«Ich kann das nicht nachvollziehen»
18.04.2023 FrickNach 30 Jahren in der Schweiz fehlt Torsten Hauschild eine Bescheinigung
Er würde gerne in der Aussenstelle der Rheinfelder Salina Klinik in Frick weiterarbeiten, bis die Nachfolge geregelt ist. Aufgrund neuer Gesetzesbestimmungen kann es aber sein, dass der Kanton darüber ...
Nach 30 Jahren in der Schweiz fehlt Torsten Hauschild eine Bescheinigung
Er würde gerne in der Aussenstelle der Rheinfelder Salina Klinik in Frick weiterarbeiten, bis die Nachfolge geregelt ist. Aufgrund neuer Gesetzesbestimmungen kann es aber sein, dass der Kanton darüber entscheidet, wann Hautarzt Torsten Hauschild seinen Arztkittel an den Nagel zu hängen hat.
Simone Rufli
Ausländische Ärztinnen und Ärzte, die in der Schweiz zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätig sein wollen, müssen über die notwendigen Kenntnisse des schweizerischen Gesundheitssystems verfügen und eine Landessprache beherrschen; so verlangt es der Bundesrat. «So weit so gut», sagt Torsten Hauschild. Kein Verständnis hat der in Frick tätige Hautarzt, der sein Examen vor 44 Jahren in Deutschland abgelegt hat, für die neuen Gesetzesbestimmungen, die das Parlament aufgrund der bundesrätlichen Forderung geschaffen hat. Mit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen am 1. Januar 2022 wurde die Situation für ambulante Leistungsbringer nämlich auf geradezu absurde Weise verschärft, und zwar weit über das ursprünglich verlangte Mass hinaus. Seither gilt: Wer als ausländischer Arzt mit den obligatorischen Krankenversicherungen abrechnen will, muss über ortsübliche Sprachkenntnisse verfügen und dazu im beantragten Fachgebiet während mindestens dreier Jahre an einer anerkannten Weiterbildungsstätte in der Schweiz gearbeitet haben. Wobei ein Schweizer Spital nicht automatisch auch als Weiterbildungsstätte gilt. Ausgenommen von dieser strikten Regelung: Allgemeinmedizin, Kindermedizin sowie Psychiatrie und Psychotherapie für Kinder und Jugendliche.
Weitere Berufsausübung fraglich
Von den verschärften Bestimmungen in allen anderen medizinischen Fachbereichen ist auch Torsten Hauschild betroffen. Der Dermatologe hat seine Ausbildung in Deutschland absolviert, womit die Sprachprüfung für ihn entfällt. Was er aber auch nach über 30 Jahren beruflicher Tätigkeit in der Schweiz nicht vorweisen kann, ist eine Bescheinigung über eine Ausbildung an einer Schweizer Hautklinik. Und genau deshalb könnte es nun sein, dass er seine Tätigkeit in der Praxis in Frick vorzeitig beenden muss.
«Mein Ziel war es, so lange weiterzuarbeiten, bis sich eine Nachfolge findet, damit meine Patientinnen und Patienten eine Anschlusslösung haben und kein Vakuum entsteht. Dass nun möglicherweise der Kanton bestimmt, wann ich aufzuhören habe, kann ich nicht nachvollziehen», so Hauschild.
Es drohen Praxis-Schliessungen
Was mit der Qualität der ärztlichen Berufsausübung begründet werde, komme nun effektiv als Zulassungsbeschränkung daher, beanstandet Torsten Hauschild. In der Schweiz würden zu wenige Ärzte ausgebildet, was dazu führe, dass man auf ausländische Ärzte angewiesen sei. Dass man diesen nun derartig absurde Hindernisse in den Weg lege, könne er nicht verstehen. «Als Dermatologe erbringe ich auch Leistungen der Grundversorgung. Kann ich diese Leistungen nicht mehr erbringen, weil mir ein Stück Papier fehlt, muss sich der Hausarzt um meine Patientinnen und Patienten kümmern.» Dabei seien die Hausarztpraxen bereits heute vielerorts am Anschlag. Torsten Hauschild hatte von 1987 bis 2012 eine Praxis in Badisch Rheinfelden, seit 1993 arbeitet er – zuerst tageweise, ab 2012 dann Vollzeit – im Salina Fachärztehaus in Rheinfelden. Weil im Fricktal Dermatologen fehlten, die Nachfrage nach dermatologischen Behandlungen aber stetig wuchs, gab er seine Praxis in Deutschland anno 2012 ganz auf. Seit 2007 ist er auch in der Aussenstelle der Salina Klinik als Hautarzt in Frick tätig. Weil der Kanton diese Aussenstelle jetzt als eigenständige Betriebsstätte betrachtet, gelten nun plötzlich die neuen Regelungen.
Dass Torsten Hauschild nun, um weiterarbeiten zu können, eine neue Berufsausbildungsbewilligung einholen muss, macht für ihn keinen Sinn. Trotzdem: «Für mich ist der behördliche Eingriff sicher weniger gravierend, da ich mit bald 70 Jahren am Ende meiner Karriere stehe. Aber für jüngere Kolleginnen und Kollegen ist es ganz schwierig.» Seine Stelle sei jüngst ausgeschrieben worden, das Ergebnis: «Kein einziger Schweizer Dermatologe hat sich beworben und den deutschen Dermatologen fehlt es an der dreijährigen Ausbildungszeit in der Schweiz.» Die Folge sei, dass Praxen geschlossen werden müssten.
Ob die neue Regelung mit dem EU-Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, darüber sind sich die Politiker nicht einig. Das Parlament hat es in der Hand, das Zulassungsrecht wieder zu ändern. (sir)

