«Mein Grossvater fürchtete um meine Bildung»
06.10.2025 PersönlichStephanie Krieger, teilweise ungeduldige Menschenfreundin und neu Vikarin
Warum sie einst den diplomatischen Weg einschlug, wieder verliess, Jahre später als Quereinsteigerin Theologie studierte, lieber gärtnert als Ballsport betreibt, Krimis liebt und gerne in Frick Vikarin ...
Stephanie Krieger, teilweise ungeduldige Menschenfreundin und neu Vikarin
Warum sie einst den diplomatischen Weg einschlug, wieder verliess, Jahre später als Quereinsteigerin Theologie studierte, lieber gärtnert als Ballsport betreibt, Krimis liebt und gerne in Frick Vikarin ist, erklärt die 48-Jährige im Gespräch.
Simone Rufli
Die Kirche, die Theologie, sie war immer irgendwie da im Leben von Stephanie Krieger: Sonntagsschule, Religions-Unterricht, Konfirmation, Kirchenbesuch an hohen Feiertagen. Auch als sie nach der Matura in Genf «Relations Internationales» studierte, wollte sie nach zwei Jahren abbrechen und stattdessen Theologie studieren. «Ich bin halt teilweise ein ungeduldiger Mensch.» Sie lächelt verschmitzt und blickt vom Zimmer hinaus auf den Vorplatz des reformierten Kirchgemeindehauses in Frick. «Vom Wechsel abgehalten hat mich damals ein Konf-Pfarrer. Er meinte, ich könne mich auch ohne Studium in der Kirche engagieren, so wie das meine Mutter auch immer getan hat.»
Das in Genf angefangene Studium hat sie nach zwei weiteren Jahren abgeschlossen. «Zumal der diplomatische Dienst ja mein Ziel war.» Sie hält inne und lacht herzlich. «Obwohl, bei der Berufsberatung war auch Meeresbiologie eine Option.»
Mit 22 Jahren zu jung
Genf, UNO-Sitz, der Sitz vieler internationaler Organisationen. «Wir gingen als Studierende an diesen Adressen ein und aus. Politikwissenschaft, Geschichte, Makroökonomie, globale Zusammenhänge – «das war schon eine spannende Zeit». Und doch zog Stephanie Krieger nach dem Studium weiter – in die Privatwirtschaft. «Ich war erst 22, als ich das Studium abgeschlossen hatte und für den Eintritt in den diplomatischen Dienst mindestens drei Jahre zu jung.» Sie bekam eine Stelle beim europäischen Headquarter des US-amerikanischen Konsumgüter-Konzerns Procter & Gamble. «Auch das war spannend, wir waren alles junge Leute aus unterschiedlichen Ländern.» In diesem internationalen Arbeitsumfeld hatte sie nicht nur viel mit Belgien, Luxemburg und England zu tun. «Mir wurde auch relativ schnell die Verantwortung für Grosskunden übertragen.» Mit Menschen zu tun haben, Resultate der eigenen Arbeit sehen – Dinge, die ihr wichtig sind und im klaren Gegensatz zum ersten Berufswunsch stehen: «In der Diplomatie schreitet man über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in ganz kleinen Schritten vorwärts. Mit meiner Ungeduld womöglich nicht das Richtige.» Sie lacht.
Um die Welt gereist
Fünf Jahre blieb sie bei Procter & Gamble, dann entschied sie sich für eine Auszeit. «Ich spürte, dass ich eine Pause brauchte, nachdem ich Schule, Matura, Studium und Einstieg ins Berufsleben ohne Unterbruch durchgezogen hatte.» Und so zog sie los, reiste nach Bolivien und frischte dort ihr Spanisch auf. Über Peru gelangte sie nach Ecuador und engagierte sich dort in einem Sozialprojekt. Dann zog sie weiter nach Chile und besuchte in Santiago de Chile Verwandte, bevor sie über die Osterinseln, Fidschi, Neuseeland und Thailand in die Schweiz zurückkehrte.
