«Ich möchte ein Teil dieser Geschichte sein»
25.06.2024 Rheinfelden, KulturSchaurige und schaurig lustige Gestalten am Mittelalter- und Fantasy-Fest
Nach zwei Jahren war es wieder so weit: Ritter, Wikinger, Schmiede, Orks und Co. trafen sich in Rheinfelden am vergangenen Wochenende und liessen Mittelalter und Fantasy ineinander verschmelzen. 65 ...
Schaurige und schaurig lustige Gestalten am Mittelalter- und Fantasy-Fest
Nach zwei Jahren war es wieder so weit: Ritter, Wikinger, Schmiede, Orks und Co. trafen sich in Rheinfelden am vergangenen Wochenende und liessen Mittelalter und Fantasy ineinander verschmelzen. 65 Marktstände mit Verkäufern, teils von weit her, sowie sieben Vereine aus Rheinfelden waren dabei.
Yasmin Malard
Was direkt auffiel: Viele verkleidete Besucher zogen durch die Strassen. Dani Schuhmacher, einer davon in Vollmontur, sagte: «In Zivilkleidung könnte ich nicht hierherkommen. Es sind mehr und mehr Gewandete am Mittelalterfest, viel mehr zum Beispiel auch als am Römerfest. Wir können noch nicht mit unseren Nachbarn aus Deutschland mithalten, aber unsere Community wächst.» Er selbst ist während der Pandemie in die Szene eingetaucht – durch die Netflix-Serie «Vikings». Seither bilden er, seine Frau und sein Sohn einen Clan. Sie leben diese Vorliebe auch abseits der Veranstaltungen aus. «Es ist wie ein Fetisch. Ein Abtauchen in eine andere Welt und in eine andere Zeit. Eigentlich die beste Erholung. Ich möchte einfach ein Teil dieser Geschichte sein.» Und wieso genau das Mittelalter, das ja auch nicht nur schön und friedlich war? «Das Mittelalter hat eine reichhaltige Vielfalt an Epochen und wirkt dadurch zeitlos. Und die Leute der Community sind herzlich, trotz der rauen Zeit und des rauen Umgangs. Das Mittelalter ist wie eine riesengrosse Family.»
Handeln und tauschen wie früher
Das war mehrmals zu hören. Eine Verkäuferin erzählte, ihr Zulieferer wolle für seine Produkte kein Geld, sondern Bezahlung in Form von Arbeitsstunden und Tauschwaren.
Sie arbeitet zudem mit Archäologen zusammen, die ihnen 5800 Jahre alte Mooreichen von Pfahlbauten in Rapperswil aus dem Zürichsee bringen und benutze Tierpräparate aus Zoos für die Griffe. Auch werden Warzenschweinzähne, Mammutzähne, Türgriffe, alte Sensen etc. verwendet und nach alter Seemannskunst Zeichnungen eingraviert und mit Tusche aufgefüllt.
Kulinarische Nostalgie
Neben vielen handwerklichen Künsten wurden auch reichlich Esswaren angeboten. Beim Halunkeneintopf wurden über dem offenen Feuer im Gusseisentopf Linsen mit Karotten und Sellerie gekocht, ein Essen für das gemeine Volk – Kartoffeln gab es im Mittelalter ja noch nicht in Europa. Wegen der Lebensmittelvorschriften konnten die Quarkinis von Claudia und Timo nicht mehr ganz traditionell wie früher hergestellt werden, aber ganz ähnliche Bällchen aus Quark, Mehl, Zucker und Ei hätten schon die Römer gegessen. An vielen Ständen wurde Honigwein, der sogenannte Met, angeboten – anscheinend das älteste alkoholische Getränk überhaupt. Es kursiere der Irrglaube, dass es ein Wikingergetränk sei, wobei diese als eine der letzten Völker Met hergestellt hätten, erzählt Marc vom «Met Keller». Vielmehr habe das Getränk seinen Ursprung in Ägypten. Später tranken auch die Römer fleissig Met und er verbreitete sich in den nördlicheren Gegenden, wo keine Trauben für die Weinproduktion wachsen konnten. Entstanden sei er durch Zufall, da Honig, der wie Trauben einen natürlichen Gärprozess hat, verwendet wurde, um Nahrungsmittel zu konservieren.
Das Mittelalter kennt kein Alter
Begeisterte in jedem Alter erfreuten sich am Spektakel. Der 8-jährige Geschichtsfan Alatus Schweingruber erklärte stolz, dass sein Nachname aus dem Mittelalter stammt, nämlich aus dem Jahr 1402. Dass das Mittelalter «nur» etwa ein Jahrtausend gedauert hat, glaubt er nicht. «Da ist doch so viel passiert. Die Römer sind abgelöst worden, die Kirche wurde gross, es ging ganz viel Wissen verloren und Wikinger gab es auch noch. Das müssen sicher etwa zwei Jahrtausende gewesen sein!»
«Obwohl es schifft, sind alle topmotiviert»
Der Regen am Samstag verringerte die Freude der Besucherinnen und Besucher kein bisschen. «Obwohl es schifft, sind alle topmotiviert», so eine Verkäuferin. Der trockene Sonntag mit angenehmen Temperaturen habe dafür zu einem wahren Besucheransturm geführt, erzählt Nicolás Schmid vom Stadtmarketing Rheinfelden. Die Mittelalter- und Fantasy-Liebhaber standen Schlange und konnten sich am reichhaltigen Angebot von Bogenschiessen über Schwertkampf-Workshops, Musik, Spiel bis hin zur Gauklerei erfreuen. «Alles in allem ein sehr gelungener Anlass bei uns in Rheinfelden.»