Neues entsteht auf Altem
01.03.2025 SulzEine Dubied 1942, Bezug zu Geschichte und Natur, Eigendesign, Auseinandersetzung mit dem Material sowie letztlich auch die Nutzbarkeit des Endproduktes sind nur einige der Bereiche, die Selina Weiss in ihre Maturaarbeit einfliessen liess. Der grosse Aufwand der 19-jährigen Sulzerin hat sich ...
Eine Dubied 1942, Bezug zu Geschichte und Natur, Eigendesign, Auseinandersetzung mit dem Material sowie letztlich auch die Nutzbarkeit des Endproduktes sind nur einige der Bereiche, die Selina Weiss in ihre Maturaarbeit einfliessen liess. Der grosse Aufwand der 19-jährigen Sulzerin hat sich gelohnt und wurde mit einer 5,5 benotet.
Susanne Hörth
Am Anfang stand der Auftrag für eine Maturaarbeit. Welches Thema sie dafür wählen soll, wusste Selina Weiss nicht sofort. Dann aber hat es der 19-jährigen Sulzerin sprichwörtlich den Ärmel reingezogen, vielmehr hat sie unter anderem solche hergestellt. Sie sind ein kleiner, aber wichtiger Teil ihrer Maturaarbeit. Entstanden ist in dieser neben einer informativen Dokumentation auch ein Produkt, das nicht nur fassbar, sondern auch tragbar ist – der Ärmel-Vermerk lässt darauf schliessen. Die mittlerweile abgelieferte Arbeit war mit intensiven und spannenden Monaten verbunden. Im Gespräch mit der NFZ blickt Selina Weiss auf diese Zeit zurück. Das Treffen findet in der Sulzer Kultur-Werkstatt, genauer deren Strickstube, statt.
Sie häkle sehr gerne, aber Stricken habe bisher definitiv nicht zu ihren Hobbys gehört, meint die junge Frau lachend. «Aus Interesse habe ich mal in die Strickstube reingeschaut. Die Vorstellung, im Rahmen meiner Maturaarbeit etwas herzustellen, das ich dann auch noch anziehen kann, gefiel mir sehr gut. Ich durfte dann auch gleich mal ausprobieren.» Ausprobieren bedeutete jedoch nicht, nach zwei Stricknadeln und einem Knäuel Wolle zu greifen. Selina Weiss drehte für ihre umfassende Arbeit das Rad der Zeit um fast ein Jahrhundert zurück. In eine Zeit, in der noch in so manch guten Stuben im Sulztal grosse eiserne Handstrickmaschinen standen. Mit den darauf gefertigten Arbeiten gab es einen willkommenen Zustupf in die Haushaltskasse.
Kulturwerk-Stadt Sulz
Die Sulzer Kulturwerk-Stadt ist bestens dafür geeignet, viel über ein altes Handwerk zu erfahren und es aktiv zu erleben. Dazu gehört auch das Stricken auf historischen Strickmaschinen in der Strickstube im Obergeschoss des Gebäudes. Mehr als ein Dutzend, komplett restaurierte und voll funktionstüchtige, Handstrickmaschinen der Marke Dubied werden von ausgebildeten Strickerinnen bedient. Sie laden regelmässig dazu ein, ihnen bei ihrem Tun über die Schulter zu schauen. «Ich konnte hier viel über die Strickmaschinen und auch das Stricken selbst erfahren», zeigt sich Selina Weiss sichtlich froh. Sie machte sich jedoch nicht nur in der Kulturwerk-Stadt schlau über Technik, Aufbau und Betrieb der alten Handstrickmaschinen. Sie betrieb auch eine intensive Recherche im Internet. Gleiches galt auch für die Grundlagen des geplanten Pullovers. «Für mich spielten dabei Natur und auch die Nachhaltigkeit eine Rolle», hält die Sulzerin fest. Auch wollte sie dokumentieren, wie viel Arbeit in einem Pullover steckt. Hierzu erwähnt sie die ebenfalls in die Arbeit einfliessende Auseinandersetzung zum Thema Fast Fashion. Sie machte damit deutlich, dass sie der Herstellung von «Billigmode» kritisch gegenübersteht.
Ausprobieren und nochmals ausprobieren
Viel Zeit wendete Selina Weiss für die Wahl des Materials auf. Sie fertigte mit verschiedenen Garnen und Wollen unzählige Musterproben auf der alten Maschine an. Sie hat diese Sammlung als Zusatzarbeit mit Beschrieben an ihre Abschlussarbeit angeheftet. Schliesslich entschied sie sich für das natürliche, jedoch durch seine unterschiedliche Beschaffenheit nicht ganz einfach zu verarbeitende Flammengarn. Anhand eines zuvor angefertigten Schnittmusters ging es als nächstes ans Berechnen der richtigen Maschenzahl. Auf der Handstrickmaschine selbst, eine Dubied 1942, war dann viel Geduld gefordert. Wiederholt musste die 19-Jährige von vorne beginnen.
Der grosse Aufwand zahlte sich letztlich aus. Entstanden ist mit einem grossen Hintergrundwissen über die historischen Strickmaschinen, gefertigt auf einer solchen ein wunderschöner, schlichter und ebenso geschichtsreicher Pullover.
Dass sie ihn auch tragen kann, war von Beginn an ein erhoffter, positiver Nebeneffekt für Selina Weiss. Und ja, das ganze Strickprojekt habe Spass gemacht, meint sie zufrieden. Dass es auch noch mit einer sehr guten 5,5 benotet wurde, war der krönende Abschluss. Wenn es ihre Zeit neben dem aktiven Engagement beim TV Sulz erlaubt – sie ist hier auch Jugi-Leiterin – wird man Selina Weiss sicher vermehrt in der Strickstube antreffen.
Die Kulturwerk-Stadt
Der Verein «KulturWerk-Stadt» setzt sich aktiv für die Bewahrung heimischer Handwerkskunst und Traditionen ein. Die Hauptaktivitäten konzentrieren sich auf die Bereiche Nageln (Schmieden von Schuhnägeln), das Stricken mithilfe von teilweise über 100 Jahre alten Dubied-Strickmaschinen und die Kunst des Brotbackens.
www. kulturwerk-stadt.ch