«Ich wünsche mir ein Wir-Gefühl für die Gemeinde»
12.11.2025 BrennpunktSeit 2018 ist Thomas Rohrer Gemeinderat von Hellikon, seit 2020 Gemeindeammann. Als belastend empfindet er die schwierige Finanzsituation vieler kleiner Landgemeinden.
Valentin Zumsteg
NFZ: Herr Rohrer, Ende Jahr geben Sie das Amt des Gemeindeammanns von Hellikon ...
Seit 2018 ist Thomas Rohrer Gemeinderat von Hellikon, seit 2020 Gemeindeammann. Als belastend empfindet er die schwierige Finanzsituation vieler kleiner Landgemeinden.
Valentin Zumsteg
NFZ: Herr Rohrer, Ende Jahr geben Sie das Amt des Gemeindeammanns von Hellikon ab. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Thomas Rohrer: Ich bin inzwischen 70 Jahre alt. Bevor ich in den Gemeinderat gewählt wurde, hat mich mein Berufsleben stark absorbiert. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, es etwas ruhiger zu nehmen.
Wie schwer fällt Ihnen das Loslassen?
Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Was ich nicht vermissen werde, ist die ständige Präsenz, die als Gemeindeammann nötig ist. Manchmal musste ich auch den Kopf hinhalten, doch das war nicht so schlimm. Aber man steht dauernd ein bisschen unter Strom. Was mir hingegen fehlen wird, sind die vielen Kontakte und interessanten Begegnungen, die mir das Amt ermöglicht hat. Das war hochspannend. Auch die Arbeit im Vorstand der Regionalplanung und des Juraparks habe ich als bereichernd empfunden.
Was hat Ihnen am Amt besonders gefallen?
Das Machen. Natürlich mahlen die Mühlen manchmal langsam, weil viele Stellen involviert sind. Aber auf Gemeindeebene werden konkrete Projekte entwickelt und umgesetzt. Manchmal braucht es aber etwas Gelassenheit, wenn man etwas nicht ändern kann.
Was sind die weniger schönen Seiten?
Manche Leute sehen die Gemeinde nur als Leistungserbringer. Ich habe schon manchem gesagt: Die Gemeinde sind wir alle. Toll wäre es, wenn die Bevölkerung vermehrt ein Wir-Gefühl für die Gemeinde hätte und sich nicht primär als Leistungsempfänger sehen würde. Wenn jeder das Gefühl hat, er könne nur profitieren, dann funktioniert es nicht. Das scheint aber heute ein bisschen der Zeitgeist zu sein, was ich bedauere. Ich finde auch, dass wir in der Schweiz mittlerweile einen ziemlichen Verwaltungsstaat haben, was zu einer gewissen Schwerfälligkeit führt. In Hellikon haben wir Probleme mit dem Ortsbildschutz. Es gibt Privateigentümer, die konkrete Vorstellungen haben, was sie bauen möchten. Auf der anderen Seite ist der Kanton, der solche Projekte manchmal verhindert. Dazwischen sitzt der Gemeinderat. Aktuell sind rund ein halbes Dutzend Bauprojekte wegen des Ortsbildschutzes hängig. Hier würde ich mir von beiden Seiten mehr Kompromissbereitschaft wünschen.
Ist Gemeindeammann eigentlich ein dankbares Amt?
Das ist eine schwierige Frage. Das Schöne ist, dass man mitwirken und gestalten kann. Viel Lob gibt es aber nicht. (lacht)
Ein umstrittenes Thema ist in Hellikon die Revision der Nutzungsplanung. Die Gemeindeversammlung hat die Vorlage bereits einmal zurückgewiesen und einmal abgelehnt. Jetzt wird sie am 28. November nochmals traktandiert. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es diesmal Zustimmung gibt?
Das ist schwer abzuschätzen. Bislang waren die Diskussionen zu diesem Thema sehr emotional und wenig konstruktiv. Eine erneute Ablehnung ist keine Lösung. Der Gemeinderat möchte den Bürgerinnen und Bürgern klar machen, dass die Annahme der Revision sinnvoll wäre. Das würde für Planungssicherheit sorgen. Wer mit einem Teilbereich nicht zufrieden ist, soll einen Antrag stellen, über den wir dann abstimmen können.
Das Hauptproblem sind die Auszonungen?
Das weiss ich nicht. An den Auszonungen hat sich die Kritik aber manifestiert. Das Problem ist einfach, dass wir eine viel zu grosse Bauzone haben. Mein Wunsch wäre, dass wir die Bauzone so belassen könnten und einfach nicht mehr einzonen, bis die freien Flächen überbaut sind. Der Gemeinderat schlägt deshalb vor, dass wir den grossen Teil des Landes, das wir auszonen müssten, in die Grünzone legen. Es ist aber eine Gratwanderung.
Was passiert, wenn es abermals ein Nein gibt?
Sehr wahrscheinlich würde dann der Kanton das Heft in die Hand nehmen. Er hat uns bereits mitgeteilt, dass er eine Ersatzvornahme ins Auge fassen muss. Das wollen wir unbedingt vermeiden.
Abgesehen von der Zonenplan-Revision, welches sind in den kommenden Jahren die Herausforderungen für Hellikon?
Wir haben die gleichen Probleme wie die meisten kleinen Landgemeinden. Wir verfügen zwar über eine wunderbare Landschaft, aber finanziell ist die Situation belastend. Wie man den ideellen Wert der Dörfer in den ländlichen Entwicklungsräumen ohne wirtschaftliche Entwicklung nur mit Landwirtschaft, Freizeit und Erholung umsetzt, ist noch nicht bekannt. Die Finanzen bleiben für viele kleine Gemeinden ein Problem und der Spielraum ist klein. Wir werden in unserer Entwicklung eingeschränkt, erhalten dafür aber wenig Entschädigung.
Rechnen Sie bei dieser Ausgangslage damit, dass es irgendwann zu Gemeindefusionen im Wegenstettertal kommen wird?
Über kurz oder lang wird dies wahrscheinlich passieren. Wir arbeiten aber schon heute in vielen Bereichen mit den Gemeinden im Tal und mit Möhlin zusammen. Das hilft uns, noch länger selbständig zu bleiben. Wir haben aber zum Teil Mühe, freie Stellen auf der Gemeinde zu besetzen.
Was wünschen Sie dem künftigen Gemeinderat?
Ich wünsche mir, dass der neue Gemeinderat von der Bevölkerung die Chance erhält, die künftigen Herausforderungen unbelastet anzugehen.
Ab dem 1. Januar 2026 sind Sie nicht mehr Gemeindeammann, sondern wieder ein gewöhnlicher Bürger. Auf was freuen Sie sich?
Ich freue mich darauf, künftig etwas mehr Musse zu haben und nicht mehr immer präsent sein zu müssen. Ich gebe die Verantwortung gerne ab.

