«Mit Kindern unterwegs zu sein, ist etwas mega Schönes»

  06.08.2025 Persönlich

Sie wuchs in Basel in einer Schreinerei auf, lernte Ernährungsberaterin und sattelte nach der Elternzeit um. Im Religionsunterricht mit Kindern fand sie Erfüllung und die Kraft, mit der eigenen Geschichte umzugehen. Seit 1999 lebt Ursula Zuppinger in Kaiseraugst.

Von Andreas Fischer *

Eben ist sie zurückgekehrt von einem Blaukreuz-Kinderlager, in dem sie ihre Tochter beim Kochen unterstützt hatte. «Ich habe Bauchmuskelkater vom Pfannenheben», erzählt sie lachend. Doch es habe Spass gemacht mit den dreissig Kids, sie liebe solche Herausforderungen. Morgen geht der Flug nach Lissabon. Dort wird sie in ein Kreuzfahrtschiff einsteigen, das der Atlantikküste entlang nordwärts fährt. Sie schaut dem Abenteuer etwas skeptisch entgegen. Eine Kreuzfahrt habe sie noch nie gemacht. «Doch mein Mann fand, jetzt, wo wir beide pensioniert sind, können wir mal so etwas unternehmen.» Ausserdem waren die letzten Jahre gesundheitlich schwierig, an Ferien war kaum zu denken.

Aufgewachsen ist Ursula Zuppinger in Basel, mitten in der Stadt, am Leonhardsberg. Der Vater führte eine Schreinerei, einen Familienbetrieb, den einst der Urgrossvater gegründet hatte. Sie seien in der Schreinerei aufgewachsen, erzählt Ursula Zuppinger. Man wohnte oben, unten war die Werkstatt. Keines der drei Mädchen wollte den Betrieb weiterführen. «Wenn ich älter gewesen wäre, hätte ich mir das vielleicht überlegt», sagt sie, «doch der Vater starb früh, und eine Schreinerei im Stadtzentrum, wo man mit dem Auto nicht hinkommt, das will heute niemand mehr. »

Ursula Zuppinger absolvierte die Handelsschule, lernte Ernährungsberaterin am Universitätsspital Zürich, arbeitete in Basel, ebenfalls am Universitätsspital. Dort lernte sie ihren Mann, einen Physiotherapeuten, kennen. 1983 heirateten die beiden. Vier Kinder kamen zur Welt, man lebte zunächst in Basel, 1999 zog man nach Kaiseraugst.

Didaktik, Methodik, Bibelkunde
Während der Elternzeit hatte Ursula Zuppinger auf die Ausübung ihres Berufs als Ernährungsberaterin verzichtet. Der Wiedereinstieg nach sieben Jahren erwies sich als schwierig. Stattdessen beschloss sie, nach mehrjähriger ehrenamtlicher Tätigkeit in der kirchlichen Kinderund Jugendarbeit, sich zur Katechetin ausbilden zu lassen. Sie besuchte einen Theologiekurs und absolvierte die dreijährige Ausbildung in Basel, lernte à fond Didaktik, Methodik, Bibelkunde, schrieb Arbeiten zu biblischen Figuren wie Abraham und Mose, übersetzte Geschichten in ihren Basler Dialekt. Achtzehn Jahre lang war Ursula Zuppinger Katechetin in Kaiseraugst, erteilte Unterricht an der Unter- und Oberstufe, baute überdies mit der früheren Kaiseraugster Pfarrerin Esther Borer die Familienarbeit in der Kirchgemeinde auf, engagierte sich in der Ökumene.

Wichtig sei ihr immer gewesen, Geschichten miteinander zu verknüpfen, Verbindungen aufzuzeigen, die Verbindung zwischen dem christlichen Abendmahl etwa mit dem jüdischen Passah und insgesamt die Verbindung von Altem und Neuem Testament. Weg-Geschichten sind ihr besonders lieb: «Von Abraham, der aufbricht in ein unbekanntes Land, über den Exodus bis hin zu den Emmaus-Jüngern, die von Jesus begleitet werden, ohne es zu merken – all diese Geschichten, die zeigen, dass wir nicht allein sind auf dem Weg, die mag ich besonders.»