Zehn Monate dauerte das «Sabbatical», dann stieg sie in ihrer Heimatstadt Basel bei SBB Cargo in die Kommunikationsabteilung ein.
Nach einem Zwischenstopp in der Kommunikation bei Valora wurde sie Leiterin Kommunikation bei der Reformierten Kirche Baselland, wo sie die letzten zwölf Jahre verbrachte. «Während der Corona-Pandemie war ich für das Krisenmanagement zuständig. Ich hatte selten so viel Kontakt mit Menschen wie in dieser kontaktlosen Zeit.» Das sei denn auch der Moment gewesen, wo sie gedacht habe, «Kirche ist super, aber ich will nicht für den Rest meines Arbeitslebens in der Kommunikation bleiben».
In der Landessprache unterhalten
Reisen, Neues entdecken, fremde Menschen und Kulturen kennenlernen, Spanisch, Französisch, Italienisch, Englisch – «Ich war schon zu Gymi-Zeiten für ein Austausch-Jahr in den USA. Ich will mich in der Landessprache mit den Menschen unterhalten können.» Stephanie Krieger lächelt, erinnert sich: «Als ich in der Schule vom Latein-Typus zu Neusprachen gewechselt habe, hat mein Grossvater das Ende der humanistischen Bildung kommen sehen. Ganz schlimm war, dass ich dann auch noch in die USA zu diesen Jeans-Trägern ging, wie er die Amerikaner nannte.» Wo Kommunikation so wichtig ist – warum Theologie mit Latein, Alt-Griechisch, Hebräisch? «Bei diesen ‘toten’ Sprachen, die ich während des Theologie-Studiums lernen musste, geht es nicht ums Sprechen, sondern darum, biblische Texte im Original lesen zu können. Auch diese Sprachen eröffnen einem eine neue Welt.»
Die Liebe zu Sprachen, sie wurde Stephanie Krieger in die Wiege gelegt und gefördert durch den Kontakt zu Cousinen und Cousins in Chile. Dazu kam, dass die Mutter mit den Töchtern viel gereist ist. Einen Schlüsselmoment in puncto Sprache habe sie aber in jener Zeit in Ecuador erlebt. «Man sieht mir ja von weitem an, dass ich eine Mitteleuropäerin bin. Und doch hat ein achtjähriges Mädchen zu mir gesagt: ‘Du bist wie wir, weil du sprichst wie wir.’ Offenbar habe ich sogar den örtlichen Akzent angenommen.»
Das Pfarramt kennenlernen
Vor drei Jahren entschied sie sich für den Quereinstieg via spezialisiertes Masterstudium an der Uni Basel und jetzt also seit August das einjährige Lernvikariat als praktische Berufsausbildung mit dem Ziel, das Pfarramt kennenzulernen und das akademische Wissen auf die Lebenswelt der Menschen herunterzubrechen.
Dass sie das Vikariat weder in Basel noch im Baselbiet, sondern in Frick macht, sei ein bewusster Entscheid. «Ich wollte unbefangen an die Arbeit gehen können, nicht in einem Kanton, in dem mich durch die langjährige Arbeit so viele Leute schon kennen.» Im Team in Frick fühle sie sich wohl, spricht von einem grossen Glück unter anderem beim Erteilen von schulischem Religions-Unterricht. Glücklich mache sie auch der ökumenische Mittagstisch – «Da isst man so gut!» – und zu sehen, wie viele Freiwillige sich engagieren. «Ohne Ehrenamtliche geht weder in der Kirche noch in der Gesellschaft etwas.»
Glück findet Stephanie Krieger auch in der Arbeit in ihrem Garten und im Sport. Wobei: «Auf Fussball, Handball, Volleyball und Tennis muss ich nach diversen Operationen verzichten.» Zu gross sei das Verletzungsrisiko. «Golf geht noch. Dabei kann ich wunderbar herunterfahren.» So wie beim Lesen: «Ich lese wahnsinnig gerne Krimis.»