Je mehr Fricktal, desto Cervelat

  03.08.2024 Fricktal

Ein Gespräch übers Grillieren

Viele frönen wieder einem regelrechten Nationalsport. Was beim Grillieren aktuell besonders einheizt, weiss der Fachmann.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Der Sommer ist da. Geht es jetzt um die Wurst?
Ernst Urich:
Ja. Aber auch ums Steak. Die Grillzeit ist für uns eine top Zeit.

Gibt es besondere Grill-Trends?
In den letzten zwei Jahren ist die Nachfrage nach Poulet enorm gestiegen. Ob Poulet als Spiesschen, als Brüstchen, gefüllt mit Zwetschgen, mit scharfer Marinade, spielt keine Rolle. Alles, was mit Poulet zu tun hat, ist stark im Trend. Was wir auch merken: Vor allem beim Rindf leisch wird auf Regionalität geachtet.

Wie essenziell ist ein schöner Sommer fürs Jahresgeschäft?
Das ist jeweils massiv. Die letzten zwei, drei Jahre war der jeweilige Sommer sehr warm. Das Ladengeschäft, besonders im Grillsektor, lief sehr gut. Den schlechten Juni dagegen in diesem Jahr merkten wir genauso. Auch der Frühling mit dem Mai war nicht schön, sowas macht sich bei den Umsätzen massiv bemerkbar.

Kann es fürs Grillieren auch zu heiss sein?
Ist es so heiss, dass ein Feuerverbot erlassen wird, hat das Einfluss auf unser Tagesgeschäft. Wenn die Leute nicht mehr im Wald grillieren, nicht mehr das Cheminée zuhause anfeuern dürfen, spüren wir das auch. Sonst aber spielt die Hitze keine Rolle.

Spüren Sie jeweils, wenn der 1. August kurz bevorsteht?
Das spüren wir sehr gut. Viele grillieren dann mit Familien und Freunden.

Was wird verkauft?
Die einen zelebrieren das Grillieren regelrecht mit einem speziellen Steak an diesem Tag. Viele sind aber auch sehr traditionell unterwegs. In dieser Woche verkaufen wir unsere Nationalwurst besonders oft. Es ist nun mal so: Der Cervelat gehört zum 1. August.

Der Cervelat oder der Klöpfer?
Ich selbst sage Cervelat. Ich bin mit dem grossgeworden. Wir sind hier in Möhlin etwas im Grenzgebiet. Ich würde mal meinen «50:50».

Der Basler sagt Klöpfer.
Das ist so.

Je tiefer im Fricktal, desto Cervelat?
Spätestens oben an Eiken hört es auf mit dem Klöpfer. (lacht)

Werden Sie oft konfrontiert mit Fragen zum Tierwohl?
Am Anfang sehr viel. Da die Kundschaft den Betrieb mittlerweile kennt und weiss, wie er funktioniert, kommen solche Fragen weniger. Das Interesse fürs Tierwohl aber bleibt.

Auch auf Regionalität werde beim Fleisch geachtet, sagen Sie. Existiert hierzu ein höheres Bewusstsein als früher?
Ein viel höheres. Zu meiner Zeit als Lehrling interessierte Regionalität kaum jemanden. Schweizer Fleisch, Rindf leisch sowieso, war verpönt. Zu zäh, zu trocken. Rindf leisch aus Brasilien, Argentinien und den USA war der Renner. Das ist dreissig Jahre her. Von dem kam der Konsument weg.

Weshalb?
Es ist nun mal nicht nachhaltig. Man muss aber auch sagen: Die Landwirtschaft hat sich verändert. Vor fünfzig Jahren waren die Bauern in erster Linie Milchproduzenten. Die Kuh musste Milch geben, das Fleisch war zweitklassig. Erst später setzte das Umdenken ein, dass man mit entsprechenden Rinderrassen auch aufs Fleisch schaut. Heute haben wir eine top Fleischqualität in der Schweiz.

Und wenn ich Vegetarier bin?
Der reine Vegetarier kauft bei uns nicht ein. Der Fleischesser, der einen vegetarischen Gast hat, hingegen schon. Ihm bieten wir etwa einen veganen Burger an oder einen Grillkäse.

Vegetarisches beim Metzger – gehen Sie schon lange fremd?
Das machen wir nun im dritten Jahr. Die Nachfrage ist da, gerade auch im Bereich Partyservice.

Welches vegetarische Produkt kommt seinem Fleisch-Pendant am nächsten?
Keines.

Keines?
Natürlich gibt es Alternativen. Gerade im Poulet-Sektor. Produkte, die wir selbst schon verköstigt haben und wir nicht sagen konnten: Fleisch oder künstlich. Als Metzgerei wollen wir unserer Linie treu bleiben und keine «Fleisch»-Produkte aus dem Reagenzglas verkaufen. Deshalb lässt sich das nicht miteinander vergleichen.

Was landet eigentlich bei Ihnen auf dem Grill?
Am Wochenende jeweils, was in der Fleischtheke vor bleibt.

Man weiss also nie?
Das ist immer eine Überraschung: Spiess, Steak, Wurst – kann alles sein.

Und wie grilliere ich die perfekte Wurst?
Lassen Sie sich Zeit – und nicht zu viel Hitze.

Auf Gas oder Holzgrill?
Gas nur, wenn’s pressiert. Aber essen soll ja etwas Schönes, etwas Gemütliches sein. Darum: Arbeiten Sie mit Holzkohle.

Ernst Urich (47) ist Metzger. Er führt in Möhlin einen eigenen Betrieb.


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