Kraft in der Schwachheit
Weiter ist Ursula Zuppinger die Vermittlung von Werten wie Vergebung, Versöhnung, Dankbarkeit wichtig. «Dankbarkeit, hat mal jemand gesagt, sei die günstigste Medizin.» Ursula Zuppinger weiss, wovon sie spricht. Seit ihrer Geburt leidet sie an gesundheitlichen Gebrechen. «Gott», sagt sie lächelnd, «wollte mich mit ein paar Deformationen». Hüften, Knie, vor allem die Füsse sind betroffen. Wie es ihr möglich sei, dennoch dankbar zu sein, fragt man. Sie habe oft mit ihrem Gott gehadert, gesteht sie, habe gefragt: «Warum ich?» Die Antwort von oben sei in gewissem Sinn hart gewesen. Sie habe jener entsprochen, die einst der Apostel Paulus auf dieselbe Frage zu hören bekam: «Meine Gnade ist genug für dich, denn die Kraft erreicht ihre Vollendung in Schwachheit.»

Man kann sich vorstellen, dass Ursula Zuppinger den Schülerinnen und Schülern aus eigener Erfahrung und Betroffenheit etwas von dieser Kraft zu vermitteln vermag, die in der Schwachheit liegt. «Wir leben in einer knallharten Leistungsgesellschaft», sagt sie, «das gilt auch für die Schule. Der Religionsunterricht ist das einzige Fach, das nicht benotet wird. Das ist eine grosse Chance. Hier geht es nicht um die Leistung, hier geht es ums Sein. Wir haben unseren Wert im Sein; so, wie ich bin, bin ich geliebt, bedingungslos.»

Herzensarbeit
Dieses reine Sein, fährt sie mit spürbarem innerem Feuer fort, wirke sich aus, seelisch und auch gesellschaftlich. «Du realisierst, dass du die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht kaufen kannst. Dass Geld nicht alles ist. Das klingt simpel. Doch viele haben das schon im Kindesalter verlernt und vergessen. Sie haben viel Geld, sie wollen noch mehr Geld und meinen, darum gehe es.»

Noch etwas, meint Ursula Zuppinger, kann man aus dieser «Schwachheit» lernen: Dass es nicht ums Vordergründige geht. «Man sieht nur mit dem Herzen gut», zitiert sie Antoine de Saint-Exupérys kleinen Prinzen. Es gelte, sagt sie, die unsichtbaren Fäden zu entdecken, den Faden des eigenen Lebens, Fäden, die uns miteinander verbinden. «Es gibt so viel Unsichtbares, und eben dieses Unsichtbare ist das Wesentliche: Dass einer über uns wacht, dass einer für uns da ist, dass einer uns liebt.» Katechetik, sagt Ursula Zuppinger, sei Herzensarbeit.

Dieses Jahr hat sie das Pensionsalter erreicht, doch ganz in den Ruhestand treten kann und will sie noch nicht. In Kaiseraugst, wo eine gute Nachfolgelösung gefunden werden konnte, beendet sie ihre Tätigkeit, doch an zwei anderen Orten arbeitet sie mit kleinen Pensen weiter, ausserdem begleitet sie eine Katechetin in Ausbildung. Die Kirche ist ihr dafür dankbar. Katechetinnen sind Mangelware – was Ursula Zuppinger nicht ganz verstehen kann. Denn, sagt sie, «mit Kindern über lange Zeit unterwegs zu sein, zu sehen, wie sie sich entwickeln, das ist etwas mega Schönes».

Im Gottesdienst am Sonntag, 10. August, um 10 Uhr, im reformierten Kirchgemeindehaus Kaiseraugst, mit anschliessendem Gemeindefest, wird Ursula Zuppinger verabschiedet. Weitere Informationen, auch zur Katechetik-Ausbildung: www.ref-rheinfelden.ch

* Andreas Fischer ist Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde
Region Rheinfelden.


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