Hitzige Debatte um Wohnraum-Initiative
20.06.2025 RheinfeldenKlarer Entscheid nach langer Diskussion
Die Wohnraum-Initiative hat an der Rheinfelder Einwohnergemeinde-Versammlung viel zu reden gegeben. Schliesslich ist der Gegenvorschlag des Stadtrats deutlich angenommen worden.
Valentin Zumsteg
Es war warm am Mittwochabend im ...
Klarer Entscheid nach langer Diskussion
Die Wohnraum-Initiative hat an der Rheinfelder Einwohnergemeinde-Versammlung viel zu reden gegeben. Schliesslich ist der Gegenvorschlag des Stadtrats deutlich angenommen worden.
Valentin Zumsteg
Es war warm am Mittwochabend im Rheinfelder Bahnhofsaal – und es wurde teilweise hitzig diskutiert: 275 der total 7646 Stimmberechtigten nahmen an der Rheinfelder Einwohnergemeinde-Versammlung teil. Bei der letzten Versammlung im vergangenen Dezember konnten nur 152 Personen gezählt werden. Das Thema, das wohl die meisten Leute anlockte, war die Initiative «für mehr bezahlbaren Wohnraum», hinter der die vier Ortsparteien SP, GLP, Mitte und Grüne stehen. «Der Stadtrat sorgt dafür, dass bis 2040 ausreichend bezahlbarer Wohnraum, bezogen auf die spezifische Einkommensstruktur, geschaffen wird», verlangt das Volksbegehren.
Bauprojekte beim Bahnhofsaal in Gefahr?
«Das Initiativkomitee zitiert viele Studien, die alle einen Nachteil haben. Sie beziehen sich nicht auf Rheinfelden», sagte Franco Mazzi eingangs. Der Stadtammann konnte am Mittwochabend eine Grundlagenanalyse zum «Wohnungsmarkt Rheinfelden» präsentieren, welche «Fahrländer Partner Raumentwicklung» im Auftrag des Stadtrats erstellt hat und die erst seit Anfang Juni 2025 vorliegt. Daraus geht unter anderem hervor, dass Rheinfelden über einen relativ hohen Anteil an vergünstigten Wohnungen verfügt. Konkret sind es 4,7 Prozent gemeinnützige Mietwohnungen sowie 10 Prozent vergünstigte Wohnungen. Weiter wies Mazzi darauf hin, dass die Marktmieten in Rheinfelden im Durchschnitt unter jenen der Region liegen. So sind in Möhlin beispielsweise 4,5-Zimmer-Mietwohnungen im Schnitt 13 Prozent teurer als in Rheinfelden, in Zeiningen sind es gar 16 Prozent und in Magden 10 Prozent. Rheinfelden sei hingegen bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern teurer. «Da 4,5 Zimmer-Altbauwohnungen im unteren Preissegment für rund 1377 Franken zu haben sind, ist anzunehmen, dass die meisten Haushalte in Rheinfelden eine Wohnung im angemessenen Preissegment finden können», sagte Mazzi.
Der Stadtrat anerkenne das Bedürfnis, den Wohnungsmix zu überprüfen sowie Möglichkeiten einer Lenkung des Wohnraumangebots auszuloten, erklärte Stadträtin Claudia Rohrer. Die Erarbeitung einer strategischen Wohnraumpolitik sei bereits Legislaturziel des Stadtrats; die Arbeiten seien im Gange und sollen in die laufende Nutzungsplanrevision einf liessen. Die Initiative schiesse hingegen über das Ziel hinaus. «Die Forderungen führen zu einem enormen administrativen und damit finanziellen Aufwand», sagte Rohrer. Die Initiative berge ein grosses Konfliktpotential mit finanziellen Risiken für die Stadt. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Investorinnen und Investoren Rheinfelden meiden und weniger in Wohnraum investieren. Konkret stelle die Initiative – falls sie angenommen würde – zum Beispiel die geplante Überbauung der freien Flächen rund um den Bahnhofsaal und den damit zusammenhängenden vergünstigten Kauf des Saals durch die Gemeinde in Frage, da dort noch keine Baubewilligung vorliege. Der Stadtrat lehnt die Initiative deshalb ab. Er unterbreitete der Versammlung einen Gegenvorschlag, mit dem er beauftragt wird, im Rahmen der laufenden Gesamtrevision der Nutzungsplanung Anreize für die Schaffung von günstigem Wohnraum zu prüfen und der Gemeindeversammlung mit der Beschlussfassung zur Nutzungsplanung Bericht zu erstatten.
