«Ich pubertiere seit über 30 Jahren»
04.07.2025 PersönlichJederzeit, so Lothar Kühne, würde er den Lehrerberuf wieder ergreifen. Als Schulleiter hatte er die Oberstufe Ebnet in Frick während 19 Jahren geführt, begleitet und war mittendrin. Heute Freitag gibt er diese Aufgabe ab. An ein tolles Nachfolgeteam, freut er sich.
...Jederzeit, so Lothar Kühne, würde er den Lehrerberuf wieder ergreifen. Als Schulleiter hatte er die Oberstufe Ebnet in Frick während 19 Jahren geführt, begleitet und war mittendrin. Heute Freitag gibt er diese Aufgabe ab. An ein tolles Nachfolgeteam, freut er sich.
Susanne Hörth
«Pubertät ist die Zeit, in der Eltern schwierig werden.» Lothar Kühne, selbst Vater eines erwachsenen Sohnes, grinst bei diesem Satz. Aus Sicht der Schule kann er diese vielfach ironisch gemeinte Bemerkung nur bestätigen. Er selbst schätzt den Schulalltag mit den Jugendlichen sehr und das schon viele Jahre; lange, bevor er 2006 an die Oberstufe Frick als Schulleiter kam. Daher auch seine Aussage: «Ich pubertiere seit über 30 Jahren.» Pubertät habe sich nie verändert. «Es ist eine Entwicklungsphase. Geändert hingegen hat sich der gesellschaftliche Wandel.» Mit diesem würden Erwachsene nicht mehr Schritt halten können. «Als meine Generation jung war, konnten wir ausserhalb der Schule pubertieren. Wir diskutierten und stritten mit unseren Eltern, wir gingen raus und hängten mit Gleichaltrigen ab. Dieses Lernfeld gibt es heute nicht mehr. Die Jugendlichen kommen nach Hause und verschanzen sich vor den Bildschirmen.» Über diese passiere dann die soziale Interaktion. «Gamen finde ich dabei nicht mal so schlimm. Viel schlimmer sind die sozialen Medien.» Lothar Kühne bezeichnet sich als einen absoluten Verfechter der Digitalisierung. Bei den sozialen Medien sieht er jedoch grosse Gefahren. Was die jungen Leute in der Pubertät täglich über die verschiedenen Social-Media-Kanäle konsumieren, würden sie gar nicht mehr einordnen können.
«Das Lernen auch mal mit den Augen der Lernenden sehen»
Er, der jetzt kurz vor der Pensionierung steht – von den 100 Abreisszetteln an der Wand hängen am Dienstag beim Gespräch mit der NFZ gerade noch vier – sagt voller Überzeugung über die Zeit, in der die Emotionen Achterbahn fahren, die Verständigung nicht nur ein Sprachproblem ist und die Hormone die Macht übernehmen: «Die Pubertät gehört zu den schönsten Altersstufen.» Wer sich auf die jungen Menschen einlässt, sie beobachtet und «Das Lernen auch mal mit den Augen der Lernenden sieht», könne so viel mit ihnen erleben. Kürzlich sagte die Erziehungswissenschaftlerin Margrit Stamm bei einem Podiumsgespräch an der Oberstufe Frick in Richtung der Eltern: «Lasst den Nachwuchs los.» Dem kann Lothar Kühne mit einem Rucksack voller Erfahrungen als Lehrer, Schulleiter, Sporttrainer und auch als Vater absolut zupflichten. «Wir müssen unsere Kinder begleiten, wo nötig schützen und gleichwohl auch mal auf die Nase fallen lassen.»
Von Freiburg über Basel nach Frick
Nach dem Sportstudium – «Sport ist sehr wichtig für mich, ich spielte lange aktiv Fussball, war auch Trainer» – bildete sich Lothar Kühne im deutschen Freiburg zum Gymnasiallehrer aus. «Als ich 1991 an eine Basler Schule kam, galt ich als deutscher Lehrer noch als Exot in der Schweiz», sagt er schmunzelnd. Das hat sich längst geändert, heute unterrichten viele deutsche Lehrkräfte an Schweizer Schulen. Geändert hat sich bei Lothar Kühne auch seine Staatsbürgerschaft und sein Wohnort. Er liess sich einbürgern und lebt seit vielen Jahren mit der Familie in Wallbach. Die Stelle in Frick als Schulleiter habe er nicht aktiv gesucht, vielmehr wurde er vom damaligen Schulleiter Götz Arlt angefragt. Er sagte zu. Zusammen mit Götz Arlt und Peter Boss bildete er über die Fricker Schulen (Primar und Oberstufen) eine Dreierleitung. «Das gab es damals im Kanton Aargau nirgends.» Im Laufe der Jahre hat sich dieses Modell etwas angepasst und ab 2012 auf die Bereiche Oberstufe, Primar und Administration aufgeteilt. Das habe sich sehr gut bewährt, ist Kühne von dieser Organisationsform nach wie vor überzeugt.
Von der Schule Frick, aber auch der Schule allgemein sagt er mit voller Inbrunst: «Sie war in der gesamten Menschheit noch nie so gut wie heute.» Gleichzeitig erlebt er auch, dass die Schule noch nie so massiv kritisiert wurde wie aktuell. Schule ist ein Spannungsfeld zwischen Politik, Elternhaus, aber vor allem ein Ort, an dem junge Leute in einem guten Lernumfeld auf ihr späteres Leben vorbereitet werden sollen.
Apropos gutes Lernumfeld: Lothar Kühne spricht voller Stolz von «seinem» Lehrerkollegium. In der Fricker Lernlandschaft werde der Teamprozess aktiv gelebt. Für den Schulleiter ist das sehr wichtig, um zu vermeiden, dass sich die Lehrkräfte als Einzelkämpfer fühlen müssen. Die gute Zusammenarbeit wirke sich auch positiv bei den Schülerinnen und Schülern aus. «Wir sind ein Haus des Lernens. Und das gilt für alle.»
Als Schulleiter ist er normalerweise nicht als Unterrichtsperson in den Schulzimmern anzutreffen. Ab und zu jedoch schon, jeweils dann, wenn er eine Vertretung übernehmen kann. «Das macht richtig Spass.» Er sei ursprünglich ein Lehrer gewesen und habe im Laufe der Zeit den Wandeln zum Pädagogen vollzogen. Ein Unterschied? «Es gibt Lehrpersonen, die unterrichten. Und es gibt Pädagogen, die sind mit Leidenschaft für die Jugendlichen da», betont Kühne. Solche Pädagoginnen und Pädagogen würden an der Schule Frick unterrichten.
Dem Schulleiter zuzuhören, seine Begeisterung für die Schule allgemein und die Schule Frick im Besonderen zu spüren, lässt die Frage auf kommen, wie schwer es für ihn ist, mit seiner Pensionierung diesem Ort nun den Rücken zu kehren. «Überhaupt nicht schwer. Ich freue mich sehr. Das Team werde ich sicher vermissen. Ich weiss aber auch, dass ich mit einem guten Gefühl die Türe hinter mir zumachen kann. Es läuft hier wirklich richtig gut.» Nein, langweilig werde ihm sicher nicht. Mit einem Grinsen meint er, dass er wahrscheinlich nun fast täglich an seinem bisherigen Wirkungsort vorbeifahren werde. Die Betonung liegt auf Vorbeifahren. Es zieht Lothar Kühne als begeisterter Golfer auf den Fricker Golfplatz.