«Ich bin ein ganzer Fricktaler und noch mehr ein Gansinger»
03.04.2023 GansingenMarcel Erdin hatte seit Kindsbeinen den Velomechaniker-Beruf im Blut
Der 87-jährige in Gansingen aufgewachsene und seit bald 60 Jahren im Baselbiet wohnhafte Marcel Erdin ist Velo-Fan durch und durch, auch im hohen Alter noch. Er ist als Pensionierter nach wie vor fasziniert vom ...
Marcel Erdin hatte seit Kindsbeinen den Velomechaniker-Beruf im Blut
Der 87-jährige in Gansingen aufgewachsene und seit bald 60 Jahren im Baselbiet wohnhafte Marcel Erdin ist Velo-Fan durch und durch, auch im hohen Alter noch. Er ist als Pensionierter nach wie vor fasziniert vom Zweiradsport, welchem er viel zu verdanken hat und wo er es einst als Rennfahrer bis zu Radquer-Weltmeisterschafts-Teilnahmen brachte.
Willi Wenger
«Seit ich Velofahren kann hatte ich den Velomechaniker-Beruf im Blut. Ich wollte immer in diesem Metier tätig sein», sagt Marcel Erdin, der am 8. Mai 1936 in (sehr) bescheidenen Verhältnissen im damals 700-Seelen-Dorf Gansingen das Licht der Welt erblickte. «Ja, wir waren arm, hatten aber immer genug zum Leben», blickt Erdin auf seine frühesten Jugendjahre zurück. Es sei eine bewegende Zeit gewesen, die ersten Jahre seines Lebens, ergänzt Erdin, der im oberen Fricktal die Primar-und Sekundarschule besuchte. Der gelernte Metalldrücker und Elektrowickler, der eigentlich Fahrradmechaniker werden wollte, sagt zur NFZ auch, dass auf dem elterlichen Bauernhof die Selbstversorgung die Nummer eins darstellte. «Wir hatten wenig, mein Vater besass in der Regel zwei Kühe sowie ein paar Schweine. So hatten wir unter anderem eigene Milch. In guten Zeiten brachten wir wenige Liter davon in die ‹Chesi›. Pferde besassen wir nicht. Die stellte uns ein Bauer zum Pflügen zur Verfügung.» Diese Arbeit sei hart gewesen. «Beim Pflugwenden musste ich schon als 8-Jähriger gewaltig und mit voller Kraft schuften. Und auf den sechs Hektaren Land, verteilt auf 34 Parzellen, gab es immer viel zu tun.» Vor allem die Zeit des Zweiten Weltkriegs sei anspruchsvoll gewesen, als Vater Max im Aktivdienst weilte.
Leidenschaft zum Beruf gemacht
Nach seinen Berufslehren und einigen Gesellenjahren in der BBC Baden «half» dem Ur-Fricktaler der Zufall, um sein mit Leidenschaft betriebenes Steckenpferd, die Reparatur von Mofas und Velos, zum Beruf zu machen. Er nahm ein Angebot eines befreundeten «Tour-de-Suisse»-Fahrrad-Vertreters an, in Liestal als «einmalige Gelegenheit», wie er sagt, bei der Radsportfirma Radag, die damals Mofas, Roller und Velos verkaufte, einzusteigen. Als Allrounder und Betriebsleiter habe er sich durchgekämpft, blickt Erdin zurück. «In all diesen 37 Jahren hatte ich mehrere Angestellte und ich sage nicht ohne Stolz, dass die Radag unter meiner Betriebsleitung sieben Lehrlinge erfolgreich ausgebildet hat.»
Teilnahme an Weltmeisterschaften
Der bis zu seinem 80. Geburtstag bei Gentlemen- und Seniorenrennen in Frankreich, Österreich, Deutschland und Luxemburg regelmässig und erfolgreich velofahrende Wahl-Baselbieter, dessen Dorfname «s’Töni-Maxe Marcel» war, abgeleitet von Vater Max und Grossvater Anton, strahlt noch heute, wenn er auf sein Leben als Rennfahrer zurückblickt. Er durchlief alle Rennkategorien vom Junior bis zum Profi. In über 450 Rennen war er viele Male Sieger oder er holte Podestplätze. Als seine grössten Erfolge bezeichnet Erdin seine Teilnahmen an Radquer-Weltmeisterschaften in Belgien und in Spanien. Er sagt weiter, dass er Strassenrennen in der Schweiz wie die Tour-de-Romandie, die Zürimetzgete, die Vierkantone-Rundfahrt, die Genfersee-Rundfahrt oder die Nordwestschweizer-Rundfahrt alle bestritten habe. Bei Bergrennen, etwa bei Biel-Magglingen, fuhr er gar als Erster durchs Ziel.
Bevor er als Unternehmer 1964 von Gansingen nach Liestal übersiedelte und dort erfolgreich sein Radsportgeschäft führte, stand Marcel Erdin dem VMC Gansingen, dem er als 16-Jähriger beitrat und im selben Jahr die Lizenz als Junior löste, 20 Jahre als Vereinspräsident vor. 22 Mal war er zu seiner Aargauer Zeit OK-Präsident an nationalen und internationalen Radquers. In Liestal führte er sein ehrenamtliches Engagement für den Radsport weiter. Er stellte dem VMC Liestal seine Dienste als Vereinspräsident während 20 Jahren zur Verfügung. Ausserordentlich zu werten ist seine OK-Präsidenten-Tätigkeit in dieser Zeit. Er war Veranstaltungsleiter von 30 nationalen und internationalen Radquers in Lausen, Liestal und Frenkendorf sowie einem Dutzend regionalen und kantonalen Strassenrennen. Radquer-Schweizermeisterschaften präsidierte er im Kanton Aargau und im Kanton Basel-Landschaft insgesamt dreimal.
Der Vater einer Tochter, der mit Lebenspartnerin Rita Stern eine harmonische Verbindung pf legt und lebt, und der als Unternehmer in den 1970er- und 1980er-Jahren seine besten Jahre hatte, verstand seinen Beruf, in welchem er vollends aufging, bestens. Er habe in Spitzenzeiten jährlich über 150 «Töffli», davon 107 von einer Marke, und über 100 Velos verkauft. «Ich habe sicher über 3000 Velos verkauft in meinem Berufsleben. Ich hatte eine unglaublich treue Kundschaft.» Dieser bot er erst gegen Schluss seiner Radag-Zeit Rennräder an. Die «Bike-Zeit» erlebte er als Geschäftsmann nicht mehr.
Sport-Anerkennungspreis
Erdin, der mit einem Bruder und zwei Schwestern aufgewachsen ist und der einst auch Aktiver bei der Musikgesellschaft Gansingen war, geht heute das Leben gemächlich an. Er mache, was er noch könne, sagt er. «Ich bin so gesehen mit meiner Gesundheit zufrieden.» Für ihn, der im Ortsteil Büren zur Welt kam, war das Vereinsleben immer etwas Besonderes. Er ist Ehrenpräsident in seinen Vereinen, einer, der über 120-Mal zum Vereins- und OK-Präsidenten gewählt wurde. Und: Im Jahre 2008 verlieh ihm der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft den kantonalen Sport-Anerkennungspreis.