«Mich hatte niemand auf dem Schirm»
15.12.2025 PersönlichVerletzungen, Ausstieg vom Sport und dann die Kehrtwende zurück an die Geräte und der unerwartete Doppelsieg im Jahr 2025 im Einzelturnen und mit der Mannschaft – Sina Kaufmann, die bisher in Wölflinswil trainiert hat, erzählt von ihren Lieblingsgeräten, sportlichen ...
Verletzungen, Ausstieg vom Sport und dann die Kehrtwende zurück an die Geräte und der unerwartete Doppelsieg im Jahr 2025 im Einzelturnen und mit der Mannschaft – Sina Kaufmann, die bisher in Wölflinswil trainiert hat, erzählt von ihren Lieblingsgeräten, sportlichen Niederlagen und Erfolgen.
Petra Schumacher
Zum Geräteturnen kam Sina Kaufmann, Jahrgang 2003, rein zufällig. Weil alle Kolleginnen und Gspänli zum Geräteturnen gingen und sie mit ihnen zusammen sein wollte, ging sie zum Training einfach mal mit – und blieb. Das war 2008. «Ich war schon eher die Zapplige. Bei mir musste immer was laufen», weiss Sina Kaufmann zu berichten. «Fürs Basteln war ich viel zu ungeduldig. Ich musste mich einfach immer bewegen.» Beim Geräteturnen blieb sie, auch wenn es anfänglich bei Wettkämpfen immer nur zu den hinteren Rängen gereicht hat.
«Wenn ich gewinne, höre ich auf»
Sportlich ging der Knopf dann auf. Mehrere Teilnahmen an Schweizer Meisterschaften, 2018 war sie dann ganz nah dran am Schweizer Meisterschaftstitel. Sportlich lief es in diesem Jahr unheimlich gut, die Wettkämpfe im Aargau konnte sie alle gewinnen. Alle Voraussetzungen für den Titel waren da. Aber der Kopf hat nicht mitgespielt. «Ich hab mich von Anfang an selber enorm unter Druck gesetzt. Mental war ich völlig blockiert», verrät die Geräteturnerin. «Zwei Patzer sind mir passiert und damit bin ich auf dem für mich enttäuschenden vierten Platz gelandet». 2019 wurde es der zweite Platz.
Sina Kaufmann blieb dran, doch 2022 verletzte sie sich schwer an den Innen- und Aussenbändern und musste mit dem Sport aufhören. Ein Jahr lang hatte sie das Geräteturnen völlig aus ihrem Leben gestrichen, bevor sie als Leiterin für die kleinen Turnerinnen in Wölflinswil wieder zum Turnsport kam. «In der Halle habe ich gemerkt, dass der Schlusspunkt für mich noch nicht gesetzt ist», erklärt die Geräteturnerin «Meine Motivation war wieder da. Ich wollte unbedingt nochmals an eine Schweizer Meisterschaft. Für mich war klar, wenn ich da gewinne, dann höre ich auf».
Der Traum geht in Erfüllung
Vor der Verletzung turnte Sina Kaufmann in Kategorie 7, der Königsgruppe. «Da war ich realistisch und wusste, in dieser Gruppe kann ich nach meiner langen Pause nicht mehr mithalten», meint die Geräteturnerin. «Ich war froh, dass ich aufgrund von meinem Alter zu den Damen wechseln konnte». Im März 2025 begann sie mit dem Training. «Boden und Ringe mag ich, Reck und Sprung stehen eher hinten an», verrät Sina Kaufmann. Der Einstieg in der Halle lief für sie harzig und an den Wettkämpfen reichte es immer gerade nur für den zweiten und dritten Platz. Aber das gesteckte Ziel, die Möglichkeit zur Teilnahme an den Schweizer Meisterschaften, war erreicht. «Weil ich das, was ich mir vorgenommen schon erreicht hatte, war ich am Tag der Schweizer Meisterschaften vom Kopf her völlig frei. Ich konnte mich wirklich ganz aufs Turnen fokussieren. Am Anfang war ich noch etwas zittrig. Aber der Sprung sass und als ich für die Übung am Reck eine glatte 10, also Höchstpunktzahl bekam, wusste ich, es kommt gut», verrät Sina Kaufmann und sagt weiter: «Durch meine sportliche Pause und die neue Kategorie war ich wie ein Neuzugang. Von dem her war es für mich nicht verwunderlich, dass mich niemand auf dem Schirm hatte. Ich war in Delémont die absolute Überraschungssiegerin.»
Mit dem Sieg im Einzelturnen sicherte sich Sina Kaufmann die Teilnahme an der Schweizer Meisterschaft im Mannschaftsgeräteturnen in Aarau. Mit ihren Erfahrungen und dem sportlichen Können konnte sie wertvolle Punkte für den Meisterschaftstitel der Mannschaft sammeln. Auch wenn hier der Teamgeist und die gegenseitige Wertschätzung für Sina Kaufmann noch etwas stärker hätten sein dürfen, schliesst sie die Saison mehr als zufrieden ab. «Für mich ging der Traum in Erfüllung und das gleich doppelt», ist von ihr zu hören.
Planänderungen gehören dazu
An das geplante Auf hören denkt Sina Kaufmann momentan nicht. «Ich habe gerade in den Verein nach Rohrdorf gewechselt», erzählt sie. «In Wölflinswil trainiert niemand mehr in meiner Kategorie, da ist es im Training etwas mühsam so allein. Rohrdorf passt da besser und ist ausserdem für mich von Brugg her näher». In Brugg wohnt Sina Kaufmann seit Oktober 2024, mit ihrem Freund in der ersten gemeinsamen Wohnung. Die Frage, ob sie eher das Kochen oder das Backen bevorzugt, beantwortet sie ziemlich direkt mit Backen. Ihr Lieblingsrezept sind Lebkuchen. Zweimal die Woche geht Sina Kaufmann ins Training. «Das passt für mich zeitlich gut, um noch Kollegen zu treffen, meine Eltern zu besuchen oder um mit dem Freund zu backen», erklärt die Geräteturnerin. «Kunstturnen stand von dem her nie zur Diskussion, das wäre mir zu zeitintensiv. Für mich muss neben dem Sport noch was anderes laufen».
Mit dem Rohrdorfer Verein geht es zum Training in die Kunstturnhalle Lenzburg. Hier kann Sina Kaufmann ihre Übungen, im Gegensatz zur Halle in Wölflinswil, an den Ringen komplett durch turnen. «Ich möchte noch zwei, drei neue Elemente in meine Übung einbauen, die Schwierigkeit etwas erhöhen», verrät die Geräteturnerin, der man die Begeisterung für ihren Sport anmerkt. «Nochmals an den Schweizer Meisterschaften teilnehmen und möglichst ganz vorn dabei sein, ist mein Wunsch», sagt sie abschliessend. Ob die Pläne danach neu geschrieben werden, wird man sehen.
Geräteturnen und Kunstturnen: Das ist der Unterschied
Geräteturnen ist in der Schweiz traditionell verankerter Breitensport mit spezifischen Geräten (z.B. Schaukelringe, Minitramp), während Kunstturnen ein globaler und olympischer Leistungssport ist, der international Wettkämpfe austrägt und extrem hohe technische und artistische Anforderungen sowie fixe Geräte hat (z.B. Stufenbarren, Schwebebalken, Pauschenpferd).

