«Ich dachte, wenn nicht jetzt, wann dann»
08.01.2025 Persönlich, ZeihenHans Emmenegger: lieber Kinder als Karriere
In 18 Jahren vom Praktikanten bis zum Co-Geschäftsleiter: Hans Emmenegger war kurz davor, die höchste Karrierestufe zu erreichen. Obwohl ihm die Arbeit immer viel Freude gemacht hatte, wurde er plötzlich nachdenklich.
...Hans Emmenegger: lieber Kinder als Karriere
In 18 Jahren vom Praktikanten bis zum Co-Geschäftsleiter: Hans Emmenegger war kurz davor, die höchste Karrierestufe zu erreichen. Obwohl ihm die Arbeit immer viel Freude gemacht hatte, wurde er plötzlich nachdenklich.
Karin Pfister
«Ich war nicht unzufrieden, aber heute bin ich zufriedener», so das Fazit von Hans Emmenegger. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof zwischen Zeihen und Hornussen; er absolvierte eine Berufslehre als Zimmermann mit Weiterbildung zum Techniker TS Holzbau. Im April 2005 begann er bei einer grossen Holzbaufirma in Frick als Praktikant und entwickelte sich innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten immer weiter. Er wurde Abteilungsleiter, machte eine Weiterbildung in der Unternehmensschulung, die Meisterprüfung im Holzbau und war als Nachfolger für die Geschäftsleitung in Co-Leitung mit einem anderen langjährigen Mitarbeiter vorgesehen. Hans Emmenegger durchlief das gesamte Auswahlverfahren, Assessment genannt, und den Beginn des Übergabeprozesses.
«Den Prozess habe ich als anstrengend empfunden. Plötzlich kamen bei mir ungute Gefühle auf. Die eigenen und die fremden Erwartungen wurden zur Belastung», erinnert sich Hans Emmenegger zwei Jahre später. Schon seit der Geburt des ersten Kindes 2018 hatte er sein Pensum auf 80 Prozent reduziert und einen «Papi-Tag» Zuhause verbracht. «Die Frage, ob eine Position als Co-Geschäftsleiter mit der Familie vereinbar ist, beschäftigte mich sehr.»
Rollentausch
Die Arbeit in der Holzbaufirma habe ihm immer grosse Freude gemacht und er sei bis zum Schluss zufrieden und gerne dort gewesen. «Ich hatte aber das Gefühl, dass diese Zufriedenheit langfristig abnehmen würde.» Die Firma habe viel Verständnis für seine Bedenken gezeigt und hätte ihn auch gerne in seiner bisherigen Aufgabe als Projektleiter weiter beschäftigt. Hans Emmenegger entschied sich dagegen, obwohl es für ihn hart gewesen sei zu kündigen. «Es waren rund 80 Mitarbeiter, die ich während den zwei Jahrzehnten kennengelernt hatte. Mit jedem hatte ich eine Geschichte.»
«Ich hatte das Bedürfnis, mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen und im beruflichen Bereich das Bedürfnis nach mehr Eigenverantwortung. Für mich war es der richtige Moment, um diesen grossen Schritt zu gehen.» Die ersten drei Monate zu Hause war er überwiegend Hausmann; ein «Rollentausch» mit seiner Ehefrau, welche ihr Pensum befristet auf 80 Prozent aufstockte. «Das war ein riesiger Unterschied im Vergleich zum Papi-Tag vorher. Ich habe erst während diesen Wochen verstanden, wie viel Arbeit die Kinderbetreuung beinhaltet. Es ist nicht nur die Hausarbeit», sagt Hans Emmenegger. «Der emotionale Teil nimmt viel Zeit und Energie in Anspruch. Ich habe zuerst lernen müssen, wie ich Konflikte zwischen und mit den Kindern auf eine gute Art lösen kann. Die Kinder fordern viel von einem. Ich habe Zeit gebraucht, um den richtigen Umgang mit ihnen zu finden. Im Geschäft war immer alles organisiert, die Erwartungen an mich waren klar formuliert und strukturiert. Mit den Kindern läuft das anders.»
Selbstständigkeit
Seit 2016 wohnt Hans Emmenegger mit seiner Familie mitten in Zeihen. Seine Töchter heissen Emma und Wanda und sind inzwischen sechs und vier Jahre alt. Parallel zur Kinderbetreuung hat er danach angefangen, die Scheune bei seinem Wohnhaus zu einem Büro umzubauen und sich als Bauplaner selbstständig zu machen. Inzwischen arbeitet er rund 60 Prozent, seine Frau Regula Emmenegger ist ebenfalls in einem 60-Prozent-Pensum als Sozialarbeiterin tätig.
«Ich habe schon sehr viel aufgegeben», sagt Hans Emmenegger. Er konnte für die Fricker Holzbaufirma im Bereich des zirkulären Bauens mehrere grosse Projekte realisieren und hat sich in diesem Bereich ein immenses Fachwissen angeeignet. Zirkuläres Bauen bedeutet die Wiederverwendung von gebrauchten Baustoffen. «Das hat Zukunft.» Die Nachfrage nach zirkulärem Bauen beschränke sich aber bisher vor allem auf Städte. «Ich arbeite als Bauplaner vor allem hier in der Region, wo andere Bedürfnisse nachgefragt werden.» Der Aufbau einer eigenen Firma brauche viel Organisation und die Bereitschaft, Neues zu lernen. Wichtig ist Hans Emmenegger auch bei seiner heutigen beruflichen Ausrichtung die Zufriedenheit. «Die Kundinnen und Kunden sollen zufrieden sein, die Handwerker und ich auch.»
Finanziell war der Schritt vom Geschäftsleiter zum Hausmann / selbstständigen Bauplaner mit einer grossen Einbusse verbunden. «Ich habe aber auch viel gewonnen. Die Bindung zu meinen Töchtern ist stärker geworden. Wenn man mehr zu Hause ist, wird man automatisch mehr zur Bezugsperson für die Kinder. Ich geniesse es, den Tag mit ihnen zu verbringen. Wir sind immer gerne draussen in unserem Garten oder gehen in den Wald.»