Aber sonst geht es mir sehr gut. Es war eine super Tour, eine gewisse Befriedigung ist vorhanden.
Als Tourdirektor sind Sie ein gefragter Mann. Wurden Sie oft auf die tragischen Ereignisse rund um Gino Mäder und Muriel Furrer angesprochen?
Sehr viel. Zum einen, weil wir vor der Etappe am Donnerstag die Gedenkstätte für Gino eingeweiht hatten, zum anderen, weil wir mit unseren neuen Sicherheitsmassnahmen, die eine direkte Folge dieser zwei Todesfälle sind, der Radsportzeit vielleicht etwas voraus sind. Deswegen war das regelmässig ein Thema.
Wie sah vor dem Hintergrund dieser Ereignisse Ihre Gefühlswelt kurz vor Tourstart aus?
Gewähr, dass es nicht wieder passiert, gibt es keine. Wir wussten aber, alles gemacht zu haben, um schlimme Konsequenzen von Stürzen möglichst verhindern zu können. Das Team um mich herum hatte sich sehr professionell auf diese Tour vorbereitet und das Maximum geleistet, gerade auch im Sicherheitsbereich, das gibt eine gewisse Ruhe. Trotzdem bleibt eine Anspannung. Diese hilft aber, sich jeden Morgen neu zu fokussieren, um während des Rennens einhundert Prozent zu geben, damit eben möglichst nichts passiert.
Die Tour bekommt viel Lob.
Es war eine gute Tour ohne nennenswerte Zwischenfälle. Sportlich sehr hochstehend, bei den Frauen und den Männern. Schönes Wetter, enorm viele Zuschauer und gute Stimmung an den Etappenorten. Es war rundum positiv. Trotzdem ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um sich zurückzulehnen und sich nur noch zu freuen – je schneller wir jene Dinge zu Papier bringen, an denen wir weiterarbeiten wollen und entsprechende Entscheide treffen, desto besser ist das für die Zukunft. In dieser Phase sind wir jetzt. Aber in ein paar Tagen werde ich zurücklehnen können, mich darüber freuen und sagen dürfen: Das war gut.
Welches war Ihr persönliches Highlight?
Die riesige Begeisterung so vieler Leute. Ob am Start, ob unterwegs oder am Ziel. Das ist mein Highlight.
Sie fahren als Tourdirektor jede Etappe im Auto mit. Bleibt da Zeit für den Blick auf die wundervolle Landschaft?
Ja, natürlich. Die meisten Strecken kennen wir bereits durch das Rekognoszieren im Vorfeld. Aber mit den Zuschauern am Strassenrand und mit dieser Begeisterung, die man spürt, ist es dann nochmals etwas vollkommen anderes. Das ist der schöne Teil dieses Jobs, absolut.
Bei dieser Hitze: Waren Sie eigentlich froh, im Auto zu sitzen, statt auf dem Rennvelo zu schuften?
Darüber bin ich schon sehr lange froh (lacht). Nicht nur bei schönem Wetter, sondern auch bei Regen und Katzenhagel. Ich trauere dem nicht nach, mir ist wohl dort, wo ich bin.
Jetzt bei diesem Gespräch sitzen Sie aber schon wieder im Auto. Wann wechseln Sie mal wieder aufs Velo?
Ich war schon gestern wieder auf dem Velo (Anmerkung Redaktion: am Montag). Am Montag nach der Tour geben wir jeweils die Autos ab. Das ist zu meinem Glück in Lupfig und somit nicht allzu weit weg von Daheim. Da bietet es sich an, mit dem Velo heimzufahren. Zudem plane ich, schon in der nächsten Zeit wieder etwas mehr Velo zu fahren.
Es bleibt aber heiss.
Ich kann ja am Morgen gehen.
Und wann kommt die Tour de Suisse wieder ins Fricktal?
Eine gute Frage. Ab übernächstem Jahr könnte es theoretisch möglich sein. Es gibt zwei, drei Gespräche mit Fricktaler Gemeinden, aber eine Vereinbarung mit irgendeinem Ort im Fricktal gibt es nicht. Sicher wird es in den nächsten zwei, drei, vier Jahren wieder einmal so sein.
Sie als Fricktaler würden sich doch auch darüber freuen.
Definitiv.
Dann sprechen Sie ein Machtwort. Als Tourdirektor dürfen Sie das.
Genau (lacht).