Maurice Steger hob das argovia philharmonic auf ein neues Niveau
28.10.2025 RheinfeldenBegeisterndes Konzert im Bahnhofsaal in Rheinfelden am Freitag
Schon bei den ersten Takten der 9. Symphonie von Haydn spürte man, welche Kräfte Dirigent Maurice Steger beim argovia philharmonic auszulösen vermag. Es spielte wie ein Toporchester – präzise, mit ...
Begeisterndes Konzert im Bahnhofsaal in Rheinfelden am Freitag
Schon bei den ersten Takten der 9. Symphonie von Haydn spürte man, welche Kräfte Dirigent Maurice Steger beim argovia philharmonic auszulösen vermag. Es spielte wie ein Toporchester – präzise, mit Glanz, Vitalität und sichtlicher Freude. Auf diesem Level hatte man das Aargauer Hausorchester in Rheinfelden noch nie musizieren gehört.
Edi Strub
Die 9. Symphonie. Für Ludwig van Beethoven war es die letzte und der Höhepunkt seines Schaffens. Ebenso für Antonin Dvorak. Für Haydn jedoch war die Neunte ein Frühwerk, in dem er noch nach einer neuen Form für diese wichtigste Musikkategorie der Klassik, die Symphonie, suchte. In mancher Hinsicht ist die heute selten gespielte 9. Symphonie sehr gelungen, obschon noch deutlich vom Hergebrachten der Barockzeit geprägt: dreisätzig statt viersätzig wie später die Norm, kurz und bündig, zwölf Minuten, nicht gewaltig und schwer wie Beethovens Neunte oder gar die Werke Mahlers. Aber bereits in der sogenannten Sonatenform, die das spätere symphonische Schaffen der Klassik – auch das Haydns – prägte. Haydn war der geniale «Erfinder» dieses Konzepts der Klassik. Lange vor Mozart, der noch in den Windeln lag, und Beethoven, der noch nicht einmal die Welt erblickt hatte.
Das Publikum mitgerissen
Es war eine Freude diese 9. Symphonie Haydns am Freitag im Bahnhofsaal zu hören. Sie strahlte in der Interpretation des «argovia» unter Maurice Steger eine Lebendigkeit und Frische aus, die das Publikum vom ersten Takt an mitriss. Ebenso schön wie der erste Satz gelang der langsame zweite mit den beiden Flötistinnen stehend in der Hauptrolle. Sie spielten das immer wiederkehrenden Thema der Einleitung einschmeichelnd mit wunderbarem Ton. Man fühlte sich an die Flötensoli in Glucks «Reigen seliger Geister» erinnert: wie im Himmel.
Steger der Blockflöten-Virtuose
Im zweiten Teil des Konzerts trat Maurice Steger dann in seiner ursprünglichen Profession als Blockflöten-Virtuose auf. Es erstaunt immer wieder, was Steger aus diesem unscheinbaren Instrument herausholt, das als Schulblockflöte vielen in schlechter Erinnerung ist. Steger spielte in der Suite in a-Moll von Georg Philipp Telemann auf einem etwas grösseren Instrument als die Kinder im ersten Musikunterricht haben. Aber die Schwierigkeiten sind dieselben: es gibt keine Klappen, statt mit diesen müssen die meisten Halbtöne mit Gabelgriffen erzeugt werden. Ausserdem ist die Intonation schwierig. Viele Blockf lötisten (auch professionelle im Konzertsaal) spielen daher Ohrenweh erzeugend falsch. So aber nicht Steger. Wie er das macht, bleibt jedem Amateur, der mit einer sauberen Intonation kämpft, ein Rätsel.
Als Zugabe spielte Steger dann noch ein Bravourstück-Stück von Vivaldi, das das Gezwitscher eines Vogels nachahmt. Dazu hatte er ein Flautino – ein lächerlich kleines Piccolo-Flötchen in der Hand – mit dem er selbst die unglaublichsten Läufe und Sprünge behände meisterte. Für Steger scheint es einfach keine technischen Schwierigkeiten zu geben. Er spielt selbst im atemberaubendstem Tempo mit grösster Präzision. Dazu mit einer Musikalität, die ihn mit seinen Flötchen (in verschiedenen Stimmungen) selbst in die grössten Konzertsäle der Welt geführt hat.
Mozarts 41. Symphonie
Nach der Pause ertönte dann die letzte Symphonie Mozarts – die Nummer 41 bekannt unter dem Namen «Jupiter», dem Gott der Götter. Diese Symphonie, die zu Lebzeiten Mozarts wahrscheinlich nie aufgeführt wurde, weil offenbar kein Interesse dafür bestand (es ist kaum zu glauben), gilt als eines der ganz grossen Meisterwerke der Klassik. Da ist das, was Haydn in seinem frühen Schaffen zu erreichen versuchte (und später auch erreichte) in Vollendung vorhanden. Das Publikum spendete für den wunderbaren Konzertabend viel Beifall. Auch die Musiker klatschen viel – für ihren Dirigenten, der sie an diesem Abend im spröden, aber sehr wohlklingenden Bahnhofsaal zu einer Glanzleistung mitgerissen hatte.