«Es braucht offenbar Druck»
«Das war eine tolle Präsentation. Ich danke dem Stadtrat dafür», sagte Tom Steiner, SP-Präsident und Mitglied des Initiativkomitees, zur vorgestellten Grundlagenanalyse. «Der Immobilienmarkt funktioniert aber nicht. Wir brauchen eine aktive Boden- und Immobilienpolitik, nicht nur ein passives Anreizsystem», so Steiner. Anders sieht es Benjamin Steiger, designierter Stadtrat: «Bezahlbarer Wohnraum ist wichtig. Wir wissen aber nicht, was mit dieser Initiative auf uns zukommt, die Auswirkungen sind offen. Diese Initiative wäre ein Blankocheck.» Er sprach sich deshalb dagegen aus. In eine ähnliche Richtung argumentierte Joël Lässer, ebenfalls kommender Stadtrat. «Das ist ein wichtiges Anliegen. Es ist aber richtig, das Thema über die Revision der Nutzungsplanung anzugehen.»
Ganz anderer Meinung ist der ehemalige Rheinfelder Bauverwalter Christian Singer: «Es ist schon viel versprochen worden. Es braucht offenbar Druck, damit etwas läuft», plädierte er für die Initiative. Béa Bieber, Mitglied des Initiativkomitees von der GLP, betonte: «Die Initiative will gestalten, nicht blockieren. Gute Absichten brauchen einen verbindlichen Rahmen.» Max Hänggi von der Mitte dankte dem Stadtrat ebenfalls für die Präsentation der Grundlagenanalyse, er zeigte sich aber enttäuscht, dass dies erst an der Gemeindeversammlung geschah: «So sollte man nicht mit den Ortsparteien umgehen.»
«Billiger Populismus»
Christoph von Büren, Präsident der FDP, warnte vor der Initiative. Wenn diese angenommen werde, gelte sie ab sofort und würde – zum Beispiel bei den geplanten Bauprojekten rund um den Bahnhof – zu einer grossen Rechtsunsicherheit führen. SVP-Präsident Dimitri Papadopoulos ging einen Schritt weiter und meinte in Richtung des Initiativkomitees: «Das ist keine ernsthafte Politik, sondern billiger Populismus.» Dem widersprach Kathrin Frey, Präsidentin der Grünen: 758 Personen hätten die Initiative unterschrieben. «Vier von sechs Ortsparteien stehen dahinter», so Frey. Das Anliegen sei auf grosses Interesse gestossen.
Nach eingehender Diskussion folgten die Abstimmungen. In einer direkten Gegenüberstellung obsiegte der Gegenvorschlag des Stadtrats mit 165 Stimmen über die Volksinitiative, die 72 Stimmen erhielt. In der anschliessenden Hauptabstimmung genehmigte die Versammlung den Gegenvorschlag des Stadtrats mit grossem Mehr.
Millionen für Fricktaler Museum
Während die Wohnraum-Initiative an der Rheinfelder Einwohnergemeinde-Versammlung für lange Diskussionen sorgte, gingen die anderen Geschäfte sehr schlank über die Bühne. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger genehmigten alle Geschäfte im Sinne des Stadtrats. So bewilligten sie – diskussionslos – einen Verpflichtungskredit über 7,355 Millionen Franken für die Sanierung und Modernisierung des Fricktaler Museums. Damit ist der Weg für dieses Generationenprojekt geebnet. Einige Wortmeldungen gab es hingegen zur Teiländerung der Nutzungsplanung beim Areal Feldschlösschen, zum Verpflichtungskredit von 2,09 Millionen Franken für die Sanierung der Friedhofskapelle und der Aufbahrungshalle sowie zum Reglement über die Entschädigungen aufgrund der Einstellung der Gasversorgung. Alles wurde aber klar angenommen. Nach knapp vier Stunden war die Schlacht geschlagen – und die Gemeindeversammlung zu Ende. (vzu)